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BAUZBITUNG
Nr. 42
Speisesaal mit Nebenzimmer und Anrichte. In dem
besonderen Küchenanbau sind Küche und Speisekammer
untergebracht, darüber im oberen Stock die Dienstboten
räume und Zimmer für die Hausmutter mit Bad und
besonderer Treppe. Alle Lieferungen für die Küche
können direkt abgegeben werden. Ein von dem Speise
saal zugänglicher verglaster Wandelgang bildet vorläufig
einen freundlichen Aufenthaltsraum nach den Mahlzeiten
und später den Uebergang nach einem weiteren Bauteil.
Garderobe und Aborte liegen in unmittelbarer Nähe des
Eingangs und der Treppe; unter letzterer führt ein
Ausgang in den hinteren Hof.
Im ersten Obergeschoß befindet sich die Wohnung des
Direktors mit sieben Zimmern, Küche, Bad und Speise
kammer sowie Mädchenkammer. Eventuell läßt sich die
Wohnung später verkleinern. Eine. Anzahl Zimmer für
Studenten schließt sich an.
Das zweite Obergeschoß enthält lediglich Zimmer für
Studenten nebst Bad und den erforderlichen Aborten.
Im Dachstock liegen noch weitere Zimmer für Studen
ten, auch ist hier ein schönes Musikzimmer untergebracht.
Ferner sind die nötigen Putz- und Wäschekammern,
Trockenboden u. s. w. reichlich vorhanden.
Im Untergeschoß liegen die Bäume für Kohlen und
Heizung, Vorräte, Waschküche und Bügelzimmer, sowie
Wirtschaftskeller. Die Küche besitzt einen Kohlenaufzug
zur Erleichterung des Betriebes.
Es sind im ganzen 33 Zimmer für Studenten im Hause
untergebracht worden. Dieselben haben eine Breite von
je 3,40 m bei 5,00 m Länge; die Größe ist von Tübinger
Studierenden der Medizin als ausreichend anerkannt.
Die Etagenhöhen sind folgende; Untergeschoß 3,00 m,
Erdgeschoß 3,80 m, erstes Obergeschoß 3,50 m, zweites
Obergeschoß 3,30 m, alles von Oberkante zu Oberkante
Fußboden gerechnet.
Die Ausstattung des Hauses ist in jeder Beziehung
praktisch, einfach und gediegen. Wegen der beschränkten
Mittel stand den Architekten zur Erreichung gefälliger
Innenräume nur die Wirkung der guten Baum Verhält
nisse und freundlicher Farhstimmung zu Gebote. Der
Bibliothekraum insbesondere konnte durch die gegebene
Yertäferung — Bücherschränke — intim gestaltet werden.
Der hell gehaltene Speisesaal zeigt eine Yertäferung mit
reich geadertem Pitchpine. Die Wohnhalle ist in
aparten, dunkelvioletten Farben eigenartig gestimmt,
die blanken Beleuchtungskörper kommen in feiner Weise
zur Geltung.
In dem Flur des Erdgeschosses wurde für ausreichende
Garderobegelegenheit gesorgt. Die Zimmer für Stu
dierende sind freundlich ausgestattet und sämtlich mit
Zentralheizung und Gasbeleuchtung versehen. Die Aborte,
welche Wasserklosetts besitzen und mit Plättchen ver
kleidet wurden, haben besondere Lüftungseinrichtungen.
Ebenso wurden für die Säle und Küche besondere Abluft
kanäle angelegt, deren Saugwirkung durch eingelegte
Dampfheizkörper beschleunigt werden kann.
In allen Bäumen ist Germania-Linoleum auf Stein
holz- oder Gipsestrich-Unterboden verlegt worden.
Das Aeußere ist in einfachen Formen gehalten, welche
an die der alten Tübinger Bauten, wie Aula u. s. w., an
klingen. Es wurde versucht, den Typus eines „Instituts
gebäudes“ zu treffen und durch großzügige Massenvertei
lung monumental zu wirken.
Der Sockel des Hauses ist von Pfrondorfer Steinen,
die Architekturteile, als Gesimse und Bänke sowie
Portal u. s. w., sind von Dettenhauser Stein hergestellt.
