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BAUZEITUNG
Nr. 'J
werde. Es erhellt von selbst, daß von seiten der bereits
am Platze befindlichen Kraftgesellschaften, die mit immer
hin umfangreichen Dampfstationen arbeiten und angesichts
dieses geplanten Riesenunternehmens für ihre fernere
Existenz bangen mußten, gleich von vornherein alle An
strengungen gemacht wurden, die Pläne der neuen Gesell
schaft als für die praktische Ausführung fragwürdig, für
Kapitalisten somit riskant hinzustellen.
Sir Wilson Eox, der schon den Bau der Viktoria
brücke 1 ) leitende, auf dem Kontinent, in England und
Amerika anerkannte Fachmann, hat nun ein Schema durch
die British South African Company über die geplanten
Arbeiten am Yiktoriafall, die Verteilung des elektrischen
Stromes, die Reserveanlagen u. s. w. der Oeffentlichkeit
übergeben. Demnach beabsichtigen die Unternehmer,
durch Anlegung eines kurzen, vom oberen Flusse ab
zweigenden Kanals ein Gefälle von etwas über 100 m
durch hydraulische Motoren auszunutzen. Durch Ver
längerung dieses Kanals ließe sich ein noch höheres Ge
fälle erzielen; die Victoria Falls Power Company hat sich
jedoch dafür entschieden, das Maschinenbaus etwas weiter
oben anzulegen an einer Stelle, wo es das wundervolle
Landschaftsbild am wenigsten stört und von den von
Touristen am meisten bevorzugten Aussichtspunkten über
haupt nicht zu sehen ist.
Zunächst sollen in der geplanten hydraulischen Zentrale
50 000 PS erzeugt werden; die Gesellschaft hat sich jedoch
bereits das Recht gesichert, 250 000 PS entwickeln und
nach Transvaal übertragen zu dürfen. Die Fernleitungen
sollen auf etwa 18 m hohen Stahltürmen montiert werden.
Da die klimatischen Verhältnisse für elektrische Strom
netze keine besonderen Schwierigkeiten bieten, soll Drei
phasenstrom von 150 000 Volt Spannung erzeugt werden.
Eine genaue Durcharbeitung des Projektes bleibt noch zu
erwarten.
Zunächst hat die Victoria Falls Power Company die
Absicht, in der Nähe von Johannesburg eine Dampf
zentrale für 24 000 PS zu errichten, um unter allen Um
ständen in Transvaal eine sichere Reserve zu besitzen
und schon innerhalb zweier Jahre, in welcher Zeit die
Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft diese Station fertig
stellen will, den Minenbesitzern im U mkreis von 30 Meilen
elektrische Kraft zu liefern. Die Spannung soll dabei
50 000 Volt betragen.
Für den bis jetzt in Transvaal vorherrschenden Minen
betrieb ist eine ununterbrochene Stromlieferung erste Be
dingung. Da die Victoria Falls Power Company der Ansicht
ist, durch Wasserkraft erzeugten elektrischen Strom um
40 % billiger liefern zu können, als die Industriellen bis
jetzt für durch Dampf kraft erzeugte elektrische Energie
anlegen mußten, ist ein völlig neues System hydrau
lischer Kraftakkumulation in Aussicht genommen.
Diese Erfindung von Sir Wilson Fox soll der Gesellschaft
in Rhodesien und Transvaal patentiert werden. Durch
den überschüssigen, übertragenen elektrischen Strom sollen
an der Lieferstelle Pumpwerke betätigt werden, die in
180 m hoch angelegte Sammelbasins nach und nach Wasser
heranpumpen, um dann bei Störungen der elektrischen
Fernleitungen oder bei vorübergehend gesteigertem Kraft
bedarf neben der Dampfreserve aus der hydraulischen
Kraftaufspeicherung Energie gewinnen zu können.
Das ganze Projekt bietet für die praktische Aus
führung gar manche Schwierigkeiten. Die in Aussicht
genommene hohe Spannung von 150 000 Volt ist bis jetzt
noch nicht angewendet worden. Die Fernleitung kommt
etwa 1400 m ti. M. zu liegen und soll wenig durch Wald
führen, vielmehr, wenn irgend möglich, der bestehenden
Cape-to-Cairo-Bahnlinie folgen und auf solchen Strecken,
die von dieser Linie abweichen, von einem einfachen
Schienenweg begleitet werden, um Betriebsstörungen an
i) Siehe „Württ. Bauzeitung“ 1905, Nr. 18: Sambesibrücke.
allen Stellen innerhalb weniger Stunden beheben zu können.
