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BAUZEITUNG
Nr. 31
Zur Platzfrage des Kgl. Hoftlieaterneubaus in Stuttgart
Die Platzfrage für den Neubau des Kgl. Hoftheaters
hat seit langem die Öffentlichkeit beschäftigt. Als die
Möglichkeit, das Hoftheater auf dem alten Theaterplatz
oder dem Waisenhausplatz zu erbauen, immer mehr
schwand und die Absicht, den Platz für den Neubau in
die Kgl. Anlagen zu verlegen, desto deutlicher in die
Erscheinung trat, machte sich in der Einwohnerschaft
Stuttgarts eine tiefgehende Beunruhigung geltend, die
sich noch verstärkte, als mit ziemlicher Bestimmtheit der
Plan auftauchte, für den Neubau die Gegend der Eber
hardsgruppe zu wählen. Diese Stimmung kam in einer
Reihe von Veröffentlichungen der Tagespresse zu leb
haftem Ausdruck, wobei energisch gegen eine solch weit
gehende Beschneidung der Anlagen Einspruch erhoben
wurde. Es wäre in der Tat schade gewesen, wenn ein in
landschaftlicher und gärtnerischer Beziehung so reizvoller
Teil des herrlichen Parks den Forderungen moderner Tech
nik zum Opfer gefallen wäre, und wir selbst hätten uns
nur schweren Herzens damit abfinden können, zumal da wir
uns sagen mußten, daß sicher noch nicht alle Möglichkeiten
zur Vermeidung eines solchen Auswegs erschöpft seien.
Diese Erwägung scheint auch in Stuttgarter Archi
tektenkreisen geteilt worden zu sein, denn in neuester
Zeit sind plötzlich noch zwei Pläne erstanden, die eine neue
Lösung der Theaterplatzfrage bringen, und zwar unter
möglichster Schonung des Anlagengebiets. Prof. Burkhardt
und Oberbaurat v. Reinhardt wollen das neue Hoftheater,
der eine teils auf dem alten Platz, teils mit der Front
gegen die Königstraße, der andre auf dem Terrain des
Botanischen Gartens errichten. Es wird unsre Leser
interessieren, beide Projekte kennen zu lernen. Das
Burkhardtsche sind wir schon heute in der Lage zu ver
öffentlichen. Der Reinhardtsche Plan ist uns zurzeit noch
nicht zugänglich, da das Material sich in den Händen der
engeren Künstlerkommission befindet, welche sich mit
der Prüfung der Platzfrage zu beschäftigen hat. Es ver
lautet allerdings, daß die Kommission sich bereits schlüssig
gemacht und dem König ihre Vorschläge, denen der
Reinhardtsche Plan zugrunde liege, unterbreitet habe.
Die Entscheidung sei demnächst zu erwarten. Daß die
letztere zugunsten des Botanischen Garten-Projekts aus-
fallen dürfte, wird vielfach angenommen. Wir haben
indessen Grund, zu der Annahme, daß die Entscheidung
sich noch einige Zeit hinziehen wird; sie dürfte wohl
auch etwas anders ausfallen, als man erwartet. Bei der
Wichtigkeit der Sache und dem allgemeinen Interesse* das
sie beansprucht, geben wir wieder, was uns darüber bekannt
ist. Obwohl der Burkhardtsche Entwurf noch eine größere
Schonung der Anlagen in sich begreift, wollen wir den
Reinhardtschen aus naheliegenden Gründen zunächst be
handeln; wir müssen uns eben mit einer kurzen Be
schreibung desselben zunächst bescheiden.
Der Entwurf des Oberbaurats v. Reinhardt
geht von dem Grundgedanken der möglichsten Schonung
der Anlagen aus. Aus diesem Grunde verwirft auch er
ein Opernhaus am Platze der Eberhardsgruppe. Auf
dem alten Theaterplatz sieht er — wir folgen dabei einer
Darstellung des „Beob.“ — das Museum für die Völker
kunde vor, wodurch der Schloßplatz auch wieder den
fehlenden Abschluß erhalten würde. Den Marstall will er
ganz der Privatspekulation überlassen, wobei am Königs
tor, gegenüber dem Empfangsgebäude des neuen Bahn
hofs, ein großes Hotel mit Restauration und Cafe gegen
die Anlagen vorgesehen ist. Als Querstraße nimmt der Ver
fasser nur eine schmale Verbindungsstraße zwischen dem
künftigen Bahnhofvorplatz und der Neckarstraße von der
Schillerstraße, am Eberharddenkmal und dem städtischen
Katharinenstift vorüber, an. Das Opernhaus stellt Oberbau
rat v. Reinhardt an die Ecke der Schloßgarten- und Neckar
straße, in seiner Längsentwicklung parallel mit ersterer.
