3. April 1909
BAUZB1TUNG
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anspruchung eines dreieckförmigen Mauerkörpers aus.
Bei Berücksichtigung des Kippmoments aus dem Wasser
druck und aus dem ihm entgegenwirkenden Moment des
Mauergewichts wird mit der Forderung, daß im Mauer
werk Zugspannungen nicht auftreten dürfen, die Grund
breite der Mauer ungefähr
b = 0,65 h,
wenn h die Höhe der Mauer bedeutet. Soll ferner der
behördlich vorgeschriebene Wert der größten Druck
beanspruchung, das sind 6—8 kg pro Quadratzentimeter,
nicht überschritten werden, so kann eine Mauer von drei
eckigem Querschnitt keine größere Höhe als rund 30 m
erreichen. Sind größere Höhen erwünscht, so muß man
die Mauer nach unten hin erbreitern. Die Berechnung
ist in diesem Fall komplizierter und wird meist graphisch
durchgeführt. Die Mauerkrone muß breiter ausgeführt
werden, als die Rechnung ergibt, um eine Fährverbindung
über die Mauer zu ermöglichen. Der Auftrieb der Mauer
wird bei der Berechnung neuerdings öfters auch berück
sichtigt. Die nicht berücksichtigte Gewölbeform bildet
eine weitere Sicherheit gegen Bruch, indem heim Auftreten
des Wasserdrucks etwa vorhandene, durch Temperatur
schwankungen verursachte Risse an der Innenseite sich
schließen.
Brüche von Talsperren sind in Deutschland dank der vor
sichtigen Bauweise noch nicht vorgekommen. Anderwärts
sind solche schon entstanden durch Setzungen von Dämmen,
die dann überflutet und zerrissen wurden, durch Aufsetzen
der Mauer auf nicht ganz zuverlässigen Untergrund und
häufig durch nicht sorgfältig genug ausgeführte Ueberfälle.
Der Bau einer Sperrmauer beginnt u. a. mit Errich
tung von Steinbrüchen, Unterkunftsräumen, Maschinen
stationen und Arbeitsbahnen. Der durch das Tal fließende
Wasserlauf wird bisweilen seitlich von der Mauer in einem
Stollen durch den Berg geleitet. Das als Fundament
der Mauer bestimmte Gestein wird peinlich genau mit
Wasser und Bürste gereinigt und etwaige Risse mit
Mörtel ausgegossen. Einen wirksamen Halt gegen Ab
rutschen erhält die Mauer durch sägeförmiges Einsetzen
des Fundaments in das Gestein. Auch die beiden Seiten
der Mauer greifen in das Gestein ein und werden gut
mit demselben verbunden.
Um sicherer dicht zu halten, erhält die Mauer auf
der Wasserseite einen Anstrich mit einem Teerpräparat,
und die mechanische Verletzung dieses Anstrichs ver
hindert eine Vermauerung. In die Mauer werden senk
rechte Drainröhrensysteme eingebaut und ermöglichen
eine ausgezeichnete Kontrolle über das Dichthalten der
Sperre. Die Wasserentnahme aus der Sperre erfolgt
durch eine eiserne Rohrleitung, welche in einem Stollen
am Fuß der Mauer liegt. An der Innenseite bewirkt ein
Pfropf aus mehreren konisch gehaltenen Ringen von bestem
Mauerwerk die Dichtung. Für Zwecke der Wasserver
sorgung ist es notwendig, das Wasser in verschiedenen
Tiefen entnehmen zu können. Man führt deshalb meist
zu diesem Zweck vor der Innenseite der Mauer Entnahme
türme auf. Dieselben erhalten eine senkrechte eiserne
Rohrleitung mit Abzweigstutzen und Schiebern in ver
schiedenen Höhen.
Der üeberlauf der Sperre muß äußerst reichlich dimen
sioniert sein.
Die Baukosten der neueren ausgeführten Sperrmauern
betrugen 19—30 M. pro 1 cbm Mauerwerk und die Bau
kosten der ganzen Talsperre je nach der natürlichen
Gestaltung des Tals und je nach den Grunderwerbskosten
9—170 Pf. pro Kubikmeter Nutzinhalt.
Die Klage von Naturfreunden, eine Talsperre ver
unstalte das Landschaftsbild, hält einer eingehenderen
Betrachtung nicht stand, denn auch durch den Stausee
werden vorher nicht vorhandene Naturschönheiten ge
schaffen, und die Sperrmauer selbst kann in einfachen
Linien so gehalten werden, daß sie das Landschaftsbild
Abb. 1
nicht stört. Der volkswirtschaftliche Nutzen, der durch
die mit dem Stausee ermöglichte rationellere Wasser
wirtschaft erreicht wird, ist ein sehr hoher. Es wird
deshalb bei dem Streben nach intensiverer Bodenhewirt-
schaftung, Flußkanalisierung und bei der immer schwie
rigeren Frage der Versorgung unsrer Großstädte mit
geeignetem Trink- und Nutzwasser der Bau von Talsperren
immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Von den drei Abbildungen zeigen zwei den Bau der
vor kurzem fertiggestellten Neyetalsperre bei Wipperfürth,
die dritte gibt den Moment der Katastrophe bei einer
amerikanischen Sperre.
Abb. 2