31. August 1907
BAUZBITUNG
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dem Städtischen Gas- und Wasserwerk erteilt, das auch
submittiert hatte. Gegen diesen Wettbewerb eines kom
munalen Betriebes mit dem ansässigen Gewerbe wandte
sich die Handwerkskammer beschwerdeführend an die
Kgl. Domänendirektion in Stuttgart. Diese hob laut
„Schw. B.“ die Entscheidung des Bezirksbauamtes auf
und verfügte, daß die Installationsarbeiten im Amtsgericht
den beiden Plaschnermeisteru zu übertragen seien, welche
die nächstniedrigen Angebote gestellt hatten. Zugleich
wurde angeordnet, künftig bei Staatsbauten die Offerte
kommunaler Betriebe überhaupt nicht mehr zu
berücksichtigen.
Darmstadt. Wie verlautet, beabsichtigt die Stadt
in einem in der Nähe des neuen Bahnhofes anzulegenden
Friedhofe ein Krematorium zu errichten. Die be
treffende Vorlage dürfte in Bälde die Stadtverordneten
versammlung beschäftigen.
Das neue Wiesbadener Kurhaus ist dem Ge
brauch der Oeffentlichkeit übergeben worden. Man hat
in der letzten Zeit über diesen Bau des näheren viel
hören können; Fachblätter haben bildnerische Proben
von dem Aeußern und Innern veröffentlicht und mit ent
sprechenden Kommentaren begleitet. In den Schwall
der preisenden Kundgebungen mischt sich eine kritische
Stimme, die den feinfühligen Aesthetiker und Künstler
verrät. Dieselbe läßt sich im zweiten Augustheft des
„Kunstwart“ also vernehmen: „Die kaiserliche Aeußerung
über die Erlerschen Fresken hat die Folge gehabt, daß
man vielfach glaubt: es sei ein ganz moderner Bau, bei
dem die Münchner ,Sezessionskunst' einen großen Sieg
errungen habe. Aber abgesehen davon, daß nur ein sehr
kühner Kunsttheoretiker Thiersch als einen ,Sezessionisten‘
bezeichnen könnte, so zeigt das neue Kurhaus wohl den
Kampf von verschiedenen, aber den Sieg von gar keiner
Richtung. Um’s gerade heraus zu sagen: die Thierschsche
Architektur, besonders die steinerne, ist ein schönes
Werk, die Innenausstattung aber ist nicht einmal ein
Kompromiß, sie ist ein Durcheinander von Münchner
Moderne, Frankfurt- oder Berlin W-Protzerei und kaiser
licher Hofkunst. Einzelne Säle sind in der Farbe wohl
gestimmt, einheitlich ist aber fast nur der Muschelsaal,
in den sich Erlers an sich nicht bedeutende Fresken gut
einordnen, sonst stört fast überall das ,1 trau mi net'
einer vorwärts und rückwärts und seitwärts zum Kaiser
hinlugendeu Kompromißlerei. Wie unvornehm und wie
unlebendig gerade neben den modernen, schlichten
Stühlen u. s.w. der vergoldete Ornamentenschnickschnack,
die korinthischen Kapitale, die Akroterien u. s. w. in
ihren zehntausendsten Aufgüssen wirken — vielleicht,
daß das bei gescheiten Besuchern durch den Kontrast
doch empfunden wird und deshalb für eine echte und
schlichte Lebensgestaltung an dieser für unsre Reichen
höchst einflußreichen' Stelle wirkt. Eine Hoffnung, die
das Bedauern darüber nicht einschläfern darf, daß hier
eine fast einzigartige Gelegenheit für Raumausstattung
großen Stils aus Zagheit nicht ausgenutzt worden ist,
obgleich man sie gesehen hat.“
Berlin. Der bekannte Architekt Geh. Regierungs
und Baurat Prof. Dr.-Ing. Hermann Ende, langjähriger
Präsident der Kgl. Akademie der Künste, ist am 10. August
im 79. Lebensjahre in Wannsee am Herzschlage gestorben.
In Gemeinschaft mit W. Böckmann hat Ende lange Zeit
eine führende Stellung in der Baukunst eingenommen
und namentlich der italienischen und deutschen Renaissance
in Berlin Ansehen verschafft.
