Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1909)

11. Dezember 1909 
BAU2EITUNÖ 
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den Stil Ludwigs XVI. anklingt und oben durch ein 
gewaltiges, mit Schiefer abged’ecktes Mansardendach ge 
krönt ist. Die Mauerflächen sind, der Bedeutung des 
Gebäudes entsprechend, aus unserm rühmlicbst be 
kannten Maulbronner Haustein erstellt und machen einen 
überaus vornehmen Eindruck. lieber einem kräftigen 
Sockelgeschoß, das breite Korbbogenfenster enthält, folgen 
zwei Stockwerke mit je fünf Fenstern. Die letzteren 
sind durch zwischengelegte Lisenenstreifeu voneinander 
getrennt und in ihren Füllungen durch Blumengehänge 
sowie Stabbündel mit Bändern verziert. Die Fenster 
haben keine vollständigen Umrahmungen, sondern werden 
bloß durch santt geschwungene Fensterbänke, die mit 
Flachornamenten geschmückt sind, hervorgehoben. Das 
Dachgosims springt stark vor und ist nach unten mit 
Kassetten versehen. Auf beiden Seiten des Hauses sind 
zwei gleichgehaltene dreifenstrige Giebelaufbauten an 
geordnet, die in ihren dreieckigen Feldern über den 
Fenstern reichen Bildhauerschmuck tragen und nach der 
Calwerstraße zu ein Medaillon mit dem Kopf des 
Königs, nach der Lindenstraße das württembergische 
Wappen enthalten. Darüber finden sich je fünf Lüf- 
tungsöffnungen, die mit geschwungener Trauflinie an die 
Dachfläche anschließen und zur Belebung der letzteren 
beitragen. Außerdem wird das Dach noch durch zwei 
stattliche Kamine unterbrochen, die mit reich ausgebil 
detem Kaminkopf verziert sind. — Der Verein sammelte 
sich unter zahlreicher Damenbeteiligung gegen 10 Uhr 
vor dem Haupteingang in der Lindenstraße, worauf in 
der Vorhalle die Begrüßung durch Baurat Lambert er 
folgte. Daran schloß sich in zwei Gruppen, geführt 
durch die beiden Herren Lambert und Stahl, die Be 
sichtigung des Gebäudes an. Die Eingangshalle macht 
in ihrer Hausteiuverkleidung aus gelblichen Quadern von 
Klingenmünster mit Gohlfugen, ihrer reich gegliederten 
Decke sowie dem prächtigen Fußboden aus Marmorplatten 
einen überaus gediegenen Eindruck und weist durch 
diese vornehme Ausstattung auf die hohe Bedeutung des 
Hauses hin. Im Anschluß an die Vorhalle finden sich 
im Erdgeschoß Geschäftsräumlichkeiten. Der Treppen 
aufgang wird von einem mächtigen Löwen bewacht, der 
gleich dem am oberen Ende der Treppe angebrachten 
andern württembergischen Wappentier, einem gewaltigen, 
natui getreu dargestellten Hirsch mit bronzenem Geweih, 
von dem aus Murrhardt gebürtigen, in München leben 
den Bildhauer Willy Zügel stammt. Das ganze Treppen 
haus ist in gleicher Weise wie die Vorhalle in Haustein 
mit vergoldeten Fugen ausgeführt; die Brüstung der 
Treppe besteht aus hochkantig gestellten Platten und 
erhöht damit den Eindruck des Gediegenen. Im ersten 
Stock, gleich rechter Hand neben dem Treppenende, be 
findet sich ein Vorraum, der mit seiner behaglichen Aus 
stattung zur Erholung der Abgeordneten dient Dieses 
Zimmer hat eine prachtvolle Wandverkleidung in Maha 
goni, graue Ledersessel und -bänke sowie Tische mit 
Marmorplatten; vor allem ist aber ein prachtvolles Kamin 
erwähnenswert, das in duukelm Marmor und in Bronze 
ausgeführt ist. Der Sitzungssaal, in den man von diesem 
Vorraum aus eintritt, ist in dunkeim Farbeuton gehalten. 
