Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

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BAUZEITUNG 
Nr. 6 
der geringen Breite 
und der vielen Stütz 
punkte wegen am 
Heraion zu Olympia 
nicht. Sie waren 
unnötig bei dem nur 
4 m breiten Mittel 
schiff, auch nicht hei 
den Gesimsen, bei 
welchen die Archi- 
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baufällig* gewesen, 
sie müssen also 
einige Jahrhunderte 
schon gestanden ha 
ben, es muß also der 
Bau (das Heraion) 
im 11. oder 10. Jahr 
hundert ausgeführt 
worden sein. Dieses 
Resultat stimme vor 
trave durch verdübelte Bohlen auf die nötige Breite 
gebracht werden konnten. Das sind Ausführungen, 
die sich zwanglos hersteilen lassen, deren Möglich 
keit auf sicheren Anhaltspunkten beruhen und die 
keinen ungeheuerlichen Materialaufwand nötig machten. 
Anders ist es mit den Stützen der Binghalle. Einem 
Kapitell aus Holz, das nebenbei den Unbilden der 
Witterung zu jeder Jahreszeit ausgesetzt ist, die Form 
eines tellerartigen altdorischen Steinkapitells auf 
zwängen zu wollen, besonders bei einem Durchmesser 
desselben von über 1 J / 2 m, erscheint als ein grober Ver 
stoß gegen die natürlichen Eigenschaften des genannten 
Materials, die die Alten so genau kannten und damit 
so gut rechneten wie wir Modernen. Man denke nur an 
die Tischlerarbeiten aus Aegypten, an die griechischen 
Holzsarkophage bei Abusir, an die wunderbaren Holz 
arbeiten in den Gräbern bei Kertsch und an die Schil 
derungen von einschlägigen Arbeiten hei Steintempeln 
(Epidauros). Das gleiche ablehnende Urteil muß auch 
über die Verwendung von hölzernen Säulenschäften in 
den genannten Dimensionen gefällt werden, besonders 
wenn man deren Einzelformen in eine Zeit zurückdatiert, 
die einen fertigen Kanon für die dorische Ordnung noch 
gar nicht kannte. Zu solch grotesken Holzstützen, denen 
eine nur geringe Last zugemutet war, dürfte sich der in 
stiltechnischen Dingen so gesunde Sinn der Griechen doch 
kaum aufgeschwungen haben. Ich habe dabei nur die 
Querschnitte und die Form der Stützen, nicht die Mög 
lichkeit, sie zu beschaffen und an Ort und Stelle zu 
bringen, im Auge. 
Wie die Aegypter, so haben auch die Griechen, so 
lange sie Holzbauten ausführten, der Natur des Materiales 
nachgegeben und bei Abstützungen die natürlich-schlanke 
Form der Säulen mit dem unterlegten Sattelholz bei den 
Stößen der Balken gewahrt. Es zeigen dies die Stützen 
der Quellenhäuser auf den Hydrien im Britischen Museum 
und aus der Sammlung Torlonia zu Rom (Fig. 4) auf 
den ersten Blick: die Holzkonstruktion mit den schlanken 
Säulen und darüber das rechts und links konsolenartig 
geschnittene Sattelholz mit dem Auflager für die Architrave 
und auf diesen die kräftigen Deckenbalken! Aber nicht 
als „dorischer Kuchen“ dürfen die abgerundeten Unterlag- 
hölzer angesehen werden, sondern, wie dies Fig. 5 zeigt, 
als vermittelnde Traghölzer für das durch die Säulen ab 
gestützte Gebälke. 
Die Holzsäule des Pausanias mag als Reliquie eines 
alten Heiligtumes unangefochten bleiben; daß jene aber 
den Steinsäulen ähnlich gebildet war, das zu glauben 
wollen wir uns ersparen. 
Die Darstellung der ganzen Tempelgeschichte mit 
ihrer sukzessiven Versteinerung ist und bleibt eine 
Hypothese, der man je nach dem Empfinden wohlwollend 
oder feindlich gegentiberstehen kann; aber als Tatsache 
damit zu rechnen, wie es in verschiedenen verbreiteten 
Büchern über Kunst heutzutage geübt wird, ist eine 
Täuschung. 