Die Fronten sind naturfarbig mit Diara-Estrichputz rauh
verputzt. Das Dach ist mit roten Biberschwänzen ein
gedeckt und hat eine Blitzableitungsanlage nach System
Findeisen. Die Läden sind in blaugrauem Ton ge
halten. Der am vorderen Eck des Grundstückes
stehende Pavillon ist weiß gestrichen und mit rotem
Buberoid eingedeckt, das sich für derartige Deckungen
vorzüglich eignet.
Das auf dem Grundstück neben dem Institutsgebäude
stehende alte Wohnhaus wurde zu einem Schwestern
heim umgebaut und durch einen Anbau erweitert. Die
architektonische Gestaltung wurde dem Hauptgebäude so
viel als möglich angepaßt.
Wegordimng
Von Hans Yatter
Fast gleichzeitig mit der Einführung der Eisenbahn
ging man daran, die Straßen und Wege zu verbessern.
Viele alte Steigen der Alb und im Schwarzwald, welche
Jahrhunderte den Bedürfnissen genügten, verschwanden
in derZeit des Aufblühens der Eisenbahnen und wurden
durch Kunstbauten ersetzt. Durch die Eisenbahnen
wurden die Anforderungen an die Straßen nicht herab
gesetzt, sondern im Gegenteil erhöht.
Man will heute in jeder Gemeinde einen gut ange
legten und unterhaltenen Verbindungsweg zur Bahnstation
haben. Mit den größeren Anforderungen, die man nun
mehr an die Verkehrswege stellte, wuchsen auch die
Ausgaben. So stehen heute die Ausgaben für Wege in
den Gemeindeetats in vorderster Beihe. Wenn daher
von vielen Gemeinden der Wunsch geäußert wird, der
Staat solle alle Straßen in Unterhaltung nehmen, so steht
hier die finanzielle Not vorne an. Aber nicht allein dies,
sondern auch der Umstand, daß das Verteiiungssystem
oft ungerecht wirkt, lassen eine gewisse Unzufriedenheit
mit der bestehenden Wegordnung aufkommen.
Während manche Gemeinden in der glücklichen Lage
sind, eine Staatsstraße zu besitzen, müssen andre oft
mit bedeutendem Aufwand Straßen unterhalten, von
welchen sie nur einen ganz geringen Nutzen haben.
Gerade in dieser Beziehung hat die Ausdehnung des
Eisenbahnnetzes wesentliche Verschiebungen in den Weg
lasten zur Folge gehabt. Man will heutzutage jeden ein
zelnen Ort von der Bahn aus auf einer gut unterhaltenen
Straße erreichen können. Ist dies nicht der Fall, so
sind ständige Klagen von Fußgängern, Badfahrern, Fuhr
werkbesitzern an der Tagesordnung.
Es ist nun nicht anzunehmen, daß die neue Wegord
nung versucht, den größeren Teil der Vizinalstraßen in
die Unterhaltung des Staates zu bringen. Viele gehen
mit ihren Wünschen gar so weit, sämtliche Ettersstraßen
an den Staat abzugeben. Manch wichtiger Straßenzug
wird geeignet sein, in die Unterhaltung des Staates ge
nommen zu werden, und hat schließlich auch die Be
rechtigung so gut als wie andre bestehende Staatsstraßen,
dagegen wird der große Teil der Vizinalstraßen wie seither
zu unterhalten sein, mit entsprechenden Staatszuschüssen.
Die neue Wegordnung kann dagegen auf die Unter
haltung der Straßen und auch auf die gerechte Ver
teilung der Unterhaltungskosten unter den Gemeinden
von wichtigem Einfluß sein. Bei der Verteilung der
Unterhaltungskosten sollte die Markungsgrenze keinen
so ausschlaggebenden Einfluß ausüben. Der Verkehr und
die Nützlichkeit eines Weges für eine Gemeinde sollten
mitbestimmend sein.
Es ist zum Beispiel für eine Gemeinde mißlich, wenn
sie für eine andre Gemeinde mit großen Kosten einen
stark benutzten Zufahrtsweg zu einer Bahnstation zu
unterhalten hat, ohne selbst davon einen Nutzen zu haben.
Die Verteilung der Weglasten unter den Gemeinden
und die Höhe der Staatsbeiträge werden bei der neuen
Wegordnung eine wichtige Bolle spielen müssen.
Die alte Wegordnung macht für den Unterhaltungs
zustand von Straßen den Ortsvorsteher verantwortlich.
Diese Verantwortung wird vielfach leicht genommen in
ländlichen Gemeinden. Die Wegunterhaltung liegt oft