FÜR WÜRTTEMBERG
BADEN HESSEN EL
SAS S - LOTHRINGEN
Stuttgart, 23. November 1907
Inhalt: Baukuust auf der Mannheimer Jubiläumsausstellung 1907. — Die Wasserversorgung in Bayern. —
Das Schicksal der Kgl. Anlagen und das Theaterprojekt. — Jurist oder Techniker. — Aussicht stürme. —
Vereinsmitteilungen. — Wettbewerbe. — Kleine Mitteilungen. — Personalien. — Bücher. — Briefkasten.
■HAuamiisi- —- ——
Alle Rechte Vorbehalten
(Schluß)
Baukunst auf der Mannheimer Jubiläumsausstellung’ 1907
Von Regierungsbaumeister Dr.-Ing. Eberbach -Mannheim
Der tiefliegende Promenade- und Yersammlungsplatz
erhielt ebenfalls reizenden Schmuck durch Einzelbauten.
Ein hübsch umpflanzter leichter Musikpavillon erhob sich
auf der Ostseite neben einem Wurstpavillon in Rund-
tempelform, einer sehr glücklich erfundenen Schöpfung.
Zu beiden bildete den nötigen Gegensatz das Luftballon-
und Automobilkarussell und die ganz ungenügend aus
gebildete Anlage der W^isserrutschbahn. Der Turm und
die Gleitbahn könnten ohne erhebliche Kosten besser
gemeistert sein. Der im Südwesten sich erhebende Sekt
pavillon Zum süßen Mädel liegt über reizend erfundenem,
terrassenförmig gegliedertem Gärtchen; er ist sehr hübsch
und malerisch; der rechts vom Haupteingang errichtete,
urplötzlich aus dem Dach aufschießende kleine Turmbau
wäre wohl besser unterblieben, er stört den hübschen
Gesamteindruck. Man sieht, alles in allem, viel Schön
heit und Reiz auf kleiner Stätte, eine Fülle von Gedanken
und Formen, ein entschiedener Fortschritt auf diesem
Gebiet der Baukunst. Als Schöpfer der gärtnerischen
Anlagen ist Garteningenieur Keerl, der technische Leiter
der Ausstellung, als Baukünstler Architekt Schaab zu
nennen. Wenn noch andre tätig waren, sollen sie nicht
übergangen sein, sie sind uns aber nicht bekannt ge
worden.
Besondere Betrachtung erfordert das als Clou der
Anlage errichtete Teichrestaurant, ein Ausstellungsobjekt
des städtischen Hochbauamts. Zur Errichtung standen
erhebliche Geldmittel nicht zur Verfügung, es mußte die
Hauptsache von Mannheimer Handwerksmeistern frei
willig zur Verfügung gestellt werden. Zum Lohn konnte
jeder Stifter
seinen Namen
auf einer mäch
tigen Gedenk
tafel lesen. Ob
diese freiwillige
Beteiligung das
richtige ist und
welche Folgen
sie für die haben
kann, die sich
nicht beteiligen
wollen oder
können, soll
nicht erörtert
werden; wir
stellen lediglich die hohe Leistungsfähigkeit aller Be
teiligten fest, die einzelnen Kunst- und Dekorationsteile
sind durchweg gut und meistermäßig ausgeführt.
Die äußere Erscheinung des Gebäudes ist sehr gut.
Ein mächtiger Mittelbau mit gebogenen Dachflächen wird
von zwei Seitenbauten und vorliegender Terrasse um
säumt. Absidenartige Ausbauten, Baikone und Loggien
beleben das Bild, ein hübscher Vordergrund ist der Teich
und das anstoßende Teichgärtchen. Die Rückseite an der
Augustaanlage ist ebenfalls hübsch gegliedert, Terrassen
umgrenzen den Haupteingang. Das Innere ist zwei
geschossig. Die Aufteilung erscheint weniger gut ge
lungen, das Ganze ist etwas unübersichtlich. Den Haupt
bestandteil bildet eine halbrunde Holztreppe mit pergola
artiger Abdeckung, die die Verbindung der beiden Geschosse
ermöglicht. Die Innenausstattung ist sehr reich, aber
nicht sehr harmonisch, man möchte auf den Wunsch
schließen, alles zu überbieten. Zu der reichen Dekoration
Bildet die glatte Holzschalung des Daches einen merk
würdigen Gegensatz. Die Holzbögen, System Emy und
Delorme, sind unsers Erachtens kein Motiv für das
zwanzigste Jahrhundert, wir betrachten sie als zur Kon
struktion des großen Daches der Fassade notwendiges
Uebel. Die Gesamtkomposition verrät aber künstlerische
Begabung und fruchtbare Phantasie. Wenn wir als Ur
heber dieses Gebäudes einen Angehörigen des Hochbau
amts, den Architekten Schaab, nennen, leitet uns der
Gedanke, daß auch in den Schöpfungen der Baubehörden
dem Einzelnen sein Anteil zuzugestehen ist. Der ver
altete, aber an vielen Stellen ängstlich gehegte und ge
hütete Lehrsatz,
daß dasAmt eine
namenlose Ar
beitsvereini
gung sei, in
welcher das ein
zelne Indivi
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sönliche An
sprüche rechtlos
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habe, muß. be
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denn nur da ist
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Die Türme von Wimpfen Zeichnung von Architekt Fritz Böhm, B. D. A., Pforzheim