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BAUZBITUNO
Nr. 49
Lagerhaus in Kirchheini u. T.
(Projekt)
Architekt Ad. Retter-Stuttgart
hof. Zwischen Herrenberg und Tübingen ist im ganzen
ein Höhenunterschied von 110 m zu überwinden, wobei
die größte vorkommende Steigung 1 : 80 beträgt. Von
dem Bahnhof Herrenberg aus, der eine bedeutende Er
weiterung erfahren hat, gewinnt die Bahn mittels eines
Bogens das obere Ammertal und folgt nun demselben
an Gültstein vorbei bis nach Altingen; hier wird, um
die Ortschaft Entringen zu erreichen, das Ammertal ver
lassen und ein großer Umweg nach Nordost ausgeführt;
erst bei der Station Pfäffingen erreicht die Bahn wieder
das Ammertal, geht nun in demselben vorbei an Unter
jesingen bis nach dem neuen Tübinger Westbahnhof
weiter, biegt unter dem Ammerkanal hindurch nach dem
Schloßberg um, durchschneidet diesen in einem 290 m
langen Tunnel, unterfährt jenseits die Tübinger Neckar
halde, kreuzt sodaun den Neckar und wird über das
Gelände der früheren Badschüssel hinweg zunächst vor
läufig in den Hauptbahnhof Tübingen eingeführt. Während
die Teilstrecke Herrenherg—Pfäffingen, bei welcher die
Untergrundverhältnisse nicht ungünstig waren, bereits
am 12. August d. J. in Betrieb genommen werden konnte,
mußte die für Dezember vorgesehene Eröffnung der Strecke
von Pfäffingen bis Tübingen-Westbahnhof verschoben
werden, da sich hier infolge des nassen und schlammigen
bis zu 15 m tiefen Moorgrunds mehrfach Rutschungen
gezeigt haben. In der Tunnelstrecke wurde, da genügend
Zeit zur Verfügung
stand, zunächst ein voll
ständiger Sohlstollen
ausgeführt, der im
Januar 1908 begonnen
und im Juni desselben
Jahres fertiggestellt
worden ist, und im
ganzen 130 Arbeitstage
erforderte. Die Stollen
länge betrug 330 m,
die tägliche Leistung
bei Tag- und Nacht
betrieb und 20 Arbeits-
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stunden durchschnittlich 2,5 laufende Meter. Beim
Yollausbruch, der mit der Ausmauerung neun Monate
dauerte, war teilweise ein ziemlich starker Wasser
andrang zu bewältigen; die Ausmauerung geschah in
den Widerlagern durch Stampfbeton 1:10, im Ge
wölbe mit Betonsteinen 1:8, die fertig versetzt
wurden und eine rasche Verarbeitung zuließen. Unter
der Neckarhalde konnte das Tunnelgewölbe nicht fort
geführt werden, vielmehr mußte man hier wegen der
beschränkten Höhe zu einer Eisenbetondecke greifen.
Die beiden Portale sind in Beton ausgeführt und von
Architekt M. Elsäßer entworfen. Die reinen Baukosten
des Tunnels betragen 280000 M., die Baukosten der
ganzen Bahn ohne Betriebsmittel und Grunderwerb
3300000 M. oder auf den Kilometer rund 150 000 M.
Ueher die an den Tunnel anschließende Neckarbrücke
sprach sodann Abteilungsingenieur Schächterle. Nach
lehrreichen Ausführungen über die Entwicklung des Eisen
betonbrückenbaus bei der Württ. Eisenbahnverwaltung
wurde die Brücke selbst behandelt, die aus zwei Bögen
von je 34 m lichter Weite besteht. Die Gründung der
drei Pfeiler erfolgte in einer Tiefe von 6 bis 7 m unter
Geländeoberfläche. Die beiden Bögen sind je in zwei
Gewölberippen aufgelöst, die eine zwischengelegte Eahr-
bahnplatte tragen. Die Brücke besitzt drei Gelenke aus
Stahl, deren Druck durch spiralförmige Eiseneinlagen
auf die beiden Ge-
wölhebögen übertragen
wird. Die größten
Randspannungen be
tragen 31 bis 34kg/qcm,
der größte Druck in der
Scheitelfuge 80 kg/qcm,
dabei sind die Gewöl
bestärken im Scheitel
1,06, im Kämpfer 1,20
und im Bogenviertel
1,33 m. Die Berech
nung stammt von Prof.
Mörsch, dieAusführung