FÜR WÜRTTEMBERG
BADEN HESSEN EL
SAS S - LOTHRINGEN
Stuttgart, 11. September 1909
Inhalt: Die Entstellung des platten Landes. — Verband Deutscher Architekten- und Ingeuieurvereine. —
Die Verwertung gewerblicher Sehutzrechte. — Die neue Bauordnung in der Ersten Kammer. — Wett
bewerbe. — Kleine Mitteilungen. — Personalien. — Bücher. — Briefkasten.
Alle Rechte Vorbehalten
Die Entstellung des platten Landes
Das lobenswerte Bestreben, die Straßen-, Stadt- und
Landschaftsbilder in ihrem ursprünglichen Charakter zu
erhalten und vor Verstümmelung und Verunstaltung zu
bewahren, hat in neuerer Zeit durch Erlaß gesetzlicher
Bestimmungen wie durch die unaufhörlichen Bemühungen
der Vereine für Denkmal- und Heimatschutz und der
sich bereitwillig in ihren Dienst stellenden Presse, eine
wesentliche Unterstützung und Förderung erfahren. Die
Anschauung, statt aufdringlicher, unschöner und fremd
artiger Neubauten schlichte, gediegene und bei aller Ein
fachheit doch künstlerisch und ästhetisch wirkende Bau
werke zu schaffen, findet immer mehr Gläubige selbst in
den Kreisen, die sich bisher mit Hand und Fuß dagegen
wehrten. Und doch stößt man heute noch an vielen
Orten auf neuerstellte Häuser, die an geschmackloser
Form und überladenem Aufputz das Unglaublichste leisten
und in ihrer einfachen malerischen Umgebung geradezu
häßlich berühren. Vor solchen Auswüchsen einer unver
nünftigen Bauerei kann nicht nachdrücklich genug gewarnt
werden und es dürfte verdienstlich sein, durch Gegenüber
stellung von schönen und unschönen Bauten die Gegen
sätze sprechen zu lassen. Durch das Entgegenkommen
des „Kunstwart“-Verlags sind wir heute imstande, eine
Reihe von Abbildungen zu veröffentlichen, die das Land,
wie wir es von unsern Vorfahren überkamen, und das
Land, das wir daraus gemacht haben, anschaulich neben
einander zeigen sollen.
Wenn die Häuser, die in der Zeit von 1870 bis 1900
gebaut sind, in ihrer Mode wechseln, so daß man fast
die Jahreszahl der Erbauung erraten kann, so zeigen
uns die Reste unsrer wirklichen Kultur ein weit größeres
Beharren. Aber nicht etwa Einförmigkeit — im Gegen
teil, der Phantasiereichtum bei ihnen ist so außerordent
lich groß, daß beinahe jedes Haus ein andres Gesicht
hat: Man betrachte nur Abb. 1. Hat das Haus nicht
ein breites, gutes, ehrliches Gesicht: es ist ein ganz ein-