Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

244 
BAUZEITUNG 
Nr. 31 
Zur Platzfrage des Kgl. Hoftlieaterneubaus in Stuttgart 
Die Platzfrage für den Neubau des Kgl. Hoftheaters 
hat seit langem die Öffentlichkeit beschäftigt. Als die 
Möglichkeit, das Hoftheater auf dem alten Theaterplatz 
oder dem Waisenhausplatz zu erbauen, immer mehr 
schwand und die Absicht, den Platz für den Neubau in 
die Kgl. Anlagen zu verlegen, desto deutlicher in die 
Erscheinung trat, machte sich in der Einwohnerschaft 
Stuttgarts eine tiefgehende Beunruhigung geltend, die 
sich noch verstärkte, als mit ziemlicher Bestimmtheit der 
Plan auftauchte, für den Neubau die Gegend der Eber 
hardsgruppe zu wählen. Diese Stimmung kam in einer 
Reihe von Veröffentlichungen der Tagespresse zu leb 
haftem Ausdruck, wobei energisch gegen eine solch weit 
gehende Beschneidung der Anlagen Einspruch erhoben 
wurde. Es wäre in der Tat schade gewesen, wenn ein in 
landschaftlicher und gärtnerischer Beziehung so reizvoller 
Teil des herrlichen Parks den Forderungen moderner Tech 
nik zum Opfer gefallen wäre, und wir selbst hätten uns 
nur schweren Herzens damit abfinden können, zumal da wir 
uns sagen mußten, daß sicher noch nicht alle Möglichkeiten 
zur Vermeidung eines solchen Auswegs erschöpft seien. 
Diese Erwägung scheint auch in Stuttgarter Archi 
tektenkreisen geteilt worden zu sein, denn in neuester 
Zeit sind plötzlich noch zwei Pläne erstanden, die eine neue 
Lösung der Theaterplatzfrage bringen, und zwar unter 
möglichster Schonung des Anlagengebiets. Prof. Burkhardt 
und Oberbaurat v. Reinhardt wollen das neue Hoftheater, 
der eine teils auf dem alten Platz, teils mit der Front 
gegen die Königstraße, der andre auf dem Terrain des 
Botanischen Gartens errichten. Es wird unsre Leser 
interessieren, beide Projekte kennen zu lernen. Das 
Burkhardtsche sind wir schon heute in der Lage zu ver 
öffentlichen. Der Reinhardtsche Plan ist uns zurzeit noch 
nicht zugänglich, da das Material sich in den Händen der 
engeren Künstlerkommission befindet, welche sich mit 
der Prüfung der Platzfrage zu beschäftigen hat. Es ver 
lautet allerdings, daß die Kommission sich bereits schlüssig 
gemacht und dem König ihre Vorschläge, denen der 
Reinhardtsche Plan zugrunde liege, unterbreitet habe. 
Die Entscheidung sei demnächst zu erwarten. Daß die 
letztere zugunsten des Botanischen Garten-Projekts aus- 
fallen dürfte, wird vielfach angenommen. Wir haben 
indessen Grund, zu der Annahme, daß die Entscheidung 
sich noch einige Zeit hinziehen wird; sie dürfte wohl 
auch etwas anders ausfallen, als man erwartet. Bei der 
Wichtigkeit der Sache und dem allgemeinen Interesse* das 
sie beansprucht, geben wir wieder, was uns darüber bekannt 
ist. Obwohl der Burkhardtsche Entwurf noch eine größere 
Schonung der Anlagen in sich begreift, wollen wir den 
Reinhardtschen aus naheliegenden Gründen zunächst be 
handeln; wir müssen uns eben mit einer kurzen Be 
schreibung desselben zunächst bescheiden. 
Der Entwurf des Oberbaurats v. Reinhardt 
geht von dem Grundgedanken der möglichsten Schonung 
der Anlagen aus. Aus diesem Grunde verwirft auch er 
ein Opernhaus am Platze der Eberhardsgruppe. Auf 
dem alten Theaterplatz sieht er — wir folgen dabei einer 
Darstellung des „Beob.“ — das Museum für die Völker 
kunde vor, wodurch der Schloßplatz auch wieder den 
fehlenden Abschluß erhalten würde. Den Marstall will er 
ganz der Privatspekulation überlassen, wobei am Königs 
tor, gegenüber dem Empfangsgebäude des neuen Bahn 
hofs, ein großes Hotel mit Restauration und Cafe gegen 
die Anlagen vorgesehen ist. Als Querstraße nimmt der Ver 
fasser nur eine schmale Verbindungsstraße zwischen dem 
künftigen Bahnhofvorplatz und der Neckarstraße von der 
Schillerstraße, am Eberharddenkmal und dem städtischen 
Katharinenstift vorüber, an. Das Opernhaus stellt Oberbau 
rat v. Reinhardt an die Ecke der Schloßgarten- und Neckar 
straße, in seiner Längsentwicklung parallel mit ersterer. 
