Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

31. August 1907 
BAUZBITUNG 
279 
dem Städtischen Gas- und Wasserwerk erteilt, das auch 
submittiert hatte. Gegen diesen Wettbewerb eines kom 
munalen Betriebes mit dem ansässigen Gewerbe wandte 
sich die Handwerkskammer beschwerdeführend an die 
Kgl. Domänendirektion in Stuttgart. Diese hob laut 
„Schw. B.“ die Entscheidung des Bezirksbauamtes auf 
und verfügte, daß die Installationsarbeiten im Amtsgericht 
den beiden Plaschnermeisteru zu übertragen seien, welche 
die nächstniedrigen Angebote gestellt hatten. Zugleich 
wurde angeordnet, künftig bei Staatsbauten die Offerte 
kommunaler Betriebe überhaupt nicht mehr zu 
berücksichtigen. 
Darmstadt. Wie verlautet, beabsichtigt die Stadt 
in einem in der Nähe des neuen Bahnhofes anzulegenden 
Friedhofe ein Krematorium zu errichten. Die be 
treffende Vorlage dürfte in Bälde die Stadtverordneten 
versammlung beschäftigen. 
Das neue Wiesbadener Kurhaus ist dem Ge 
brauch der Oeffentlichkeit übergeben worden. Man hat 
in der letzten Zeit über diesen Bau des näheren viel 
hören können; Fachblätter haben bildnerische Proben 
von dem Aeußern und Innern veröffentlicht und mit ent 
sprechenden Kommentaren begleitet. In den Schwall 
der preisenden Kundgebungen mischt sich eine kritische 
Stimme, die den feinfühligen Aesthetiker und Künstler 
verrät. Dieselbe läßt sich im zweiten Augustheft des 
„Kunstwart“ also vernehmen: „Die kaiserliche Aeußerung 
über die Erlerschen Fresken hat die Folge gehabt, daß 
man vielfach glaubt: es sei ein ganz moderner Bau, bei 
dem die Münchner ,Sezessionskunst' einen großen Sieg 
errungen habe. Aber abgesehen davon, daß nur ein sehr 
kühner Kunsttheoretiker Thiersch als einen ,Sezessionisten‘ 
bezeichnen könnte, so zeigt das neue Kurhaus wohl den 
Kampf von verschiedenen, aber den Sieg von gar keiner 
Richtung. Um’s gerade heraus zu sagen: die Thierschsche 
Architektur, besonders die steinerne, ist ein schönes 
Werk, die Innenausstattung aber ist nicht einmal ein 
Kompromiß, sie ist ein Durcheinander von Münchner 
Moderne, Frankfurt- oder Berlin W-Protzerei und kaiser 
licher Hofkunst. Einzelne Säle sind in der Farbe wohl 
gestimmt, einheitlich ist aber fast nur der Muschelsaal, 
in den sich Erlers an sich nicht bedeutende Fresken gut 
einordnen, sonst stört fast überall das ,1 trau mi net' 
einer vorwärts und rückwärts und seitwärts zum Kaiser 
hinlugendeu Kompromißlerei. Wie unvornehm und wie 
unlebendig gerade neben den modernen, schlichten 
Stühlen u. s.w. der vergoldete Ornamentenschnickschnack, 
die korinthischen Kapitale, die Akroterien u. s. w. in 
ihren zehntausendsten Aufgüssen wirken — vielleicht, 
daß das bei gescheiten Besuchern durch den Kontrast 
doch empfunden wird und deshalb für eine echte und 
schlichte Lebensgestaltung an dieser für unsre Reichen 
höchst einflußreichen' Stelle wirkt. Eine Hoffnung, die 
das Bedauern darüber nicht einschläfern darf, daß hier 
eine fast einzigartige Gelegenheit für Raumausstattung 
großen Stils aus Zagheit nicht ausgenutzt worden ist, 
obgleich man sie gesehen hat.“ 
Berlin. Der bekannte Architekt Geh. Regierungs 
und Baurat Prof. Dr.-Ing. Hermann Ende, langjähriger 
Präsident der Kgl. Akademie der Künste, ist am 10. August 
im 79. Lebensjahre in Wannsee am Herzschlage gestorben. 
In Gemeinschaft mit W. Böckmann hat Ende lange Zeit 
eine führende Stellung in der Baukunst eingenommen 
und namentlich der italienischen und deutschen Renaissance 
in Berlin Ansehen verschafft. 
