246
BAUZEITUNG
Nr. 31
Die Verbindungsstraße zwischen Bahnhofvorplatz und
Neckarstraße bei der Kunstschule hätte nur einem be
schränkten Verkehrsbedtirfnis zu genügen. Die Straße
würde also nicht so breit anzulegen sein. Ein Ankauf
des Nädelinschen Hauses und der dahinter liegenden
Gärten wäre nicht nötig und das neuerbaute Katharinen
stift würde seine vornehm-ruhige Lage behalten.
Die weitere Querverbindung, etwa zum Neckarrondell,
Punkt B, könnte so geführt werden, daß hierbei ver
hältnismäßig wenig Bäume geopfert werden müßten, da
hier der Bestand ein spärlicherer ist. Am Neckartor
aber würde die Straße die natürliche Abzweigung nach
vier Richtungen finden und so das Hinterland — Berg,
Ostheim, Gablenberg — auf die richtigste Weise mit dem
Hauptbahnhof verbinden. Die Einmündung der Straße
würde sich hier ganz natürlich ergeben, während die
direkte Fortsetzung der Schillerstraße zur Neckarstraße
niemals eine natürliche Verbindung ergibt, sondern stets
bei ihrer Einmündung in die Neckarstraße erhebliche Ver
kehrsstockungen erzeugen wird. Vor allem aber wären
die Anlagen auf solche Weise noch am meisten geschont.
Als ein Mißgriff müßte es bezeichnet werden, wenn
das Theater isoliert in den Anlagen bezw. auf freiem Platz
erstellt würde, welcher weder Rahmen, Anhalt und Maß
stab für seine Verhältnisse bieten würde.
Stuttgart, im Juli 1907.
Architekt Prof. Burkhardt.
Wohnhaus für einen Lehrer
zn Gremsheim a. Rh.
Um einer weiteren Verschandelung unsrer Dörfer und
Ortschaften vorzubeugen, hat die Großh. Hessische Regie
rung eine segensreiche Einrichtung beim Verkaufe von
fiskalischen Ländereien getroffen. Bei jedem Vertrags
abschluß müssen sämtliche Baupläne dem künstlerischen
Beirat der Ministerial-Bauabteilung, Herrn Geh. Ober
baurat Prof. Hofmann, zur Begutachtung vorgelegt werden.
Fällt dies Gutachten nicht günstig aus, so wird die
Bauerlaubnis nicht erteilt, gegebenenfalls werden bei der
Ministerial-Bauabteilung Abänderungsskizzen gefertigt.
Nachdem für dies Lehrerwohnhaus ein Projekt im
Maurermeisterstil abgelehnt worden war, wurde mir der
Auftrag gegeben, das Projekt neu zu bearbeiten.
Da nur geringe Mittel zur Verfügung standen, so
mußte alles aufs einfachste ausgebildet werden. Die
Grundrißeinteilung ist so gestaltet worden, damit später
hin der obere Stock leicht zur Vermietung einer be
sonderen Wohnung eingerichtet werden kann. Die Fun
damente und Kellermauern wurden aus Neckarsandbruch
steinen aufgeftihrt, die aufgehenden Stockwerksmauern
dagegen aus Feldbrandsteinen. Der Sockel wurde hammer
recht verblendet. Das Dach wurde mit Wieslocher
Biberschwänzen eingedeckt. Die innere Einrichtung ist
in einfach moderner Weise durchgeführt. Zur Ausführung
der Türen, Glasabschlüsse, Sockel u. s. w. wurde nur
astreines Forle- oder Kiefernholz verwendet. Sämtliches
Holzwerk wurde in verschiedenen Farben gebeizt, teils
Lehrerwohnhaus zu Gernsheim a. Rh. Grundrisse
Architekt L. Grünig, Darmstadt-Frankfurt
Lehrerwohnhaus zu Gernsheim a. Rh.
Architekt L. Grünig, Darmstadt-Frankfurt
lasiert, teils mattiert. Mit den unifarbenen Tapeten, mit
den weit herunter geweißten Decken und den farbigen
Türen u. s. w. wurden gemütliche Wohnräume geschaffen.
Das Haus wurde im Jahre 1905 erbaut.
Darmstadt-Frankfurt a. M.
L. Grünig, Architekt.
Y ereinsmitteilungen
Akad. Arcliitekten-Verein „Motiv“, Stuttgart.
Am 13. Juli folgte der Verein einer Einladung von
A. H. Heinrich Werner zur Besichtigung des von ihm
erbauten Merkelschen Schwimmbades in Eßlingen.
Waren die eingehenden technischen Erläuterungen des
Betriebs und der Einrichtung der ganzen Anlage von
großem Interesse, so erregte die trefflich gelungene
Farbenstimmung der einzelnen Räume allgemeine Be
wunderung. — Die Semesterschlußkneipe fand am
19. Juli im Gartensaal der Liederhalle statt. Wie das
Semester mit einem wissenschaftlichen Abend begonnen
wurde, war auch mit der Schlußkneipe ein Vortrag ver
bunden. A. H. Regierungsbaumeister E. Lauser schloß
seinen Vortragszyklus „Baukeramik“ mit dem Thema
„Wandfliesen“. Er erntete für seine interessanten Aus
führungen den Dank der Versammlung, die in fröhlicher
Stimmung das Semester beschloß, in dem ein besonders
reges Leben in fachlicher und geselliger Hinsicht ge
herrscht hat. P.
Deutscher Arbeitgeberbund für das Baugewerbe.
In Krefeld sind am 20. Juli die Maurer und Bauhilfs
arbeiter wegen unberechtigter Lohnforderung und Ver
kürzung der Arbeitszeit teilweise in den Streik getreten.
In Saarbrücken sind die Zimmerer am 25. Juli in
den Streik getreten. Der zwölfwöchige Streik im Bau
gewerbe zu Halle a. S. hat mit einer völligen Nieder
lage der Arbeitnehmerorganisationen geendet. Der Kampf
preis war die Verkürzung der Arbeitszeit; den Arbeit
gebern ist es infolge ihrer Geschlossenheit gelungen, diese
Forderung abzuweisen. Es ist ein Tarifvertrag vereinbart
worden, der bis zum Frühjahr 1910 geht und durch den
die bisherige Arbeitszeit von zehn Stunden tariflich fest
gelegt ist; der Lohn beträgt für Maurer und Zimmerer
bis 30. September d. J. 52 Pf., von da ab bis zum
31. März n. J. 55 Pf., dann 56 Pf. und schließlich 57 Pf.
pro Stunde. Die Arbeitgeber können mit dem Ausgang
des Kampfes, der das alte Sprichwort „Einigkeit macht
stark“ zu Ehren gebracht hat, sehr zufrieden sein. In
Mülhausen i. E. ist der Streik der Zimmerer am
22. Juli durch den Abschluß eines Tarifvertrages beendet