14. Dezember 1907
BAUZBITUNG
895
Sindelfingen
Architekt W. ßemppis, Stuttgart
Eingriffe unvermeidlich sind, lasse man diese in der
mildesten Form und unter Berücksichtigung der Eigenart
und Bedeutung der Denkmäler und Stadtbilder eintreten.
W.
Landhaus in Baden-Baden
Architekten Hummel & Eörstner, Stuttgart
Infolge der stetig wachsenden Frequenz der alten
Bäderstadt Badens macht sich neuerdings das Bestreben
mehr und mehr geltend, für denjenigen Teil der Kur
gäste, welcher den ruhigen Aufenthalt in Privathäusern
und Pensionen dem geräuschvollen Hotelleben vorzieht,
geeignete Wohnungsgelegenheit zu schaffen.
Diesem Bedürfnis Rechnung tragend, wurde im
Jahre 1907 das abgebildete Landhaus Rösch an der
zum Altschloßwald führenden Schützenstraße inmitten
eines erhöht liegenden, nach hinten ansteigenden großen
Gartens erstellt.
Die Terrainverhältnisse brachten es mit sich, daß die
Gesellschaftsräume, bestehend in einer behaglich aus
gestatteten Diele, Speisezimmer und Wintergarten samt
Lesezimmer, in dem vorderen Teil des Untergeschosses
untergebracht werden konnten, so daß das ganze erste
und zweite Obergeschoß für Fremdenzimmer verfügbar
wurde. Vorteilhaft scheint auch die Unterbringung der
nötigen Wirtschafts- und Nebenräume in einem niedrigen
Zwischengeschoß über dem hinteren Teil des Unter
geschosses zu sein.
Die hervorragende Lage mit der prächtigen Aussicht
war Veranlassung, möglichst viele der Fremdenzimmer
mit Loggien und Baikonen zu versehen. Dieselben bilden
das Hauptmotiv in der äußeren architektonischen Ge
staltung. Der kräftig in die Höhe strebende Giebel ver
leiht dem Gebäude trotz der einfachen schlichten Formen
einen die Umgebung beherrschenden Charakter, ohne sich
jedoch aufdringlich bemerkbar zu machen.
Alte Fach werk bauten in Württemberg*
In unsern Dörfern und kleinen Städten finden wir
reizende, abwechslungsreiche Beispiele des Holzfachwerk
baues. Erfreulicherweise lernt auch der Bauer wieder die
Schönheit solcher Gebäude schätzen und erhalten. Leider
sind ja eine Zeitlang viele derartige Bauten bei Repara
turen vollständig überputzt, so daß manche originelle Fach
werkfassade wie mit einer Decke verhüllt ist.
Die in der heutigen Nummer enthaltenen Abbildungen
einer Reihe alter Fachwerkbauten aus verschiedenen Orten
unserer engeren Heimat werden den Lesern der „Bau
zeitung“ sicher willkommen sein.
Die Warenmitergrundbahn in Chicago
Von Charles Engels
Chicago besitzt in seiner Untergrundbahn für Waren,
die seit dem November v. J. auf ihrer ganzen Länge in
Betrieb genommen ist, eine der sonderbarsten Merkwürdig
keiten der neueren Ingenieurkunst. Es ist dies eine elek
trische Untergrundbahn, die nicht etwa für den Personen
verkehr, sondern ausschließlich für die Beförderung von
Waren bestimmt ist. Sie schafft letztere unmittelbar in
die Keller und Gewölbe der Häuser, die sich entlang
ihrem Wege finden, und umfaßt heute ein Netz von nicht
weniger als 70 km. Diese merkwürdige Bahn ist unter
dem Boden der Stadt und unter den Häusern entlang
geführt, ohne daß die Bewohner in den Häusern oder die
Besitzer derselben etwas davon erfuhren und merkten. In
dieser Art und Weise ihrer Errichtung, die ohne jedes
Aufsehen erfolgte, zeigt sich so recht der amerikanische
Unternehmungsgeist und Tatendrang, der nicht durch
unsre geheiligten üeberlieferungen, unsre Polizeivor
schriften, unsre Gesetze und langen Vorverhandlungen
eingeengt wird. Aus diesem Grunde schon ist eine
kleine Abhandlung über eine solche Bahn gewiß von
Interesse, ganz abgesehen von ihrer praktischen Be
deutung, von der heute jedermann in Chicago über
zeugt ist.
Es braucht wohl kaum betont zu werden, daß die
Beförderung von Waren aller Arten und der ununter
brochene Verkehr von Geschäfts- und Lastwagen bis zu
den schwersten Gattungen schon seit langer Zeit eine
unglaubliche üeberfüllung der Straßen Chicagos mit sich
gebracht hatte, die sich um so unangenehmer fühlbar
machte, als nicht weniger als 25 Bahnlinien sich in der
Stadt auf einem immerhin verhältnismäßig engen Raume
breit machen, so daß im wahren Sinne des Wortes zu
gewissen Stunden des Tages der Verkehr fast stockte
oder doch nur mit größter Mühe und mit großem Zeit
verluste sich abwickeln konnte. Es ist statistisch fest
gestellt worden, daß täglich 40000 Pferde nötig waren,
um Chicago mit Kohlen, Frachten, Baumaterialien u. s. w.
zu versorgen, nicht gerechnet die leichteren Geschäfts- und
ähnlichen Wagen. Ganz abgesehen davon wurden die
Reinlichkeit und die Luft in der Stadt durch die An
fuhr von Kohlen und die Abfuhr von Asche und Ab
fällen aller Art nicht gerade günstig beeinflußt, und so
war denn die ursprüngliche Absicht beim Bau dieser
Untergrundbahn nur die, die genannte Art von Wagen
von den Straßen verschwinden zu lassen. Daß dabei aber
bald der Gedanke auftrat, diese unterirdischen Linien
auch zur Fortschaffung von Postsendungen zu benutzen,