BAUZEITU
FÜR WÜRTTEMBERG
BADEN HESSEN EL
SAS S - LOTHRINGEN
Inhalt: Entwürfe zu kleinbäuerlichen Gehöften. — Wie einer die Schönheit der Kleinstadt fand. —
Nachweise für die Bemessung der Eisenbetonbauten. — Neue Bauordnung Württembergs. — Aus Alt-
Eßlingen. — Storchenturm in Reutlingen. — Vereinsmitteilungen — Wettbewerbe. — Kleine Mit
teilungen. — Personalien. — Briefkasten.
DE
uapiaaiiff
Alle Rechte Vorbehalten
Entwürfe zu kleinbäuerlichen Gehöften
Es ist an uns des öfteren das Ersuchen ergangen,
Entwürfe für einfache Bauernhäuser zu veröffentlichen.
Wir kommen diesem Wunsche gern nach und hoffen, daß
diese Veröffentlichung mit dazu beiträgt, daß in unsern
Dörfern eine gesunde, bodenständige Bauweise Platz greift.
Sehr oft sieht man auf dem Lande noch so viel verständ
nislose Bearbeitungen von einfachsten Bauten, daß man
sich wundert, wie solches zur heutigen Zeit noch möglich
ist. So sah Schreiber dieses kürzlich ein Fachwerkhaus,
das möglichst monumental aussehen sollte. Die Erd
geschoßfenster hatten runde Stürze bekommen, die Fenster
bänke aus Sandstein waren ins Fachwerk hineingesetzt,
von Brettern waren Bekleidungen außen aufgenagelt, die,
mit Fugenschnitt u. s. w. versehen, dem verputzten Hause
dann das Aussehen eines Massivbaues geben sollten. Wozu
solche Unwahrheiten! Es läßt sich ein freundliches, nettes
Aussehen eines Bauernhauses auf viel einfachere, ge
diegenere Weise erreichen, wenn man die ortsüblichen
Baumaterialien in richtiger Weise verwendet.
Die Entwürfe von Architekt Hohlbauch-Geislingen
zeigen praktische Grundrißlösungen bei geringen Bau
kosten und freundlicher Außengestaltung. Die kleinen
Gehöfte weisen folgende Räume auf: 2 heizbare Zimmer,
2 Kammern, Küche und Speisekammer, Keller, Räucher
kammer, Stallraum für 2 Pferde, 3—5 Kühe, einige
Schweine und Hühner, Tenne, Bansenraum und Abort.
Einige Anlagen sind für Handwerker oder dergl. gedacht,
die nebenbei ihre landwirtschaftliche Tätigkeit betreiben.
Diese .Häuser enthalten 2 heizbare Stuben, 1 Kammer,
Küche und Zubehör, Stallraum für 2 Kühe, 2 Buchten
für Schweine, Tenne, Futter- und Strohboden und Abort.
Die Umfassungswände sind wie üblich teils massiv, teils
als Fachwände hergestellt, die Kellerdecken sind gewölbt
oder betoniert zwischen eisernen Trägern, die übrigen
Decken sind Balkendecken. Die Dächer sind mit Biber
schwänzen gedeckt. Die Baukosten betragen 9—10 M.
pro Kubikmeter umbauten Raumes, so daß die Baukosten der
Gebäude auf 4000—8000 M. zu stehen kommen. W. K.
Wie einer die Schönheit der Klei n stadt fand
Unter diesem Titel veröffentlicht Oskar Schwindraz-
heim im zweiten Augustheft des „Kunstwart“ einen Auf
satz, der, in feuilletonistisches Gewand gekleidet, eine
kräftige Lanze für den ursprünglichen Reiz der Klein
stadt bricht. Der Unterschied zwischen dem stilvollen
Repräsentationsbau mit seinen verderblichen Folgen für
unser deutsches Empfinden und der erst so spät ent
deckten heimischen Schöne mit ihrer Formensprache und
ihren besonderen Proportionen läßt sich kaum mit zu
treffenderen Worten darlegen, als es hier geschieht. Die
Lebendigkeit und Eindringlichkeit der Schilderung wird
dadurch erhöht, daß der Verfasser seine Ueberzeugung
durch redend und handelnd eingeführte Personen vertreten
läßt. So führt er uns einen jungen Mann vor, der, vom
Studium der Kunstgeschichte begeistert, seinen in Berlin
lebenden Vetter beneidet, weil dieser täglich die prächtigen
Gebäude, die herrlichen Denkmäler, die Schätze der
Museen vor Augen hat, während er als Handlungsgehilfe
in einem Spezereigeschäft, an die Scholle gebannt, nichts
sieht als die alten stillen, schmucklosen Gassen, den
winkligen Marktplatz, die alten einfachen Häuser seines
kleinen Städtchens. Einem Fremden, den sein Fuß eines
Tags dorthin trug, war es Vorbehalten, den Schwärmer
auf die schlichten, eine Reihe Musterbeispiele alter deut
scher volkstümlicher Kunst in sich bergenden Reize seiner
Vaterstadt aufmerksam zu machen. Und als der Klein
städter sah, wie jener alle die unbeachteten Plätze und
Häuser aufsuchte und seinen photographischen Apparat
kaum zur Ruhe kommen ließ, da begann er mit einem Male
die Dinge anders anzusehen und lernte, von dem Kunst
freunde geführt und aufgeklärt, die Kunst seiner Heimat
kennen und schätzen.
Gleich der erste Tag brachte ihm eine Offenbarung.
Es waren allerlei Verschiedenheiten unter den alten
Häusern vorhanden, die er früher gar nicht beachtet,
auch allerlei Merkwürdigkeiten, z. B. sonderbare Schiefer
dächer aus ganz großen Platten, Strohdächer sogar noch
hier und da, nette Türen, Türklopfer, Schubfenster, schöne
Zusammenwirkungen von Haus und Baum, Tür und Wein
spalier u. dgl. Am Abend durchschritt er die schon
tausendmal durchschrittenen Gassen und beobachtete die
anmutigen Bilder, die der Zauber des Abends erzeugte,
stellenweis von einer Schönheit, die fast so aussah, als
sei diese Giebelgruppe just für diesen Abendschimmer,
diese Fenster- oder Türgruppe just für diese Wirkung
des im Stübchen oder Hausflur brennenden Lämpchens
gemacht.
Seine Entdeckungsfahrten wurden in den nächsten
Wochen eifrig, ohne Unterbrechung, tagtäglich fortgesetzt.
In seinem kleinen Büchlein notierte er, wie der Fremde
ihm gesagt, als ob er ein genaues Inventar aufzunehmen
hätte, alles, was er sah. Sodann trug er das Gefundene,
säuberlich geordnet, in ein andres Buch ein, die Fach
werke und ihre Abweichungen in Technik, Farbe u. a.