Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1907)

WÜRTTEMBERG 
BADEN HESSEN EL 
SAS S - LOTHRINGEN- 
Stuttgart, 2. März 1907 
Inhalt: Das landwirtschaftliche Bauwesen. — Doppelbauernhaus in Binsdorf. — Der Pferdestall im 
Mietsgebäude. — Gehöft in Binsdorf. — Die Nutzbarmachung des Viktoriafalles. — Bautechnische Rund 
schau. — Vereinsmitteilungen. — Wettbewerbe. — Kleine Mitteilungen. — Personalien. — Bücher. — 
Briefkasten der Redaktion. 
-HAimihllN- 
Alle Rechte Vorbehalten 
Das landwirtschaftliche Bauwesen 
Unter den heutigen erschwerten Bedingungen ist es 
namentlich für den kleinbäuerlichen Betrieb von Wichtig 
keit, möglichst wenig Kapital in Gebäude werten fest 
zulegen, also möglichst billig, aber doch solid zu bauen. 
Eine weitere Hauptforderung ist die, so zu bauen, daß 
der Betrieb mit möglichst wenig Hilfskräften bewältigt 
werden kann. 
Beginnen wir mit dem Bau der Scheuer, so finden 
wir, daß es bei den Arbeitsverhältnissen der Gegenwart 
vorteilhaft ist, mehr in die Breite, als in die Höhe zu 
bauen. Man soll mit dem Wagen zum Abladen überall 
hinfahren können, um Horizontal- und Höhentransporte 
möglichst zu vermeiden. Dies ist durch Anbringung 
möglichst vieler Einfuhrgelegenheiten, unten und oben, 
zu erreichen. Es ist daher zu empfehlen, wenn irgend 
möglich, Hocheinfahrten anzuordnen, sei es durch Aus 
nutzung des natürlichen Terrains oder durch Anlage von 
Auffahrtrampen. Die Dachkonstruktion ist daun so zu 
wählen, daß die Mitte nicht mit Pfosten verstellt wird, 
sondern freien Durchgang gewährt. Um den Bau zu 
verbilligen, empfiehlt es sich, Massivbau zu vermeiden 
und einen möglichst einfach konstruierten, nur die zur 
Stabilität absolut 
notwendigen Kon 
struktionshölzer 
enthaltenden, mit 
Bretterverschalung 
versehenen Holz 
fachwerkbau zu 
wählen. Zur guten 
Erhaltung streicht 
man das Holz mit 
Karbolineum. 
So wie die Ver 
hältnisse heute lie 
gen, wird der Vieh 
zucht und somit 
den Aufenthalts 
räumen für das 
Vieh, den Stal 
lungen, besondere 
Aufmerksamkeit 
zu schenken sein. 
In kleinbäuerlichen 
Verhältnissen sind 
bei uns meist Stall 
und Wohnung unter einem Dach vereint. Wohnräume 
sollen aber nie über Stallräumen angelegt werden. Scheide 
wände zwischen Wohn- und Stallräumen sind immer 
massiv auszuführen. Wenn wir zuerst auf die Stal 
lungen näher eingehen wollen, so ist hier dieselbe 
Forderung nach Luft und Licht wie für die Wohnräume 
geltend zu machen. Das Gedeihen des Viehs ist ab 
hängig von gesunden Stallungen. Nun braucht aber ein 
einziges Stück Vieh während einer Nacht so viel frische 
Luft, als ein kleinerer Stall überhaupt Baum faßt. So 
groß können aber die Ställe nicht gemacht werden, daß 
für jedes Stück Vieh ein solcher Luftraum verbleibt. Es 
muß daher für eine genügende fortwährende Lufterneue 
rung gesorgt werden, ohne daß jedoch Zug entsteht. Da 
auch die Temperatur der Ställe nicht zu gering werden 
darf, wird man gut tun — insbesondere in rauhen Gegen 
den —, nicht zu hohe Ställe zu bauen. Je geringer aber 
der Stallluftraum ist, um so nachhaltiger muß die künst 
liche Lufterneuerung stattfinden. Auf Seite 67 ist eine 
zweckmäßige Vorrichtung für Lüftung eines Stalles 
nach System Friz von der Firma H. Breunings Nach 
folger-Stuttgart zu ersehen. Neben genügender Venti 
lation spielt die 
Beleuchtung eine 
große Rolle; die 
Tiere sollen nicht 
wie in einem Ker 
ker untergebracht 
sein. Es empfiehlt 
sich, bei Anord 
nung der Stallfen 
ster lieber weniger, 
aber entsprechend 
große Fenster zu 
wählen. Die Fen 
sterflächen sollten 
mindestens '/so der 
Stallgrundfläche 
betragen. Für die 
Fenster ist Draht 
glas oder Rohglas 
zu empfehlen. Je 
schlechter ein Bau 
material dieW är ra e 
leitet und wi 
derstandsfähig zu- 
Bauernhaus in Degenfeld, OA. Gmünd 
Architekt Inspektor Friz, Stuttgart, Landestechniker der K. Zentralstelle für Landwirtschaft
	        
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