Dem Vernehmen nach soll auch die Fernleitung später
hin verdoppelt werden, um nur im äußersten Notfälle die
hydraulischen oder gar die Dampfreserven — die dann
allerdings totes Kapital repräsentieren — in Anspruch
nehmen zu müssen; zudem sind diese Reserven so zu
halten, daß sie im Bedarfsfälle in kürzester Zeit Strom
liefern können.
Eine offene Frage bleibt es noch, ob zum Beispiel die
hydraulische Akkumulation so groß angelegt wird, um
eventuell auch bei kurz aufeinander folgenden Störungen
aushelfen zu können, und ob es der Gesellschaft möglich
sein wird, trotz dieser teuern Vorkehrungen tatsächlich
um 40°/ 0 billigeren Strom abgeben und dabei noch mit
Gewinn abschließen zu können. Der weiteren Entwick
lung des Projekts sehen Techniker und Kapitalisten mit
hohem Interesse entgegen.
Wir werden nicht versäumen, unsre Leser über die
Fortschritte dieses wichtigen Projekts auf dem laufenden
zu erhalten. Ktm.
l)Muteclmische Rundschau
Zentralheizungen. Es wurde kürzlich ein Artikel
über die verschiedenen Heizanlagen für Wohngebäude
veröffentlicht, durch welchen Bauherren und Architekten
wertvolle Winke für die Wahl der für den einzelnen Fall
geeignetsten Heizart gegeben werden sollten. Da der
Verfasser dieses Artikels sich ganz auf den Standpunkt
stellt, welchen die heutige deutsche Heizungstechnik ein
nimmt, muß es auch von Interesse sein, den Standpunkt
kennen zu lernen, den Amerika auf diesem Gebiete ver
tritt, ist dies doch das Land, das noch für alle Heiz
systeme vorbildlich war. Wir verdanken ihm bekanntlich
nicht bloß die Verbesserung unsrer Zimmeröfen, die darum
auch kurzweg „amerikanische“ Oefen genannt werden,
sondern auch die Dampfheizung und die Warmwasser
heizung sind eine Ueberlieferung von drüben.
Die beiden letztgenannten Heizarten scheint man aber
in Amerika jetzt gänzlich aufgeben zu wollen, nachdem
man mit einem neuen verbesserten Luftheizuugssystem,
das dort seit etwa 7—8 Jahren angewandt wird, das aber
bei uns fast noch ganz unbekannt ist, überaus günstige
Erfahrungen gemacht hat. Dieses System vermeidet die
Mängel, welche den alten Luftheizungen eigen sind, und
da die Luftheizung ja von den berühmtesten Aerzten und
Hygienikern aller Zeiten als die gesündeste Heizung ge
priesen wird, ist es eigentlich nicht zu verwundern, wenn
man in ihr jetzt die „Heizart der Zukunft“ erblickt. Wie
berichtet wird, hat diese Heizung heute schon eine solche
Verbreitung erlangt, daß sich drüben bereits 60—70 Fabriken
mit je Hunderten von Arbeitern mit dem Bau dieser Heizung
beschäftigen, darunter sollen Firmen sein, die jährlich
10—15 000 Anlagen ausführen. Angewandt wird das
System in erster Linie für Villen und Einfamilienhäuser,
für die es nur noch ausschließlich in Betracht kommt,
dann aber auch für Schulen, Verkaufs-, Geschäfts- und
Wirtschaftslokale, und als Dampfluftheizung neuerdings
sogar für die größten, bis zu achtzehnstöckigen Gebäude, die
umfangreichsten Staats- und Kommunalgebäude, Kirchen
und die ausgedehntesten Fabriksäle. Daß deutsche Firmen
bisher gezögert haben, den Bau dieser neuen Heizung
aufzunehmen, mag wohl darin seinen Grund haben, daß
Luftheizung durch die unbestreitbar großen Mängel der
alten Anlagen bei uns eben gewissermaßen im Verruf
ist und mancher aus seiner Schulzeit her eine fast un
überwindlich scheinende Abneigung gegen eine solche
Heizung hat. Dies wird aber wohl kaum hindern, daß
die hygienischen Anforderungen, die man an eine Heizung
stellen muß und die von den Aerzten und Hygienikern
der Neuzeit auch mit allem Nachdruck gestellt werden,
mit der Zeit auch bei uns zu der Erkenntnis führen werden,