Das Schauspielhaus, mit Eingang von den Anlagen, würde
sodann, fast gleichlaufend mit dem Opernhaus, aber wegen
der Häuser an der Neckarstraße zurückgerückt gegen die
Anlagen, hinter das Katharinenstift, also etwa in die
Gegend der heutigen Gewächshäuser des Botanischen
Gartens kommen. Verbunden wären beide Theater durch
einen schräg gestellten Verwaltungsbau. Das Reinhardtsche
Projekt nimmt also den ganzen Botanischen Garten samt
der Kgl. Adjutantur mit ihrem Eckgärtchen an der Neckar-
und Schloßgartenstraße für den Theaterbau in Anspruch,
läßt aber den oberen Anlagensee und die Anlagen selbst
zum größten Teil unangetastet (mit Ausnahme der an
den Botanischen Garten angrenzenden Gruppen). An
Stelle des heutigen Interimstheaters sieht der Plan den
neuen Marstall vor, der so weit an die Straße vorgerückt
würde, daß zwischen ihm, dem bestehenden Reithause,
der Akademie und dem hinteren Schloßfiügel eine freie
Reitbahn angelegt werden könnte.
Der Reinhardtsche Plan hat manches Verlockende an
sich. Der Platz des Botanischen Gartens, der ja verlegt
werden kann, ist als Bauplatz zweifellos günstig; eine
andre Frage ist, ob die größere Entfernung vom Bahn
hof und der Mangel einer direkten Straßenbalmverbindung
durch die übrigen Vorteile aufgewogen wird. Uebrigens
ist es das Los fast aller Großstädte, daß Bahnhof und
Theater selten nahe beieinander liegen. Der Burkhardtsche
Entwurf, auf den wir jetzt zu sprechen kommen, wäre
insofern günstiger, als seine nach der Königstraße gehende
Front dem neuen Hauptbahnhof wesentlich näher liegen
würde. Ob freilich andre Hindernisse — wir rechnen
hierzu namentlich Schwierigkeiten bezüglich des Grund
erwerbs — dem Unternehmen nicht im Wege stehen
würden, sei hier nur angedeutet. A. F.
Zur Platzfrage des Hoftlieaterneubaus und Er
haltung der Kgl. Anlagen
Seit Jahren schon steht die Frage der Platzbestimmung
für den Theaterneubau in Stuttgart im Mittelpunkte der
lebhaftesten Erörterung nicht allein in Fachkreisen, das
Für und Wider erfüllte auch die Tagesblätter. Wenn
nicht alle Anzeichen trügen, so ist die Entscheidung
nahe. Mit Festlegung des Hauptbahnhofs an der Schiller
straße ist die Lage und Gestaltung des Bahnhofvorplatzes
im wesentlichen bestimmt.
Es geht nun eine Strömung dahin, den Theaterneubau
in den Anlagen zu errichten und zwar an der Stelle A
(siehe Skizze der Eberhardsgruppe). Freunde dieses
Platzes gehen davon aus, daß eine Verbindungsstraße
zwischen dem Vorplatz des Hauptbahnhofs — außerhalb
des Königstors, welches abgebrochen werden soll — und
der Neckarstraße ein unentbehrliches Verkehrsbedürfnis
sei. Also muß die Schillerstraße durch die Anlagen in
die Neckarstraße geführt werden. Die Anlagen werden
damit so wie so unfehlbar durchquert. Darum kann an
dieser Stelle sehr wohl das Doppeltheater errichtet werden.
Die Verfechter dieses Gedankens machen sich aber die
Sache doch etwas zu leicht. Denn es ist zu bedenken,
daß die Verbindungsstraße, die auch die Straßenbahngleise
aufzunehmen hätte, falls sie allein bleiben würde, mindestens
20—25 m breit angelegt werden müßte. Sie würde dann
senkrecht auf die ohnehin schon verkehrsreiche Neckar
straße stoßen und dort eine nicht erwünschte Verkehrs
steigerung mit sich bringen; denn heute schon machen sich
die zu eng gelegten Gleise für die Fahrgäste beim Aus-
und Einsteigen unangenehm fühlbar, weil der zwischen
und neben den Gleisen gelegene Raum von Fahrzeugen
jeglicher Art belebt zu sein pflegt, wodurch Gefahren,
Unsicherheit und Verkehrsstörungen unvermeidlich sein
dürften. Weiter wäre unbedingt notwendig die Er-