16. November 1907
BAUZEITUNG
365
hübsche Eingang und die monumental einfache Laterne auf
der Kuppel. Imposant stieg dieser Bau, vom Triumphbogen
aus gesehen, hinter dem Gebäude der Sunlight-Seifenfabrik
empor, eine mächtige Steigerung und wirkungsvollen Ab
schluß der ganzen Perspektive bildend. Der anstoßende Ein
gang zum Fesselballonplatz ist sehr hübsch gestaltet. Ein
leicht und schön geschwungener Bogen verbindet zwei nied
liche Kassenhäuschen. Damit die nötige Folie nicht fehle,
erhebt sich daneben die riesige Ballonhalle, so plump
und ungefällig als möglich, und in amerikanisch-markt
schreierischer Weise mit einer Biesenreklame für Palmin
verziert. Unsers Erachtens rief diese Schöpfung nach
dem Weißelpinsel, man hätte sie, wenn auch außerhalb
der Ausstellung errichtet, wohl etwas besser ausgestalten
können. Wenn eine Inschrift je nötig war, hätte man
vielleicht mit Bezug auf den zu erwartenden finanziellen
Ausgang das Wort der Schrift wählen können: „Trachtet
nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter
zu den niedrigen.“
Die Südseite der Südstraße ist mit einigen Verkaufs-
hallen, einer Schießbude und dem umfangreichen Terrassen
restaurant geschmückt. Letzteres ist eine sehr gute Kom
position, es erschien nur der Mittelbau gegenüber den
Seitenflügeln und hübschen Bndpavillons gedrungen und
massig. Der Eingang in das abessinische Dorf ist etwas
phantastisch ausgefallen, dennoch originell erfunden und
die richtige Vorbereitung auf die den Eintretenden er
wartenden Genüsse. Leber das Aeußere des Gebäudes
des Zillertals ist nichts Rühmendes zu berichten; der
Ausstellung zu Mannheim. Vergnügungspark
Gesamteindruck wurde durch die Bierreklame auf dem
Dachfirst nicht verbessert. Recht hübsch und originell
war aber die Anordnung des Innern, der freie Platz im
Dörflein inmitten einer reizenden Gebirgswelt. Das
Kinematographenhäuschen darf auch als anmutig aus
gebildet nicht übergangen werden. In vorgerückterer
Stunde der Ausstellung fand man es leider für erforder
lich, durch Reklameschaukästen den Eindruck des Ge
samten zu verbessern. (Schluß folgt)
Zur Kläranlage von Stuttgart
In der Sitzung des Wasserkollegiums der Kgl. Kreis
regierung vom 2. November d. J. wurde eine wichtige
Entscheidung getroffen. Das von der Stadt Stuttgart
eingereichte Gesuch um Erlaubnis zur Einleitung der
Gesamtabwasser von Groß-Stuttgart in den Neckar ober
halb des Kilometer 183 der Neckarvermessung in der
Markung Hofen wurde genehmigt, und zwar unter der
Bedingung, daß diese Abwasser sämtlich in einem Sammel
kanal aufgefangen, einer mechanischen Kläranlage zu
geführt und dort gründlich gereinigt werden.
Infolge der Verhandlungen, die die Kgl. Kreisregierung
zu Anfang Oktober in Münster und Hofen mit den Ein
sprechenden pflegte, wurden viele Bedenken beseitigt.
Insbesondere die Vertreter der verschiedenen im Neckar
tal gelegenen Wasserversorgungsgruppen nahmen ihre
Einsprachen zurück, nachdem die Unternehmerin dem
vorgebrachten Verlangen nach Ausführung geeigneter
Schutzmaßregeln entsprochen hatte.
Viele der übrigen Widersprechenden ließen sich be
lehren, daß durch das wasserpolizeiliche Verfahren ihre
privatrechtlichen Ansprüche nicht berührt werden.
So blieben für die Schlußverhandlung vom 2. November
nur die Einsprachen der beiden Gemeinden von Hofen und
Mühlhausen übrig, denen sich ein Werkbesitzer und ein
Grundbesitzer daselbst angeschlossen hatten.
Bedauerlicherweise gelang es nicht, die Einsprechenden
von der außerordentlichen Verbesserung des Neckarwassers
gerade am Wehr von Mühlhausen-Hofen zu überzeugen;
wenn künftig sämtliche Abwasser von Stuttgart, Berg,
Heslach, Gablenberg, Gaisburg, Wangen und einem Teil
von Cannstatt auf dem linken Ufer und die sämtlichen
Abwasser von üntertürkheim und Cannstatt auf dem
rechten Ufer ihre Schmutzstoffe in der Kläranlage zurück
lassen, so liege klar am Tage, daß das Neckarwasser,
das gegenwärtig am Hofener Wehr einer Kloake gleiche,
an Reinheit und Brauchbarkeit wesentlich gewinnen
müsse.
Wegen der raschen Zunahme der Fäkalwasser, die
nach dem Bau der Kläranlage befürchtet werde, machte
die Unternehmerin geltend, daß die mechanische Klärung
erfahrungsgemäß auch auf die Zurückhaltung dieser
Schmutzstoffe ausreichend einwirke.
Seitens der Regierung wurde betont, daß die aus der
Kläranlage in den Neckar gelangenden Abwasser unter
ständige Kontrolle gestellt werden und daß die Erzeugung
der mechanischen Reinigung durch ein biologisches Ver
fahren, durch das auch die im Abwasser gelösten Unrat
stoffe ausgeschieden werden, jetzt schon ins Auge ge
faßt sei.
Noch ehe sich greifbare Mißstände im Neckar ober
halb des Hofener Wehrs eiustelleu, werde die Ausführung
der in der Antragsbeschreibung der Unternehmerin bereits
vorgesehenen weiteren Klärweise vorgeschrieben werden.
Das Verlangen der Gemeinden Münster und Hofen,
die Abwasser unterhalb ihres Wehres einzuleiten, wurde
von der Unternehmerin abgelehnt, weil die nur mit einem
Kostenaufwand von über 300000 M. zu erreichenden Vor
teile in keinem Verhältnis zu dem tatsächlichen Nutzen
stehen.
Der letztere verschwinde, sobald die Großschiffahrt
komme und dann auch der ünterwasserspiegel am Hofener
Wehr in den Stau einbezogen werde.
In der am Abend des 2. November verkündigten Ent
scheidung des Wasserkollegiums der Kgl. Kreisregierung
wurde das Gesuch der Stadt Stuttgart, wie oben erwähnt,
genehmigt, die Einsprachen aber zurückgewiesen, weil durch
die beantragte Einleitung eine erhebliche Verschlechterung
des Neckars und sonstige Schädigungen und Nachteile im
Sinne des Art. 23 des Wassergesetzes nicht zu befürchten
wären.
In die Genehmigungsvorschriften sind genügend kräftige
Vorbehalte aufgenommen, die es der Wasserpolizeibehörde
ermöglichen, jeden etwa sich zeigenden Mißstand abzu
stellen und insbesondere bei erheblichem Zuwachs von
Fäkalwasser eine weitergehende Wasserreinigung in die
Wege zu leiten, sobald die mechanische nicht mehr
ausreichen sollte.
Es ist nun zu wünschen, daß die Stadt Stuttgart die
Schwierigkeiten in Bälde überwindet, die sich an die
Erwerbung von Grund und Boden für die Kläranlage