9. Januar 1909
BAUZEITUNG
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Abb. 16
Straßenseite
Abb. 15
Seitenfassacle
Einfamilienhaus
waltenden Gemeinde — willkommenen Anlaß geben, auf
entsprechenden Ersatz bedacht zu sein. Mit dem während
des heißen Kampfes um die Lösung der Theaterfrage
betriebenen einfachen Aufzählen der der Axt verfallenen
ehrwürdigen Bäume allein ist es nicht getan.
Scliiffszug und Minimalfrachtsatz auf
dem zu kanalisierenden Neckar
Unter obigem Titel veröffentlichte kürzlich die Zeit
schrift für Binnenschiffahrt eine Studie des Reederei-
direktors Schleicher-Heilbronn, in der die für den zu
kanalisierenden Neckar in Betracht kommenden Beför
derungssysteme besprochen und die diesbezüglichen Be
triebskosten berechnet werden. In der Einleitung kommt
der Verfasser auf das erste Gutachten des Bauamtmanns
Specht vom Jahr 1908 zu sprechen, in dem nur der
Betrieb mittels Schraubendampfern behandelt wurde, und
erörtert dann die Aussichten des elektrischen Schiffs
zuges, der schon in der Denkschrift des Komitees für
die Hebung der Neckarschiffahrt vom Jahr 1900 ins
Auge gefaßt wurde (S. 100). Die Ergebnisse der Schlepp
versuche mit elektrischen Treidellokomotiven auf dem
Teltowkanal bei Berlin werden in eingehender Weise
vorgeführt. Die wirtschaftliche Fahrgeschwindigkeit der
Schiffe wurde dort zu 4—5 km in der Stunde bei einem
Wirkungsgrad von 65% der Lokomotiven gefunden.
Für einen geregelten Verkehr auf dem Neckarkanal
müßte auf jedem Neckarufer ein Gleis eingerichtet werden,
da das Auswechseln der Treidelseile beim Begegnen
zweier Schleppzüge ziemlich zeitraubend und umständlich
ist. Da nun diese Gleise für die Lokomotive möglichst
nahe au den Fahrweg bzw. an das Ufer gelegt werden
müssen, so kommt als Unterbau dafür der vorhandene
Leinpfad nur stellenweise in Betracht. Jedenfalls muß
er bei Benutzung verbreitert und höher gelegt werden;
ganz erhebliche Dammbauten werden also für die Schienen
gleise erforderlich werden. Mit Rücksicht auf diese
schwierigen Verhältnisse schätzt der Verfasser auf Grund
der Berechnungen der Schuckertwerke - Berlin die Bau
kosten für 1 km Kanallänge einschließlich der Aufwen
dungen für die elektrischen Zentralstationen an den
Gefällstufen, für die Gleis- und Leitungsanlagen sowie
das rollende Material auf 90 000 M. Die Baukosten des
elektrischen Schiffzugs für die 115 km lange Flußstrecke
Mannheim—Heilbronn würden demnach einen Aufwand
von 10,35 Millionen Mark erfordern. Da jedoch die
elektrischen Zentralen nur zum kleinsten Teil für den
elektrischen Schiffszug in Anspruch genommen werden
und also für die Industrie, Gemeinden u. s. w. zur Ver
fügung stehen, ist von obigen Baukosten der Betrag von
2 Millionen Mark abgesetzt worden.
Den Berechnungen für die Betriebskosten, die sich
aus den Stromkosten bzw. Brennstoffkosten, den Kosten
für Betriebsmaterial, dem Lohn für Bedienungsmann
schaft, den Reparaturkosten und den Abschreibungen
zusammensetzen, sind zugrunde gelegt: eine mittlere
sekundliche Stromgeschwiudigkeit von 0,5 m, 4,5 km
stündliche Fahrgeschwindigkeit, 300 Arbeitstage von je
zwölf Stunden sowie 185000 t Bergverkehr und 195000 t
Talverkehr, also 380 000 t anfänglicher Jahresverkehr.
Für den elektrischen Schiffszug wird für eine Reise Heil
bronn—Mannheim und zurück eine Reisedauer von fünf
Tagen und die Anzahl der Reisen im Jahre zu 60 be
rechnet. Die Treidellokomotive von 30 Pferden Leistungs
fähigkeit müßte zwei beladene 600-t-Kähne schleppen
können. Für den obengenannten Jahresverkehr wären
dann sieben Lokomotiven (zwei in Reserve) erforderlich.
Die jährlichen Betriebskosten (ohne Verwaltungskosten
und Unternehmergewinn) belaufen sich auf 467 700 M.,
somit pro Tonnenkilometer auf 1,07 Pf. Wenn man sich
für den Anfang mit dem Betriebe auf einer Kanalseite
begnügt, so müßte man einige Lokomotiven mehr ein
stellen, da der Betrieb verlangsamt wird. Die Betriebs
kosten betragen in diesem Falle 264800 M., somit 0,60 Pf.
pro Tonnenkilometer. Der Schiffszug mittels Schrauben
dampfern hat bei künstlich angelegten Kanälen den
Nachteil, daß durch die Wellenbildungen eine Beschä
digung der Sohle und Ufer verursacht wird. Dieser
Nachteil kommt bei dem standfesten Neckarbett kaum
in Frage. Ein Schleppdampfer mit 72 Pferden Leistung,
der ca. 14,5 m Länge und 3,7 m Breite hat, könnte rund
56 Reisen im Jahre ausführen. Die jährlichen Betriebs
kosten für sieben Dampfer (einer in Reserve) würden sich
auf 88 300 M., somit pro Tonnenkilometer auf 0,202 Pf.
stellen.
Für die Beförderung der Güter mittels Selbst- oder
Einzelfahrern (Motorkähnen), wie sie seit vielen Jahren
bei dem Verkehr zwischen Elbe und Oder (Finowkanal)
benutzt werden, liegt der Vorteil darin, daß diese Motor
kähne unabhängig von jeder Schleppkraft die verschiedenen
Ladestellen aufsuchen und nach erfolgter Beladung die
Reise sofort wieder antreten können. Als Nachteil ist
der kostspielige Aufwand für Maschine und Kessel an
zusehen, die während des Stilliegens nicht genügend aus
genutzt werden können. Der Fall, daß der Einzelfahrer
nur auf dem Neckarkanal verkehrt, wird wegen der er
forderlichen unwirtschaftlichen Umladung in Mannheim
kaum in Betracht kommen. Für den Fall, daß er mit
600 t Tragfähigkeit nur bis zur Rheinmündung fährt und
auf dem Rhein geschleppt wird, ergibt sich eine Motor
stärke von 43 Pferden. Solche Kähne würden im Jahre
zehn Reisen ausführen können, so daß 35 Fahrzeuge (drei
in Reserve) erforderlich würden. Die Betriebskosten
stellen sich hierbei auf 160400 M., somit pro Tonnen
kilometer auf 0,367 Pf.
Billiger im Betriebe sind die Sauggasmotoren.
Obwohl noch nicht so große Betriebsicherheit vorhanden
ist, werden sie heute schon oft mit gutem Erfolg ange
wandt. Bei Verwendung von Braunkohlenbriketts be
tragen hier die stündlichen Brennstoffkosteu 0,80 Pf. pro