Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

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BAUZEITUNG 
Nr. 30 
unter dem Einfluß des heutigen Brennverfahrens meistens 
noch zu gleichmäßig aus. 
Der Einfluß der Denkmalpflege und der in ihr ge 
machten Erfahrungen hat nun zur Aufnahme dieser Ziegel 
behandlung in weiteren Kreisen geführt. Nicht etwa, 
weil diese Werkverfahren einen altertümlichen Eindruck 
machen, wie eine dilettantische, mit sonderbarer Hart 
näckigkeit immer wiederkehrende Auffassung behaupten 
möchte, sondern weil sie eine schönere Wirkung ergeben. 
Ein wesentlich andres Bild bietet sich uns, wenn wir 
uns die Bolle vergegenwärtigen, die der heutige Back 
steinbau als Bestandteil der Städtebilder, also als Nach 
bar älterer Denkmäler spielt. Hier ist die Lage zurzeit 
so, daß weite Kreise dazu neigen, die sichtbare Ver 
wendung von Backstein als kunstfeindlich anzusehen und 
die Frage nach diesem Zusammenhänge von Backsteinbau 
und Denkmalpflege ebenso kurz wie gründlich zu beant 
worten: „Verboten muß er werden!“ Ja, man hat diesen 
so einfachen Weg wiederholt schon beschritten. Eine 
Reihe von süddeutschen Städten hat, wenigstens für die 
künstlerisch wichtigsten Stadtgegenden, die Anwendung 
des Backsteinbaues ausgeschlossen, zum Teil angeregt 
dazu durch die Beschlüsse, die der Denkmaltag in Mainz 
zum Schutze wertvoller Stadt- und Straßenbilder gefaßt 
hatte. So bestimmt ein erst im Juli 1905 erlassenes 
Ortsstatut in Darmstadt unter anderm wörtlich folgendes: 
„Zement-, Back- und Blendsteine sollen zur Bildung 
vortretender Architekturteile nicht verwendet werden, 
auch die Verwendung von Back- und Blendsteinen soll 
für ausgedehnte Fassadenflächen nicht stattfinden.“ Das 
wird dann weiter erläutert wie folgt: „es soll nur ver 
mieden werden, daß mit Ziegeln als solchen sowie andern 
Kunststeinen eine Wirkung erzielt wird.“ Sobald man 
die Ziegel nämlich dünn „in Münchner Art“ überschlemmt, 
darf man sie verwenden. 
Ich bemerke dazu, daß der Wortlaut deutlich er 
kennen läßt, wie wesentlich die Farbe des Backsteins den 
Grund für sein Verbot bildet, denn dünn überschlemmt 
darf er ja verwendet werden! Die in solchen Bestim 
mungen ausgesprochene schroffe Abweisung des Back 
steins entspricht zweifellos einem ziemlich weitverbreiteten 
Widerwillen,, wenngleich nicht viele so weit gehen werden, 
ihn schnöde mit dem Zement auf gleiche Stufe zu stellen, 
der als elendester Ersatz des Hausteines der Schrecken 
jedes gesund schaffenden Architekten ist. 
Diese Abneigung teile ich keineswegs, halte vielmehr 
den Backstein für einen künstlerisch höchst wertvollen 
und für viele Zwecke ganz unersetzlichen Baustoff, der 
einen Stimmungsgehalt von größter Tiefe vor andern 
auszudrücken vermag. Trotzdem liegt es mir fern, den 
Backstein in seiner jetzigen überwiegenden Verwendungs 
art als tadellos, als den „Stein der Weisen“ zu preisen, 
der alles andre Baumaterial an Schönheit übertrifft. Damit 
würde ich taube Ohren finden, und mit Recht. Das sind 
Einseitigkeiten, die der geschäftlichen Reklame überlassen 
bleiben sollten und mit denen man der Sache des Back 
steinbaues bei Einsichtigen mehr schaden wird als nutzen. 
Wohl aber möchte ich bitten, mit mir die Frage zu prüfen, 
ob nicht die Abneigung, die sich bis zu völligem Verbote 
steigert, nach der andern Seite hin zu weit geht und den 
Bestrebungen des Denkmal- und Heimatschutzes schließ 
lich abträglich ist. 
Erklären kann sich auch der Freund des Backstein 
baues den lebhaften, ihm gezollten Widerwillen, wenn er 
so manchen Fehlgriff sieht, der in den letzten Jahrzehnten 
geschehen ist. 
Ich möchte hier nicht sprechen von der Roheit, mit 
der sich die ärmere Landbevölkerung gar nicht so selten 
ihre Häuser aus schlechten Hintermauerungssteinen er 
richtet, die nach Form und Farbe, unsauber und düster, 
das schönste Straßenbild eines freundlichen Dorfes ver 
derben. Diese nur aus Dürftigkeit hervorgehende arm 
selige Bauweise scheidet als reine Sache der Nützlichkeit 
von jeder künstlerischen Betrachtung ganz aus. Man tut 
unrecht, wenn man auf Grund solcher Dinge sich gegen 
den Backsteinbau als Kunstmittel wendet. 
