2. November 1907
BAUZEIT ÜN G
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form noch nicht gefunden ist. Und doch bietet gewiß
gerade die Fabrikbaukunst ein Feld zu neuer eigenartiger
künstlerischer Betätigung, hauptsächlich in der Be
herrschung titanischer Massen und Gruppierung gigan
tischer Formen. Daß die Baukosten dabei ganz minimale
bleiben müssen und können, ist selbstverständlich. Die
Illustration zu dieser Behauptung bildet der Lanzsche
Fabrikschornstein im Ausstellungsgebäude. Hier liegt ein
schöner Beweis dafür vor, daß die Zweckform künstlerisch
zu meistern ist. Der vor dem Pavillon liegende Kuust-
steinbrunnen und die beiderseits anschließenden Garten
anlagen ergänzet! das hübsche Gesamtbild in der glück
lichsten "Weise. Letztere, von August Büchner-München
geschaffen, möchten wir als Gartenmuseum kleinen Stils
bezeichnen, ein hübscher künstlerischer Kontrast zu den
bei aller Schönheit doch mehr rationalistischen Schöpfungen
der Maschinenkonstrukteure.
Den architektonischen Abschluß der Augustaanlage
im Osten bildet das Gebäude der Sunlight-Seifenfabrik A.G.
in Eheinau. "Wir haben uns wiederholt mit der Prüfung
der Frage beschäftigt, ob die Seifenfabrikation zur
Sparte Kunstausstellung oder Gartenbauausstellung ge
hört, konnten aber mit vielen Besuchern die Lösung
nicht finden. Die Seifenfabrik hat aber doch das hohe
Verdienst, einen schönen Schluß der Augustaanlage und
einen reizvollen Zielpunkt für eine Monumentalperspektive
geschaffen zu haben. Das Gebäude gleicht einem alt
griechischen Propyläon und erinnert an die erste Schöpfung
dieser Art auf der Burg in Athen. Ein von origineller
Linie umsäumter klassischer Giebel krönt den Mittelbau,
der uns die Schauseite des Antentempels zeigt, den feier
lichen Eindruck stören die modern geführten Fenster
sprossenlinien nicht. Im Giebel erscheint die „Weihe
inschrift“. Vor den an den Mittelbau anschließenden
Seitenflügeln liegen zwei monumentale Eingangstore mit
klassisch schönem Umriß, die mit je zwei strengen Lorbeer
bäumen gekrönt sind. Ganz vorzüglich ist der vor dem
Mittelbau liegende Architekturgarten mit streng ge
schnittener Taxusumwehrung und innerem Blumenmosaik.
Die ganze Baugruppe ist eine der schönsten Schöpfungen
der Ausstellung, sie entstammt den Händen des Prof. Beck-
Karlsruhe. Ueber den Innenraum ist nichts Besonderes
zu bemerken. Die Fabrikbilder sind stark idealisiert und
unsers Erachtens von der Wahrheit entfernt. Die tizian
blonden Mädchen entstammen den Pariser Boulevards
oder dem Wiener Prater. Nach unsern Beobachtungen
Pavillon der Sunlight-Seife A. (i.
erscheinen die Fabriksäle in Wirklichkeit etwas ab
weichender, ohne daß sie gerade häßlich sein müssen,
und die wahr geschaffene Arbeitergestalt Meuniers ist
uns lieber als die hier dargestellten süßlichen Dämchen.
Die Arbeit stählt, macht wohl viele auch hart und derb,
aber sie adelt, und dieses adelnde Moment sieht das
sehende Auge auch im Fabriksaal der Wirklichkeit, im
naturalistischen Gemälde, im naturalistischen Bild. Wozu
also unwahr werden? Es handelt sich um Sein, nicht
um den Schein. Und hier ist der letzte Ort, ein Im-
ponderabile zu beschönigen oder zu verbergen, auf dem
die ganze Macht und Bedeutung der Stadt beruht, in
dem das Geheimnis der ganzen Riesenentwicklung ver
borgen ist.