Als Techniker haben wir mit dem Greifbaren und 
Möglichen zu rechnen und nach den Gesetzen der Logik 
zu verfahren und uns nicht in Mutmaßungen zu verlieren. 
Es ist lediglich Geschmacksache, an ein baugeschicht 
liches Rechenexempel zu glauben, das ausführt: „Die 
ersten hölzernen Säulen sind im 7. oder 6. Jahrhundert 
züglich mit der Angabe des Pausanias, so daß dessen Aus 
sage bestehen bleiben könne.“ — Eine Beweisführung, 
wie sie wohl einfacher nicht gedacht werden kann! 
R. Koldewey und 0. Puchstein haben im Texte ihres 
schönen, manchmal etwas schwerfälligen, aber sehr ge 
diegen gearbeiteten Werkes (Die griechischen Tempel 
in Unteritalien und Sizilien, Berlin 1899) folgende be 
herzigenswerte Sätze: 
„Auf das Holz als natürliches Baumaterial der prä 
historischen Zeit muß man heute bei dem Versuch, die 
historischen Formen zu erklären, mehr denn je zufück- 
greifen. Wir haben durch die Ausgrabungen auf ver 
schiedenen Gebieten und für verschiedene Zeiten die 
Verwendung von Holzsäulen (wo? fragt derVerf.) genauer 
kennen gelernt, und bei den dorischen Gebälkekonstruk- 
tionen ist ein gewisser Einfluß der Holzkonstruktionen 
schlechterdings nicht zu leugnen. — Gegenüber der Art, 
wie die schwierigen Fragen nach dem Einfluß des Holzes 
meistens dargestellt und beantwortet werden, könnte man 
allgemein etwas mehr Vorsicht und Zurückhaltung und 
auch etwas mehr Umsicht verlangen,“ wozu auf S. 220 
noch bemerkt wird: „Zu dem monumentalen Materiale, 
worin sie entstanden war, zurückgeführt, ist die Säule 
auch im dorischen Stil, wie die Ante tektonisch eine litho- 
tomische, keine xylurgische Schöpfung. Sich eine alt 
dorische Säule als ein primitives und doch plausibles 
Holzgebilde vorzustellen, ist absurd . . .“ 
Karlsruhe. Dr. Josef Durm, Dr.-Ing. 
Einfache Wohnhäuser 
Von verschiedenen Seiten aufgefordert, Abbildungen 
kleinerer, billiger Wohnhäuser zu veröffentlichen, haben 
wir uns in dieser Richtung bemüht und auch wertvolle 
Beiträge zugesagt erhalten. Wir werden nach und nach 
eine Anzahl derartiger Bauten bringen und hoffen, daß unsre 
Leser mancherlei Anregung beim Studium der Grundrisse 
und Ansichten finden werden. Die Abbildungen dieser 
Nummer zeigen zwei in einfachen, gefälligen Formen er 
baute Einfamilienhäuser von Architekt Theod. Preckel in 
Pforzheim. Es ist aller unnötige und gekünstelte Zierat 
vermieden, die hohen gebrochenen Dächer geben den Bauten 
den Charakter eines gemütlichen bürgerlichen Heims. 
Yereinsmitteilungen 
Württembergischer Baubeamten-Verein. Die 
erste Ausschußsitzung in diesem Jahre fand am 3. Februar 
in Stuttgart statt. Anwesend waren 12 Mitglieder. Nach 
Begrüßung der Erschienenen durch den Vorstand wurde 
das Protokoll der letzten Ausschußsitzung verlesen und 
genehmigt. Der Vorstand berichtete sodann über den 
neugegründeten Verband württembergischer Staatsbeamten- 
und Unterbeamten-Vereine, dessen Mitgliederzahl etwa 
24 000 beträgt, und nachdem die für diesen losen Gesamt 
verband festgesetzten Satzungen bekanntgegeben waren, 
wurde beschlossen, der Mitgliederversammlung den Bei 
tritt zu empfehlen. 
Bei der nun folgenden Besprechung über die Be 
teiligung an den Landtagswahlen wurde allgemein be 
dauert, daß es nicht gelungen ist, einen weiteren mittleren 
Techniker als Abgeordneten in den Halbmondsaal zu
	        

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