Aber welcher Freund unsrer alten Denkmäler hätte 
es nicht schon ästhetisch als einen wahren Schlag empfun 
den, wenn etwa am Markte einer schönen alten Stadt 
sich in die Reihe der schlicht malerischen Bürgerhäuser 
plötzlich ein grellroter oder scharfgelber Ziegelbau dem 
Auge aufdrängt, hart und roh in der Farbe, grob und 
nüchtern und dabei anspruchsvoll in seiner Formgebung. 
Wen hätte nicht schon der Unwille gefaßt, wenn er in 
lieblicher Mittelgebirgslandschaft oder an den schönen 
Ufern unsrer Ströme mächtige Kästen sich erheben sieht 
aus grellfarbigem Baustoffe, die mit ihren ungefügen, flach 
abgedeckten Massen die Schönheit der Landschaft und 
die Wirkung benachbarter Denkmäler schwer schädigen. 
Ein besonderes Beispiel solcher Art bietet die schöne 
alte Stadt Kulmbach, ein Beispiel, das freilich auch zeigt, 
wie leicht Trugschlüsse zustande kommen, wenn man die 
ganze Schuld an solchen Unerfreulichkeiten auf den Back 
stein wirft. Wenn man dort auf der schönen Plassen- 
burg hoch über der alten Stadt steht und über die male 
rischen, feingegliederten Giebel und Dächer hinweg in 
das herrliche Maintal hinausschaut, wird man nicht gerade 
entzückt sein von dem runden Dutzend roter Aktien 
brauereien, die rings um die Stadt herum sich nieder 
gelassen haben. Sie fallen mit ihren riesigen Gebäuden, 
den flachen Holzzementdächern und nüchternen Schorn 
steinen gründlich aus dem Maßstabe des schönen Stadt 
bildes wie der Umgebung heraus. Man wird freilich 
auch bemerken, daß eine dreizehnte gleiche Industriestätte, 
die an den Außenwänden mit Kalkputz überzogen ist, in 
ihrer gleichen, ebenfalls durch ein Holzzementdach ab 
geschlossenen Kastenform nicht etwa lieblicher, sondern 
nur noch düsterer und unfreundlicher sich ausnimmt als 
ihre mit Backstein verblendeten Genossen. Und diese 
Wahrnehmung führt uns gleich darauf, daß der Back 
steinbau in seinem künstlerischen Ruf so manche Sünden 
mitbtißen muß, die nicht ihm, sondern der kunstwidrig 
nüchternen Auffassung wirtschaftlicher Aufgaben zuzu 
schreiben sind. Weil er wegen seiner außerordentlich 
praktischen Vorzüge in weitgehendem Maße für sogenannte 
reine Nützlichkeitszwecke, Fabrikanlagen u. dergh, ange 
wendet worden ist und dabei in Gegenden vordrang, in 
denen man vorher w r eder Fabriken noch Backsteinbau 
kannte, so mißt man ihm die Schuld bei an der ganzen 
Schädigung, die zum größten Teile doch dadurch hervor 
gerufen ist, daß bei Errichtung solcher industrieller An 
lagen zumeist jede künstlerische Rücksicht beiseitegesetzt 
wurde. 
Freilich reicht diese Erklärung nicht für alle Fälle 
aus, und es bleibt auch bei Bauten, die einen höheren 
Rang beanspruchen, bei Schulen, Wohnhäusern u. dergh, 
oft genug Grund, den Backsteinbau als Mißton im Ver 
gleich zu seiner Umgebung zu empfinden. Ehe man ihm 
aber deswegen in Bausch und Bogen den Krieg erklärt, 
ist es wohl gut, sich die Frage vorzulegen, ob denn diese 
Mißstände notwendig mit ihm verbunden sind, und zweitens, 
ob durch einen solchen Krieg eine Besserung der Ver 
hältnisse herbeigeftihrt werden kann. 
Auf die erste grundsätzliche Frage erhalten wir meines 
Erachtens eine entscheidende Antwort, wenn wir uns in 
all den Ländern umsehen, die in älterer Zeit eine blühende 
Backsteinbaukunst hervorgebracht haben. Die Gegenden 
am Niederrhein, fast ganz Norddeutschland von der See 
küste bis nach Schlesien und Thüringen hinein, Dänemark 
und Oberitalien sind solche Länder. In ihnen empfindet 
man keineswegs die Denkmäler dieser Kunst als Stören 
friede im Stadt- und Landschaftsbilde. Das liegt nicht 
etwa daran, daß das ganze Wesen der dortigen Städte 
durch den Backsteinbau bestimmt würde. Das mag im
	        

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