31. Juli 1909
BAUZEITÜNÜ
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Hygieia-Brunnen in Karlsruhe
bringende Wasser spendet sie aus einer in der
rechten Hand gehaltenen Schlange und aus einem
Kruge in der linken Hand an zwei Knaben, die
etwas tiefer zu beiden Seiten stehen. Der eine läßt
sich das Wasser in eine dargereichte Schale gießen,
während der andre mit seitwärts gerichtetem Kopfe
das Wasser auf den Rücken fließen läßt. Der die
Hygieia und die beiden Knaben tragende zwei
teilige Unterbau, auf dessen Vorderseite in goldener
Schrift zu lesen ist: „Fließe rein und hell. Der
Gesundheit Quell“ und auf dessen Rückseite: „Gib
den Starken Mut, Kranken frisches Blut“ wird an
den vier Kanten gestützt von Fischreihern und unten
umsäumt von zwölf Fischköpfen. Diese Tiere speien
Wasser in dünnen und in fächerförmigen Strahlen
in eine Schale von 4 m Durchmesser. Auf dem
Rande der Schale sitzen in verschiedenen Stellungen
zwei Knaben und zwei Mädchen, die in engste Be
ziehung gebracht sind zur Hauptfigur und so in
idealer Weise den Vorgang im Innern des Bades
verkörpern. Die Schale wird getragen von einer
aus dem Achteck ins Viereck auslaufenden Archi
tektur. An den Ecken dieser Architektur schauen
vier verschieden gestaltete Seetiere hervor. Die
Zwischenräume werden durch ein Ornament von
Polypen ausgefüllt. Aus acht Oeffnungen der Schale
fällt das Wasser in breiter Masse in das Sammel
becken herab. Damit vereinigt sich in bogenförmigen
Strahlen das Wasser der Seetiere. Den Boden des
Sammelbeckens bedeckt ein Glasmosaik von dunkel
grüner Farbe mit Geldeinlagen. Eingefaßt wird
das Becken von poliertem dunkeim Granit, der auch
das Material ergibt zu der breiten, sich anschließen
den Stufe. Diese führt über zu einem das Ganze
umgebenden Mosaikpflaster.
Die Ausführung des Brunnens erfolgte durch
die Kunstabteilung der Württ. Metallwarenfabrik,
Geislingen-St. in Hohlgalvanoplastik. Nach diesem Ver
fahren wurden schon im Jahre 1858 die drei großen Figuren
des Gutenbergdenkmals in Frankfurt a. M. ausgeführt,
welche sich in diesen 60 Jahren tadellos gehalten haben.
Von der genannten Fabrik wurde das Verfahren seit
20 Jahren zu hoher Vollkommenheit entwickelt und eine
große Anzahl bedeutender Arbeiten darin ausgeführt.
Die Galvanoplastik ist nun imstande, die größten Auf
gaben auf dem Gebiete der Monumentalplastik zu lösen.
So ist zum Beispiel die fast 4 m große Brunnenschale
in einem Stück in Kupferniederschlag in einer Kupfer
stärke von 5 mm hergestellt worden, eine Leistung,
welche bisher wohl noch niemals in Galvanoplastik er
reicht worden ist. Der besondere Vorzug des galvano
plastischen Verfahrens, die außerordentlich getreue
Wiedergabe der Modelle, wurde von dem Künstler, Bild
hauer Hirt, mit den Worten anerkannt; „Ich wage zu
behaupten, daß es wohl in keinem andern Verfahren ge
lungen wäre, die Handschrift des Künstlers in gleicher
Weise wiederzugeben, als dies durch Ihr Verfahren in
künstlerischer Art geschehen ist.“
Außer der Württ. Metallwarenfabrik waren haupt
sächlich noch folgende Firmen an der Errichtung des
Brunnens beteiligt: W. Donecker-Karlsruhe (Betonunter
bau, Zuleitung und Abwässerung), K. Gößel-Karlsruhe
(Steineinfassung des Brunneubeckens), Offenburger Glas
mosaikwerke in Offenburg (Glasraosaikbelag).
Vom Verband hessischer Privat-
architekten
Die so vielfach beklagten Beschwerden des freien
Architektenstandes haben die im Großherzogtum Hessen
ansässigen Privatarchitekten zur Gründung eines Ver
bandes veranlaßt, der dem einzelnen bei allen beruflichen
Fragen und Klagen ein starker Rückhalt sein soll. Die
verständige Organisation und das zielbewußte Vorgehen
des an Mitgliederzahl bereits recht ansehnlichen Verbandes
läßt erwarten, daß er für die freie Erhaltung der Baukunst
im Lande segensreich wirken wird. Die hierarchische Or
ganisation des Bauwesens in Hessen hat bisher den
tüchtigen unter den unabhängigen Architekten allzusehr
die Hände gebunden und den freien Wettbewerb der
Kräfte gehindert. Im Bauwesen auf dem Lande hat die
Konkurrenz von einzelnen untergeordneten Staatsbau
beamten noch bis in die neueste Zeit hinein trotz aller
Kunstschutzgesetze künstlerisch recht viele bedenkliche
Leistungen hervorgebracht. Die gewiß lobenswerten Lei
stungen bei solchen Arbeiten, bei denen verhältnismäßig
hohe Beträge für die künstlerische Ausbildung zur Ver
fügung standen, können nicht über diese Mängel hinweg
helfen. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß ein freier
Wettbewerb der im Lande vorhandenen künstlerischen
Kräfte namentlich auch bei den städtischen Bauten, bei
den Bauten der Landgemeinden, bei Kirchenbauten u. s. w.
in jeder Beziehung günstig wirken müßte.
Nicht zuletzt auch günstig in bezug auf die zweck
mäßigere Anwendung der Baukosten; denn der in der
Privatpraxis geschulte Baumeister hat meist viel mehr
Gelegenheit, sorgfältiges und weises Abwägen der Mittel
zu üben und kennen zu lernen, weil er auch die volle
Verantwortung persönlich zu tragen hat. Einen schönen
Erfolg hat die Ortsgruppe Offenbach des jungen Ver
bandes bereits in dieser Hinsicht erreicht, indem auf ihre
Eingabe hin die Stadtverwaltung zwei Privatarchitekten
beauftragte, einen amtlichen Entwurf zu einem großen
Krankenhaus zu begutachten und Vorschläge zur Ver
besserung des Entwurfs und zur sparsameren Gestaltung
der Ausführung zu machen. Es kann für alle Teile nur
segensreich sein, wenn auf solche Weise die künstlerische