München. In der letzten Sitzung des Magistrats
kollegiums wurden die Vorschriften für den Waldfried
hof debattelos angenommen, üeber die künstlerische
Ausgestaltung des Waldfriedhofs sprach Baurat Gräßel
auf Veranlassung der Münchner Vereinigung für an
gewandte Kunst im alten Rathaussaal vor einem ziemlich
zahlreichen Auditorium. Der Vortragende erläuterte an
der Hand der vom Magistrat beschlossenen Vorschriften
über die Zulassung von Grabdenkmälern, über die Be
pflanzung der Gräber u. s. w. die Notwendigkeit einer
künstlerischen Uebereinstimmung zwischen Grabdenk
mal, landschaftlicher Umgebung und gärtnerischer Aus
schmückung sowie einer gegenseitigen Rücksichtnahme
der Grabdenkmäler unter sich und betonte, daß dies
erreicht werden könne durch geringe Ausnutzung der
Flächen wie bei den amerikanischen Parkfriedhöfen oder
bei beengten Raumverhältnissen durch Schaffung einer
gewissen Ordnung und Einheitlichkeit, durch Unterlassung
der Einfriedungen, durch Abteilung von Sektionen, die
durch Gebüsch und Hecken gewissermaßen zu kleinen
Einzelfriedhöfen gestaltet werden, und durch Benutzung
von Waldwiesön. Einen besonderen Reiz des Waldfried
hofes soll seine abwechslungsreiche, künstlerische Ge
staltung bilden, die nicht nur den Steinmetz, sondern
auch andre Kunsthandwerker; Bronzegießer, Schmiede,
Schnitzer u. s. w. beschäftigen soll. Der Vortrag wurde
in wirksamer Weise durch zahlreiche Lichtbilder sowie
durch eine Ausstellung von Grabdenkmalskizzen und
-photographien ergänzt. Prof. Riemerschmid teilte noch
mit, daß die Münchner Vereinigung für angewandte Kunst
an die städtischen Kollegien das Gesuch stellen wolle,
es solle auf dem Waldfriedhof ein Raum reserviert werden,
in dem zur Aufklärung des Publikums eine Sammlung
von Grabdenkmälern bezw. von Entwürfen zu solchen
untergebracht werden soll, wobei aber von jedem Autor,
um eine Ueberfüllung zu vermeiden, nicht mehr als drei
Entwürfe zu gleicher Zeit ausgestellt sein dürfen.
Die Ausgrabung von Jericho. Der Wiener
Archäologe Prof. E. Sellin, der sich mit Ausgrabungs
arbeiten an der Stelle des alten Jericho beschäftigte,
ist, wie die „N. Fr. Pr.“ mitteilt, in Begleitung des
Architekten Niemanu nach Wien zurückgekehrt. Die
Grabungen haben ein sehr erfreuliches Ergebnis ge
zeitigt. Wo überhaupt die alten Trümmerhügel ange
stochen wurden, fand man reiche Reste alten Kultur
lebens. Ganz überraschend war die Erscheinung, daß
alles, was bis jetzt gefunden wurde, auch in den obersten
Schichten, bereits der vorisraelitischen, kanaanitischen
Periode (2500 bis 1300 v. Ohr.) angehört. Die späteren
Völker scheinen alle diesen Platz gemieden zu haben. Um
so größer aber ist die Aussicht, hier endlich einmal eine
Stadt mit einer rein und originell kanaanitischen Kultur
aus dem Schutt wieder herauszuschälen. Systematisch
wurde diesmal der nördlichste der sieben Hügel abge
tragen. Er umschloß eine einzigartige gut konservierte,
große kanaanitische, in drei Stockwerken aufgeführte, aus
17 Zimmern bestehende Burg. Sogar die Seitenwände
der meisten Zimmer, die Oefen, die steinerne Treppe,
die vom Parterre durch die Stockwerke auf das Dacb
führte, waren noch erhalten. Auf dem zweiten Hügel
ist bereits die Ecke einer zweiten, scheinbar noch massiver
gebauten Burg bloßgelegt. Zwischen beiden wurde die
berühmte Mauer Jerichos gefunden und an einer
Stelle aus dem Schutt herausgearbeitet, eine an die
babylonischen Bauwerke erinnernde, 4 m hohe, 3 m dicke,
auf steinernem Fundament ruhende Ziegelmauer. Hinter
dieser fand man in ganz geringer Tiefe die Fundamente
eines kanaanitischen Privathauses neben dem andern, inner
halb deren die großen Oelkrtige u. s. w. noch säuberlich
geordnet dastanden. Das Ergebnis an Einzelfunden war
überhaupt groß, besonders an Erzeugnissen der Keramik.
Unter diesen nehmen die erste Stelle drei wundervolle
Scherben mit Reliefdarstellungen von Gazellen und sie
verfolgenden Löwen, ein Krughenkel mit dem Löwen
stempel und ein andrer mit einem Stempel in sogenannten
althebräischen Lettern ein. Erfreulich und schmerzlich
zugleich war der Fund einer großen Serie von Tontafeln,
die offenbar zu Briefen bestimmt, aber noch nicht be
schrieben waren. Nach den reichen Ergebnissen seiner