München. In der letzten Sitzung des Magistrats 
kollegiums wurden die Vorschriften für den Waldfried 
hof debattelos angenommen, üeber die künstlerische 
Ausgestaltung des Waldfriedhofs sprach Baurat Gräßel 
auf Veranlassung der Münchner Vereinigung für an 
gewandte Kunst im alten Rathaussaal vor einem ziemlich 
zahlreichen Auditorium. Der Vortragende erläuterte an 
der Hand der vom Magistrat beschlossenen Vorschriften 
über die Zulassung von Grabdenkmälern, über die Be 
pflanzung der Gräber u. s. w. die Notwendigkeit einer 
künstlerischen Uebereinstimmung zwischen Grabdenk 
mal, landschaftlicher Umgebung und gärtnerischer Aus 
schmückung sowie einer gegenseitigen Rücksichtnahme 
der Grabdenkmäler unter sich und betonte, daß dies 
erreicht werden könne durch geringe Ausnutzung der 
Flächen wie bei den amerikanischen Parkfriedhöfen oder 
bei beengten Raumverhältnissen durch Schaffung einer 
gewissen Ordnung und Einheitlichkeit, durch Unterlassung 
der Einfriedungen, durch Abteilung von Sektionen, die 
durch Gebüsch und Hecken gewissermaßen zu kleinen 
Einzelfriedhöfen gestaltet werden, und durch Benutzung 
von Waldwiesön. Einen besonderen Reiz des Waldfried 
hofes soll seine abwechslungsreiche, künstlerische Ge 
staltung bilden, die nicht nur den Steinmetz, sondern 
auch andre Kunsthandwerker; Bronzegießer, Schmiede, 
Schnitzer u. s. w. beschäftigen soll. Der Vortrag wurde 
in wirksamer Weise durch zahlreiche Lichtbilder sowie 
durch eine Ausstellung von Grabdenkmalskizzen und 
-photographien ergänzt. Prof. Riemerschmid teilte noch 
mit, daß die Münchner Vereinigung für angewandte Kunst 
an die städtischen Kollegien das Gesuch stellen wolle, 
es solle auf dem Waldfriedhof ein Raum reserviert werden, 
in dem zur Aufklärung des Publikums eine Sammlung 
von Grabdenkmälern bezw. von Entwürfen zu solchen 
untergebracht werden soll, wobei aber von jedem Autor, 
um eine Ueberfüllung zu vermeiden, nicht mehr als drei 
Entwürfe zu gleicher Zeit ausgestellt sein dürfen. 
Die Ausgrabung von Jericho. Der Wiener 
Archäologe Prof. E. Sellin, der sich mit Ausgrabungs 
arbeiten an der Stelle des alten Jericho beschäftigte, 
ist, wie die „N. Fr. Pr.“ mitteilt, in Begleitung des 
Architekten Niemanu nach Wien zurückgekehrt. Die 
Grabungen haben ein sehr erfreuliches Ergebnis ge 
zeitigt. Wo überhaupt die alten Trümmerhügel ange 
stochen wurden, fand man reiche Reste alten Kultur 
lebens. Ganz überraschend war die Erscheinung, daß 
alles, was bis jetzt gefunden wurde, auch in den obersten 
Schichten, bereits der vorisraelitischen, kanaanitischen 
Periode (2500 bis 1300 v. Ohr.) angehört. Die späteren 
Völker scheinen alle diesen Platz gemieden zu haben. Um 
so größer aber ist die Aussicht, hier endlich einmal eine 
Stadt mit einer rein und originell kanaanitischen Kultur 
aus dem Schutt wieder herauszuschälen. Systematisch 
wurde diesmal der nördlichste der sieben Hügel abge 
tragen. Er umschloß eine einzigartige gut konservierte, 
große kanaanitische, in drei Stockwerken aufgeführte, aus 
17 Zimmern bestehende Burg. Sogar die Seitenwände 
der meisten Zimmer, die Oefen, die steinerne Treppe, 
die vom Parterre durch die Stockwerke auf das Dacb 
führte, waren noch erhalten. Auf dem zweiten Hügel 
ist bereits die Ecke einer zweiten, scheinbar noch massiver 
gebauten Burg bloßgelegt. Zwischen beiden wurde die 
berühmte Mauer Jerichos gefunden und an einer 
Stelle aus dem Schutt herausgearbeitet, eine an die 
babylonischen Bauwerke erinnernde, 4 m hohe, 3 m dicke, 
auf steinernem Fundament ruhende Ziegelmauer. Hinter 
dieser fand man in ganz geringer Tiefe die Fundamente 
eines kanaanitischen Privathauses neben dem andern, inner 
halb deren die großen Oelkrtige u. s. w. noch säuberlich 
geordnet dastanden. Das Ergebnis an Einzelfunden war 
überhaupt groß, besonders an Erzeugnissen der Keramik. 
Unter diesen nehmen die erste Stelle drei wundervolle 
Scherben mit Reliefdarstellungen von Gazellen und sie 
verfolgenden Löwen, ein Krughenkel mit dem Löwen 
stempel und ein andrer mit einem Stempel in sogenannten 
althebräischen Lettern ein. Erfreulich und schmerzlich 
zugleich war der Fund einer großen Serie von Tontafeln, 
die offenbar zu Briefen bestimmt, aber noch nicht be 
schrieben waren. Nach den reichen Ergebnissen seiner
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.