Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1909)

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BAUZEITUNG 
Nr. 22 
Altes Haus in Stäffis 
Kanton Freiburg 
Altes Fachwerkhaus in Steckborn Kanton Thurgau 
der Gewohnheiten und Bedingungen des bürgerlichen 
Lehens der Vorfahren der zusammenfassende Rahmen 
und für die W eiterentwicklung der Kunst die notwendige 
Tradition verloren. Es ist daher eine der vornehmsten 
Pflichten, gerade des Fortschritts wegen, alte Bauten 
nach Möglichkeit zu schonen, dort aber, wo wir ab 
reißen und zerstören müssen, das mit der Pietät zu tun, 
die wir der Erinnerung an unsre stolze Vergangenheit 
und der eignen Selbstschätzung schuldig sind. 
Die wichtigste Aufgabe der heutigen Architekten be 
steht zweifellos darin, den Wohnhaustypus zu finden, 
der den gesteigerten Ansprüchen des modernen Lebens 
genügt und zugleich ästhetisch befriedigt. Was bis jetzt 
auf diesem Gebiet geschaffen wurde, kann nur teilweise 
und nur in Ausnahmefällen befriedigen. Erst wenn die 
Durchschnittsleistungen im Hausbau dartun, daß die 
künstlerischen Kräfte der Baumeister den vorhandenen 
Mitteln entsprechen, werden wir jene Kultur im Haus 
bau und häuslichen Leben wieder besitzen, die Grund 
bedingung jeder künstlerischen Kultur ist, einst unser 
war, aber verloren ging und nur mit Hilfe der Werke 
unsrer Vorfahren wiedergewonnen werden kann. Jeder 
Bruch mit der Tradition ist auf allen künstlerischen 
Gebieten mit einer Einbuße an formaler Schönheit ver 
bunden. Wir müssen uns daher an Vergangenes zurtick- 
erinnern, müssen, wie Muthesius ungemein prägnant sich 
ausdrückt, statt einer stilgerechten wieder eine bau 
gerechte Behandlung anstreben und diese uns entfremdete 
Kunst an den vorhandenen alten Bauten studieren. Dazu 
sind weniger anerkannte Meisterwerke geeignet, sondern 
vor allem jene schlichten, unbedeutenden Häuser, die in 
unscheinbarem Gewände doch beredte Kunde geben von 
dem Anpassen an den Charakter, die Lebensgewohn 
heiten und Bedingungen ihrer bürgerlichen Bewohner. 
Solch einfache Wohnhäuser verkörpern aufs lebensvollste 
den Schweizer, der in ihnen haust. In sorgfältiger, 
handwerklich sauberer Arbeit sind sie erstellt ohne 
Prahlen mit Können und Wissen, ohne Schwelgen in 
Landgut „Sandgrub“ an der Riehenstraße in Basel
	        
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