24. August 1907
jaht ist, noch die traditionelle Scheu vor
dem Despotismus des Künstlertums und
der traditionelle Zweifel an der Verein
barkeit von Künstlertum und wirt
schaftlichen Talenten; alle diese Hinder
nisse stehen dem Künstler jedem Bau
herrn gegenüber entgegen. Da aber, wo
nicht ein einzelner, sondern Korporatio
nen als Bauherren in Betracht kommen,
wachsen diese Schwierigkeiten unver
hältnismäßig, denn Einmütigkeit über
diese Fragen wird naturgemäß schwer
zu erzielen sein. Deshalb ist das Zu
sammenwirken großer Yerwaltungskörper
mit Künstlern eine so schwierige Sache.
Und selbst wenn der Künstler gewonnen
ist, wird sein ersprießliches Wirken durch
die alte Erfahrung gefährdet, daß, je
mehr Menschen — mögen sie noch so
wohlwollend sein — in ein Werk herein
reden, um so mehr die Aktien der Durch
schnittsleistung zu steigen pflegen. Mit
diesem letzten Momente mag es Zusammen
hängen, daß aus einem Brauch, der heute
fast von allen Städten im Interesse der
Kunst geübt wird und der als Gedanke
außerordentlich einleuchtend klingt, prak
tisch nicht immer ein vollwichtiges Re
sultat herauskommt. Für hervorragende Bauaufgaben
pflegen viele Städte die Künstler des Landes in Wett
bewerb treten zu lassen. Unzweifelhaft sind dadurch,
trotz aller Zufälligkeiten des Wettbewerbs, schon vor
zügliche Einzelleistungen in unsern Städten entstanden,
unzweifelhaft aber oftmals auch nur Kompromißbauten.
Von den unnatürlichen Fällen, wo eine siegreiche Wett
bewerbidee später von der ständigen städtischen Bau
behörde zur Ausführung gelangt, können wir schweigen;
aber auch da, wo der Künstler gleichberechtigt mit dieser
Behörde zur Ausführung herangezogen wird, scheint es
schwer zu sein, die innere Fühlung zwischen den beiden
gleich wichtigen Faktoren plötzlich herzustellen.
Eins aber wird durch das Heranziehen besonderer
künstlerischer Hilfskräfte zu besonderen Gelegenheiten
überhaupt nicht gelöst. Gerade die schwierigsten Gebiete,
Gebiete, die es neu zu erobern gilt, hängen mit Aufgaben
zusammen, die nicht als künstlerisch - dankbar und als
hervorragend gelten, die also in das Bereich von Kon
kurrenzen niemals zu fallen pflegen. Jede Kleinigkeit
aber, die man der Unkunst abzuringen vermag, bedeutet
einen Fortschritt. Auch auf dem Gebiete der Kunst ist
die Freude über einen Geretteten größer als über neun
undneunzig Gerechte. Daß Prunkbauten künstlerisch
gelöst sein mögen, ist natürlich der erste Wunsch jedes
Kunstfreundes. Aber nicht durch die Prunkleistungen
unsrer Tage wird das Niveau der ästhetischen Kultur
dauernd gehoben, sondern dadurch, daß der künstlerische
Geist eindringt in die unscheinbaren Bereiche des täg
lichen Lebens. Der Einzelkünstler und der Privatmann
können unter günstigen Umständen auch erreichen, daß
Einzelleistungen künstlerischer Art in der Welt entstehen,
daß aber das Gesamtbild, der Hintergrund, auf dem sich
die Einzelleistung abhebt, ein ruhiger und wohltätiger
wird, dafür liegt die Macht nur in den Händen der
großen organisierenden Gewalten, wie wir sie an der
Spitze der modernen Stadt vereinigt finden. — Wenn
wir uns dieser Aufgabe immer mehr bewußt werden, ist
der erste Schritt getan, Kunst und Leben wieder eng
miteinander zu verbinden.
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Wettbewerb Rathaus Feuerbach. Angekaufter Entwurf. Variante
Architekten Felix Schuster & Weishaar, Stuttgart
Wettbewerb Rathaus Feuerbach
(Schluß)
Die Beurteilung der angekauften Entwürfe Motto:
„Charakteristisch“ und „Der neuen Stadt“ durch das Preis
gericht war folgende;
Nr. 60. Motto: „Charakteristisch“. Bei der Ver
waltungsratschreiberei fehlt die Registratur. Der Ver
fasser sieht zwei Situationen vor. Bei der Stellung 1
will sich der einfache rechteckige Bau nicht gut in das
Bild des Platzes einfügen. Bei Stellung 2 wird das
Gebäude parallel zur Baulinie gestellt, was mit Rück
sicht auf den vorhandenen Platz zu verwerfen ist. Der
Grundi’iß ist einfach und klar. In der Fassade ist zu
viel Gewicht auf die Malereien gelegt.
Nr. 62. Motto: „Der neuen Stadt“. Die Kanzleien
des Stadtvorstandes, der Gehilfen der Stadtpflege und
der Verwaltungsratschreiberei haben keinen eignen Ein
gang. Die Anlage der großen Terrasse mit Brunnen ist
zu opulent gestaltet und gibt dem Bau ein allzu groß
städtisches Gepräge. Das gleiche wäre von den Terrassen
und Baikonen zu sagen. Es ist nur ein Zeichensaal vor
handen. Der Grundriß ist klar und übersichtlich, die
äußere Architektur ist entsprechend behandelt. Kosten
aufwand mit 304000 M. zu hoch.
Das Preisgericht beschloß einstimmig, die Preise wie
folgt zu erteilen: I. Preis (74) Friedrich Gabriel und
Hans Haller, II. Preis (55) F. E. Scholer, III. Preis (5)
Alfred Fischer, sämtlich in Stuttgart.
Außerdem empfiehlt das Preisgericht den Ankauf der
beiden andern in engste AVahl gekommenen Entwürfe
Nr. 60, Verfasser Fritz Müller, und Nr. 62, Verfasser
Willy Graf in Stuttgart, und in Anbetracht seiner künst
lerischen und praktischen Vorzüge auch noch des Ent
wurfs Nr. 49, Verfasser Felix Schuster & Weißhaar, Stutt
gart, je zum Preis von 300 M.
Wir ergänzen die vorstehende Darlegung dahin, daß
die Ausführung des Neubaus von der Gemeinde Feuer
bach der Architektenfirma Eisenlohr & Weigle in Stutt
gart übertragen wurde.