, Den G egenabschluß der Augustaanlage bildet der be
reits besprochene Bogen. Dank diesen Abschlüssen er
schien das Bild der Prachtstraße imposant, die Perspektive
eindrucksvoll, ein gutes Vorbild für den Städtebaumeister.
Die Erwähnung des anliegenden, meisterhaft aus
gesonnenen gärtnerischen Auditoriums des bekannten
Spezialfachmanns Gaucher-Stuttgart in diesem mehr bau
wissenschaftlichen Aufsatz soll die Heimatklänge an
schlagen und unsre Absicht vorhereiten, des Anteils der
württembergischen Gartenkünstler bei Ausschmückung
der Hallen und Gärten mit Anerkennung zu gedenken
und ihnen insbesondere für die hochkünstlerische, monu
mentale, nach dem Farbenprinzip erfolgte Bepflanzung
des Friedrichsplatzes den schuldigen Kranz zu winden.
Das nächstemal den Schluß und wie im Märchen die Moral
von der Geschichte.
Projekt für die Stuttgarter Theaterbanten auf dem Botanischen Garten
In Nr. 34 unsrer Zeitschrift haben wir die Beschlüsse
der mit der Prüfung der Platzfrage betrauten Kommission
nebst den dazu gehörigen Planskizzen veröffentlicht. Es
handelte sich, wie erinnerlich, nachdem alle früheren
Projekte (Alter Theaterplatz, Waisenhausplatz u. s. w.)
aus der Erörterung ausgeschieden waren, nur um die
beiden Entwürfe: Botanischer Garten oder Eberhards
gruppe. Da der Platz an der letzteren nach der Dar
legung der Kommission „den schmerzlichsten Eingriff in
den Zusammenhang der Kgl. Anlagen bilden würde“, so
fiel die Entscheidung in erster Linie zugunsten des
Botanischen-Garten-Projekts (Verfasser Prof. v. Reinhardt),
und es war nach der eingehenden Begründung, mit der
die Kommission ihren Vorschlag begleitete, anzunehmen,
daß auch die bürgerlichen Kollegien von Stuttgart diese
Auffassung teilen würden. Zu allseitiger Ueberraschung
machten aber die Kollegien den städtischen Beitrag zu
den Theaterbaukosten von der Wahl des Platzes Eber
hardsgruppe abhängig.
Wir wollen auf das Befremdende dieses Beschlusses
wie auf die merkwürdigen Darstellungen, die derselbe in
einem Teil der Tagespresse zeitigte, nicht eingehen, sondern
nur feststellen, daß die letztere fast ausnahmslos den
Beschluß der städtischen Vertreter in abfälliger Weise
kritisierte und sich nunmehr dem Projekt Botanischer
Garten geneigter zeigte als vordem. Da es bei der gegen
wärtigen Sachlage gar keinen Wert hat, auf alte Ent
würfe und Wünsche zurückzukommen und diese in be
kannter oder variierter Form aufs neue heranzuziehen,
so muß mau sieb eben an die beiden allein in Frage
kommenden Entwürfe halten. Wir huldigen mit einer
überwiegenden Anzahl unsrer Mitbürger dem Grundsatz
einer tunlichsten Schonung der Anlagen und sind der
Ansicht, daß der Botanische-Garten-Entwurf einer solchen
noch am meisten Rechnung trägt. Bis jetzt sind nur
Planskizzen dieses Projekts veröffentlicht worden, die
nicht so eindrucksvoll wirken wie eine Abbildung des
ganzen Entwurfs. Es ist uns heute möglich, eine bild
liche Darstellung aus der Vogelperspektive, wie sich der
Neubau des Hoftheaters mit seiner ganzen Umgebung
nach Ausführung des Reinhardtschen Projekts gestalten
würde, zu veröffentlichen. Wir zweifeln nicht, daß
an Hand dieser übersichtlichen und leichtverständlichen
Darstellung eine Klärung der Anschauungen sich voll-