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BAUZEITUNG
Nr. 29
Arbeiterkolonie Merck, Darmstadt. Fig. 5
Architekt Professor Pützer, Darmstadt
Blitzableiter
Die Brandstatistik zeigt uns, daß ein erheblicher Teil
der alljährlich durch Feuer vernichteten Gebäude auf
das Konto des Blitzes fällt, und an diesem Teil parti
zipieren verhältnismäßig viel stärker die Landbezirke und
kleinen Städte als die ausgesprochenen Großstädte. In
letzteren spielen als Blitzableiter oder richtiger als Aus
gleicher der nach Vereinigung strebenden feindlichen
Elektrizitäten die vielen Telephondrähte und sonstigen
metallischen Gegenstände eine Rolle, so daß sich die Ver
minderung der Blitzschläge sehr einfach daraus erklären
läßt. Sicherlich ist der Blitzableiter, wenn er sachgemäß
angeordnet und richtig unterhalten wird, der beste Schutz
gegen die Blitzgefahr, aber das hier angeführte „wenn“
zeigt schon, daß es nicht unbedingt der Fall ist. Auch
der Kostenpunkt spielt häufig mit, um eine Anlage des
selben gänzlich zu unterlassen. In diesem Falle wird
man jedoch versuchen müssen, einen Schutz zu schaffen,
der dem des Blitzableiters nahe kommt. Das Einschlagen
des Blitzes wird durch den Blitzableiter nicht gänzlich
verhindert, sondern nur die zerstörende Wirkung des
selben auf die Gebäude selbst aufgehoben.
Die Theorie des Blitzableiters besteht bekanntlich
darin, der aus den Wolken zur Erde niederstrebenden
Elektrizität einen Weg, einen Leiter zu schaffen, auf
welchem dieselbe möglichst ohne Widerstand dorthin
gelangen kann. Ist ein solcher vorhanden, so findet der
Ausgleich zwischen Luft- und Erdelektrizität auch ohne
die geringsten Schwierigkeiten, ohne irgendwelche Spuren
der im andern Falle durch den Blitz hervorgerufenen
gewaltigen Zerstörungen statt. Ein solcher guter Leiter
ist aber nur Metall, und die einzigen Teile an Gebäuden,
die aus Metall bestehen, sind die Dachrinnen. Diese
werden denn auch mit Vorliebe von dem Blitz als Weg
benutzt, und von ihrer Beschaffenheit und Anlage hängt
es ab, in wie hohem Maße sie als Blitzableiter, als Blitz-
Arbeiterkolonie Merck, Darmstadt. Fig. 6
Architekt Professor Pützer, Darmstadt
Schutzvorrichtung ihren Zweck erfüllen können. Bei
einiger Ueberlegung kann man ohne weiteres die hier in
Frage kommenden Bedingungen und die zur Erfüllung
derselben notwendigen Formen und Anordnungen der
Dach- oder Regenrinnen feststellen.
Erste Bedingung ist, daß diese Rinnen eine genügende
Wandstärke haben, um den Leitungswiderstand auf das
geringste Maß herabzudrücken. Wie beim Blitzableiter
selbst ist auch hier das Vorhandensein einer guten Erd
leitung unbedingt nötig. Als solche ist es aber nicht
anzusehen, wenn die am Hause herunterführende Zink
röhre schon einen halben Meter über dem Erdboden en
digt, allenfalls noch ein Winkelstück trägt, um Regenwasser
auffangen zu können. In diesem Falle hat die Röhre
als Blitzschutz Vorrichtung gar keinen AVert, da die aus
der Erde hochsteigende Elektrizität keinen Anschluß an
sie findet. Das ist aber zur Verhütung des Blitzschlages
häufig mehr ausschlaggebend als die Niederleitung des
schon vorhandenen Blitzes. Wissenschaftlich müßte man
sich hier allerdings etwas anders ausdrücken; da es aber
hier nicht auf die theoretische Erklärung der Entstehung
des Blitzes ankonnnt, sondern lediglich auf die Erklärung
der dem Laien sichtbaren Erscheinungen, so wollen wir
hier von weiteren Erörterungen absehen und nur noch
bemerken, daß es viel wichtiger ist, einen Ausgleich der
elektrischen Spannung herbeizuführen. Dazu gehört aber
unbedingt, daß die Regenrinne in ihrer Fortsetzung,
ebenso wie der Blitzableiter, mit fließendem Wasser,
Grundwasser, einem Brunnen oder feuchtem Erdreich in
eine genügend gut leitende Verbindung gebracht wird. Je
nach den Verhältnissen ändert sich hier die Ausführung
zwecks Erfüllung dieser Bedingung. Ist eine Kanali
sation vorhanden und münden die Regenröhren direkt in
diese, so sind, wenn die Kanalröhren aus Eisen bestehen
und durch Verschraubungen oder Bleistemmungen ge
dichtet sind, weitere Vorrichtungen überflüssig. Selbst
verständlich darf aber das Uebergangsstück von der
Regenrinne zum Kanalrohr nicht aus Ton bestehen, son
dern aus Metall, vielleicht auch aus .Gußeisen.
Ist eine solche Leitung nicht vorhanden, so bleibt
weiter kein Ausweg übrig als die Anbringung einer regel
rechten Erdleitung in Form eines an die Regenrinne an
geschlossenen Kupferdrahtseiles mit Grundplatte. Sind
die für gewöhnlich geforderten Bedingungen betreffs
Grundwasser zur Einlegung derselben nicht vorhanden,
so genügt schließlich die Niederbringung eines guß
eisernen Rohres nach Art der bekannten Abessinier
brunnen.
Blitzableitertechniker werden eine solche Anlage aller
dings nicht als sachgemäß bezeichnen, der Umstand je
doch, daß der Blitz so häufig diese Rinnen als Weg
benutzt, beweist zur Genüge, daß dieselbe immerhin besser
ist als gar kein Schutz. I. H.
Das Bauen auf dem Lande
Es ist ein erfreuliches Anzeichen, daß in Architekten
kreisen immer mehr das Bestreben für eine natürliche,
schlichte Bauweise zum Ausdruck kommt, namentlich in
Gegenden, die von Natur aus eine solche gebieterisch
verlangen. Hohe Zeit wäre es in der Tat, daß insbesondere
das Bauen auf dem Lande in die Bahnen eines besseren
Geschmacks geleitet wird, und jeder Schritt auf diesem
Wege ist mit Genugtuung zu begrüßen. So hat der
Oberrheinische Bezirksverein Kreiburg des Badischen
Architekten- und Ingenieur-Vereins dieser Tage an sämt
liche Gemeinderäte und an die Baugewerksmeister
der Landorte Rundschreiben geschickt mit eingehender
Kritik des Häßlichen, Falschen und mit Angaben, wie
Besserung zu schaffen sei. In dem Schreiben an die
Gemeinderäte wird empfohlen, die äußere Erscheinung
der Gebäude, wie es früher so gern geschah, mit der