Stuttgart, 14. August 1909
luhalt: Rathaus für Gönningen. — Die ästhetische Ausbildung der Ingenieurbauten. — Vornahme der
Bausohau in den Staatsgebäuden unter Beiziehung des betreffenden Bauwerkmeisters. — Feuersichere
Umschließung des Pachraumes. — Erschwerte Baukontrolle. — Vereinsmitteilungen. — Wettbewerbe.
Bautechnisohe Rundschau. — Kleine Mitteilungen. — Personalien. — Bücher. — Briefkasten.
llatliaus für Grönniugen
Das alte, einfache Gönuinger Rathaus genügt den
modernen Ansprüchen nicht mehr und soll durch ein
neues ersetzt werden, welches auf demselben Platz wieder
erstellt wird. Der jetzige Marktplatz bietet mit dem über
ragenden Kirchturm in der Mitte ein malerisches Bild,
von dem wir nachstehend eine Abbildung bringen. Um
geeignete Entwürfe für die
Errichtung des Neubaues
zu gewinnen, schrieb die
Gemeinde Gönningen unter
fünf Architektenfirmen eine
engere Konkurrenz aus, bei
welcher als Preisrichter unter
andern als Fachleute Direk
tor Prof. Schmohl-Stuttgart,
Regierungsbaumeister Fran
kel-Ludwigsburg und Ober
amtsbaumeister Schinle-Tü-
bingen fungierten. Nach ein
gehender örtlicher Besichti
gung sprach sich das Preis
gericht dahin aus, daß das
schöne alte Bild des Markt
platzeserhaltenbleibenmüsse
und das neue Rathaus mög
lichst in Stellung, Schlichtheit
und Massenentwicklung des
früheren Gebäudes zu er
richten sei. Eine reichere
Gruppierung des Neubaues schien an diesem Platze un
angebracht. In diesem Sinne wurden die eingegangenen
zehn Arbeiten geprüft. Das Bauprogramm hatte folgen
den Raumbedarf angegeben;
1 Schultheißenzimmer mit ca. 32—36 qm Grundfläche,
1 Gehilfenzimmer ,, „ 18 — 20 „ ,,
1 Registratur „ „ 28—35 „ „
1 Grundbuchzimmer „ „ 30—35 „ „
1 Gemeindepflegezimmer „ „ 18—20 „ „
1 Geometerzimmer
l Warteraum
1 Wachtstube für Polizei
1 Gemeindemagazin
1 Feuerwehrmagazin
2 Arrestlokale
Marktplatz Gönningen
mit ca. 12—15 qm Grundfläche,
„ „ 18—20 „ „
20-25 „
25-30 „
„ 70-80 „
je 8-10 „
1 Sitzungssaal, zugleich Bür
gersaal, nicht unter 70 qm,
1 kleineres Sitzungszimmer,
nicht unter 40 qm, sowie
die erforderlichen Neben
gelasse.
Die Baukosten sollten
55000 M. inklusive Bau
führung und Architekten
honorar nicht überschreiten.
Die sämtlichen drei
Preise erhielten die Archi
tekten Klatte & Weigle
in Stuttgart, denen auch
die Ausführung übertragen
wurde.
Die preisgekrönten Ar
beiten zeigen interessante
Lösungen für ein ländliches
Rathaus und dürften für
ähnliche Fälle gute Vor
bilder geben. Es wäre zu
wünschen, daß auch ander
wärts die Landgemeinden Wert darauf legen, daß
ihre reizvollen Straßenbilder erhalten bleiben und
nicht durch öde und geschmacklose Schul- u. s. w.
Bauten zerstört werden. Sollen doch die Gebäude,
die der Allgemeinheit zugänglich sind, wie Kirchen,
Rathäuser, Gemeindehäuser und Schulen, in erster
Linie mit hinwirken, daß wieder ein gesunder Sinn für
ländliche Baukunst unter der Bevölkerung geweckt
werde.
Bisheriger Zustand
Die ästhetische Ausbildung- der Ingenieurbauten
Auf der jüngsten Hauptversammlung des Vereins
Deutscher Ingenieure zu Wiesbaden und Mainz ist das
vorstehende Thema eingehend behandelt worden, und
zwar von beiden Standpunkten, von dem des Architekten
und dem des Ingenieurs. Es verlohnt sich, bei der Wich
tigkeit des Gegenstandes beide Darlegungen zur Kennt
nis zu bringen.
Kein Geringerer als Geh. Regierungsrat Dr.-Ing. Mu-
thesius nahm als Architekt das Wort, indem er einleitend
auf die Geschichte derFormenentwicklung architektonischen
und technischen Gestaltens verwies und ausführte, daß die
richtige Form für einen auftauchenden neuen Gedanken
stets erst nach Ablauf einer gewissen Entwicklung ge
funden wird. Die Anfangsgestalt schließt sich der uns