Das Schauspielhaus, mit Eingang von den Anlagen, würde 
sodann, fast gleichlaufend mit dem Opernhaus, aber wegen 
der Häuser an der Neckarstraße zurückgerückt gegen die 
Anlagen, hinter das Katharinenstift, also etwa in die 
Gegend der heutigen Gewächshäuser des Botanischen 
Gartens kommen. Verbunden wären beide Theater durch 
einen schräg gestellten Verwaltungsbau. Das Reinhardtsche 
Projekt nimmt also den ganzen Botanischen Garten samt 
der Kgl. Adjutantur mit ihrem Eckgärtchen an der Neckar- 
und Schloßgartenstraße für den Theaterbau in Anspruch, 
läßt aber den oberen Anlagensee und die Anlagen selbst 
zum größten Teil unangetastet (mit Ausnahme der an 
den Botanischen Garten angrenzenden Gruppen). An 
Stelle des heutigen Interimstheaters sieht der Plan den 
neuen Marstall vor, der so weit an die Straße vorgerückt 
würde, daß zwischen ihm, dem bestehenden Reithause, 
der Akademie und dem hinteren Schloßfiügel eine freie 
Reitbahn angelegt werden könnte. 
Der Reinhardtsche Plan hat manches Verlockende an 
sich. Der Platz des Botanischen Gartens, der ja verlegt 
werden kann, ist als Bauplatz zweifellos günstig; eine 
andre Frage ist, ob die größere Entfernung vom Bahn 
hof und der Mangel einer direkten Straßenbalmverbindung 
durch die übrigen Vorteile aufgewogen wird. Uebrigens 
ist es das Los fast aller Großstädte, daß Bahnhof und 
Theater selten nahe beieinander liegen. Der Burkhardtsche 
Entwurf, auf den wir jetzt zu sprechen kommen, wäre 
insofern günstiger, als seine nach der Königstraße gehende 
Front dem neuen Hauptbahnhof wesentlich näher liegen 
würde. Ob freilich andre Hindernisse — wir rechnen 
hierzu namentlich Schwierigkeiten bezüglich des Grund 
erwerbs — dem Unternehmen nicht im Wege stehen 
würden, sei hier nur angedeutet. A. F. 
Zur Platzfrage des Hoftlieaterneubaus und Er 
haltung der Kgl. Anlagen 
Seit Jahren schon steht die Frage der Platzbestimmung 
für den Theaterneubau in Stuttgart im Mittelpunkte der 
lebhaftesten Erörterung nicht allein in Fachkreisen, das 
Für und Wider erfüllte auch die Tagesblätter. Wenn 
nicht alle Anzeichen trügen, so ist die Entscheidung 
nahe. Mit Festlegung des Hauptbahnhofs an der Schiller 
straße ist die Lage und Gestaltung des Bahnhofvorplatzes 
im wesentlichen bestimmt. 
Es geht nun eine Strömung dahin, den Theaterneubau 
in den Anlagen zu errichten und zwar an der Stelle A 
(siehe Skizze der Eberhardsgruppe). Freunde dieses 
Platzes gehen davon aus, daß eine Verbindungsstraße 
zwischen dem Vorplatz des Hauptbahnhofs — außerhalb 
des Königstors, welches abgebrochen werden soll — und 
der Neckarstraße ein unentbehrliches Verkehrsbedürfnis 
sei. Also muß die Schillerstraße durch die Anlagen in 
die Neckarstraße geführt werden. Die Anlagen werden 
damit so wie so unfehlbar durchquert. Darum kann an 
dieser Stelle sehr wohl das Doppeltheater errichtet werden. 
Die Verfechter dieses Gedankens machen sich aber die 
Sache doch etwas zu leicht. Denn es ist zu bedenken, 
daß die Verbindungsstraße, die auch die Straßenbahngleise 
aufzunehmen hätte, falls sie allein bleiben würde, mindestens 
20—25 m breit angelegt werden müßte. Sie würde dann 
senkrecht auf die ohnehin schon verkehrsreiche Neckar 
straße stoßen und dort eine nicht erwünschte Verkehrs 
steigerung mit sich bringen; denn heute schon machen sich 
die zu eng gelegten Gleise für die Fahrgäste beim Aus- 
und Einsteigen unangenehm fühlbar, weil der zwischen 
und neben den Gleisen gelegene Raum von Fahrzeugen 
jeglicher Art belebt zu sein pflegt, wodurch Gefahren, 
Unsicherheit und Verkehrsstörungen unvermeidlich sein 
dürften. Weiter wäre unbedingt notwendig die Er-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.