Das Zundeltörle in Ulm vor der Durohfahrtsverbreiterung
teidigungswerken und dem südöstlich liegenden Zeughaus
zu vermitteln. Heute noch zeigt dieser Vorplatz, der
früher mit einer Ausfallpforte gegen Norden, unmittelbar
■westlich vom Turm gelegen, versehen war, ein fast voll
ständig erhaltenes Bild seiner mittelalterlichen Umgebung.
An Stelle der Ausfallpforte mit dem hölzernen Steg über
den noch offenen Wassergraben wurde später eine 4 m
breite Durchfahrt ausgebrochen und mit einer Stichkappe
aus Backsteinen eingewölbt. Nachdem der Stadtgraben
überwölbt und die neue Straße mit ihren Anlagen auf
demselben durchgefühi’t worden war und draußen hinter
dem alten Friedhof sich ein neues Bauquartier zu ent
wickeln begann, genügte dieser Durchlaß nicht mehr für
den wachsenden Verkehr. Bezüglich der Lösung dieser
plötzlich auftauchenden Verkehrsfrage waren die Meinungen
geteilt. Auf der einen Seite wurde verlangt, daß dem
Verkehr neben dem alten Turm ein Durchgang in der
Breite einer modernen Straße geschaffen werde, um damit
die Weiträumigkeit der neuen Stadtteile unmittelbar in
die Gassen der Altstadt einzuführen. Diese Absicht hätte
eine vollständige Durchbrechung der alten Stadtmauer
mit den Grabenhäuschen notwendig gemacht und den
Turm gegen Westen bloßgelegt und von der ihm an
gepaßten Umgebung losgetrennt, so daß in der Folge
diese Lösung den geschlossenen Charakter der seitherigen
Toranlage zerstört und die Stadt um ein schönes Bild
ihrer früheren Gesamtanlage ärmer gemacht hätte. Ein
andrer Vorschlag ging dahin, die Reihe der sich an den
Turm anschließenden Grabenhäuschen nicht zu durch
brechen und bezüglich der Verkehrs Verbesserung nur unter
denselben eine Erbreiterung der alten Durchfahrt von
4 auf 8 m vorzunehmen. Bei der geringen Länge der
Durchfahrt von ca. 15 m war anzunehmen, daß diese
Breite den Bedürfnissen des zu erwartenden Verkehrs
genüge. Die geringe zur Verfügung stehende Höhe war
in diesem Fall der Anlaß, für die Abdeckung die Form
eines Korbbogens zu wählen, welcher sich der Architektur
der Umgebung, insbesondere der Mauerahschlüsse gegen
das Zeughaus hin, in vorzüglicher Weise anpaßte.
Nachdem sich mit diesem vielumstrittenen Projekt
auch die städtische Künstlerkommission unter geteilten
Meinungen befaßt hatte, gab schließlich der damals noch
mitwirkende Münsterbaumeister Beyer den Ausschlag,
indem er für die Beibehaltung des geschlossenen Charakters
der Altstadt und damit für die Ablehnung des Durch-
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bruchs eintrat. Die schwierigen Bau
arbeiten der Durchfahrtserweiterung
wurden dadurch erleichtert, daß die
Ausführung durchaus in Zementbeton
erfolgte, während die Stirnen aus Beton
quadern mit besonderer Ausstattung der
Oberflächen mit Steinimitation her
gestellt wurden. Die Fortschritte, welche
die Stadt Ulm in ihrer Erweiterung
auf der Ostseite gemacht hat, haben den
vorsorglichen Ausbau des Zündeltors
als gerechtfertigt erscheinen lassen.
Schon vor der Niederlegung der inneren
Umwallung ist auf der unteren Bleiche
innerhalb des Walls und außerhalb
desselben ein neues Baugebiet ent
standen, dessen Bebauung hier auf der
Ostseite der Stadt den ersten Abschnitt
der neuen Baupolitik bildete. Während
innerhalb des Walls zuerst noch in
offener, später in geschlossener Bau
weise ein fächerartig auf das Zundel
tor zulaufendes Straßennetz, teils mit
kleineren Fabrikanlagen, teils mit Wohn
häusern für kleinere und größere Woh
nungen, ausgebaut wurde, entstand außer
halb des Walls zunächst ein ausgedehnter
Komplex städtischer Arbeiterwohnhäuser, die sofort auf
Abzahlung verkauft wurden und in kurzer Zeit einer
zahlreichen Bevölkerung Unterkunft gewährten. Hieran
schlossen sich, soweit der Platz reichte, mehrere all
mählich in der Ausdehnung begriffene Fabrikanlagen,
welche den noch vorhandenen Platz ausfüllten. Mit dieser
Entwicklung, welche sich in der Neuzeit noch weit über
das Stuttgarter Tor hinaus erstreckt und mit dem Bau
eines neuen Spitals auf der Höhe des Safranbergs seinen
Abschluß finden wird, ist dem neuen Zundeltor ein früher
ungeahnter Verkehr zugewiesen. Seinem Zweck hat es
stets genügt und wird ihn auch fernerhin erfüllen. Mit
dem Turm daneben, dessen Untergeschoß ein von dem
Wasser des Stadtgrabens getriebenes Rad in Bewegung
setzt und damit eine Pumpe treibt, welche das im Dach
geschoß aufgestellte Reservoir füllt, bildet das Tor mit
der anschließenden Stadtmauer einen der schönsten Ueber-
reste der ältesten Befestigung Ulms. Auf der Scheide
zwischen Alt- und Neustadt in unmittelbarer Nähe des
Elektrizitätswerks bringt es uns den Gegensatz der ver
schiedenen geschichtlichen Hauptperioden in vorzüglicher
Weise zum Bewußtsein. Die dauernde Erhaltung dieser
Baugruppe ist daher dringend zu wünschen.
Stadtbaurat a. D. E. Braun.
Neue Tapeten
Von Arnold Rohde
Nicht über den modernen Geschmack der Tapeten
zeichner will ich sprechen, sondern über die mannigfachen
Techniken, die jetzt in den Tapetenfabriken zur Erzielung
besonderer Effekte angewendet werden und die größten
teils auf Erfindungen der letzten Jahre beruhen.
Zunächst muß betont werden, daß gewisse Prinzipien
der Innendekoration, die von den Meistern des modernen
Kunstgewerbes in ihren Schriften als wesentlich hervor
gehoben wurden, nicht ohne Einfluß auf die Technik ge
blieben sind. Es wurde darüber geklagt, daß die farben
reichen, prunkvollen Tapeten, wie sie von den meisten
Fabrikanten, die das Auge des Publikums bestechen
wollen, auf den Markt gebracht werden, bei jeder Deko
ration eines Raumes zu anspruchsvoll hervortreten und
dadurch die Wirkung jedes andern Stückes der Innen
dekoration herabdrücken. Die Tapete soll nur die Folie
der Möbel, Kupferstiche, Bronzen, Gemälde u. s.w. bilden,
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