Die Sitze der Abgeordneten steigen in fünf leicht ge 
rundeten Reihen nach hinten an und sind in ihrer Einzel 
ausgestaltung nach den eignen Wünschen der Abgeord 
neten angefertigt. Gegenüber an der Wand nach der 
Lindenstraße ist der durch Schranken gegen den Saal 
abgeteilte und entsprechend erhöhte Platz des Präsidiums 
mit dem Tisch der Minister, des Präsidenten und der 
beiden Vizepräsidenten sowie in den Ecken den Plätzen 
für die Stenographen und Schriftführer. Hinter dem Sitz des 
Präsidenten befindet sich zwischen je zwei hohen, bis an 
die Decke reichenden Säulen ein von Professor Pleuer 
entworfenes Gemälde, das einen Blick nach dem VVirtem- 
berg mit dem Neckartal im Hintergrund darstellt. Die 
Decke besteht aus Eisenbeton und ist durch zwei mäch 
tige Unterzüge, die von den beiden obengenannten 
Säulen gestützt werden, in drei Felder eingeteilt, deren 
mittleres als Oberlicht ausgebildet ist, während die bei 
den äußeren kassettenartig gestaltet sind; von dem Ober 
licht hängen vier prächtige Kronleuchter herab. Die 
Galerie nimmt beinahe drei Seiten des Saales ein und 
enthält in der Mitte den Zuschauerraum, rechts vom 
Präsidium die Diplomatenloge, links die Journalisten 
tribüne. Außer den beiden genannten Räumen befinden 
sich im ersten Stock des Hauses noch das vorwehm ge 
haltene Präsidentenzimmer sowie Kanzleien. Darüber 
im zweiten Stock sind Zimmer für die Referenten und 
Stenographen, ein größeres Zimmer für Kommissions 
beratungen nebst einem Schreibzimmer für die Presse 
eingerichtet. — Das alte Gebäude kann von dem neuen 
aus durch den obenerwähnten Verbindungsbau an der 
Lindenstraße erreicht und gegen dieses mittels eines 
feuersicheren eisernen Rolladens abgeschlossen werden. 
Auch hier ist verschiedentlich gebaut und manches Un 
zulängliche verbessert worden. Insbesondere hat man 
im ersten Stock ein freundliches Lesezimmer nebst neu 
zeitlich ausgestatteten Waschräumen eingerichtet, wäh 
rend der alte Sitzungssaal der Ersten Kammer durch 
eine Zwischenwand in zwei Teile geteilt worden ist, um 
künftig teils Kommissious-, teils Fraktiouszwecken der 
Zweiten Kammer zu dienen. Nachdem der Verein das 
ganze Gebäude bis zu den im Dachstock untergebrachten, 
behaglich eingerichteten Aufwärterwohnungen, die bei 
mancher der besichtigenden Damen neidische Gefühle 
auslösten, sowie den im offenen Dachraum eingebauten 
Luft- und Heizscbächten besichtigt hatte, trafen die 
beiden Gruppen zum Schluß im Treppenhaus wieder 
zusammen, wobei Baurat Kräutle den führenden Archi 
tekten den verbindlichsten Dank der Teilnehmer und 
deren wärmste Glückwünsche zu dem gelungenen Werk 
aussprach. W. 
Vereinigung ehern. Baugewerkschüler (Hoch 
hau) Darnistadt. Am 5. Dezember fand in Darmstadt, 
Restaurant Kaisersaal, eine sehr gut besuchte Haupt- 
vei Sammlung statt. Als Verfasser der preisgekrönten 
Entwürfe unsrer Friedhofskonkurrenz konnten nach 
folgende Kollegen bekanntgegeben werden: I. Preis 
Alter-Darmstadt, II. Preis Petermann & Maus-Darmstadt- 
Offenbach, III. Preise Jacoby und Weher-Darmstadt-Offen 
bach. Alle eingelaufenen Arbeiten waren durchweg sehr 
gute Leistungen, so daß diese Konkurrenz als unsre beste 
bisher bezeichnet werden kann. Der erste Preis wird 
auf Antrag von Direktor Prof. A.Wienkoop in der „Heimat 
lichen Bauweise“ veröffentlicht werden. Die Vorstands 
wahl wurde auf die im Februar stattfindende General 
versammlung verlegt. Es wurde beschlossen, die Mit 
glieder sollten Entwürfe eines Klischees, passend für 
Postkarten und Kuverts unsrer Vereinigung, bis zum 
5. Januar an den ersten Vorsitzenden einreichen. Die 
Art der Ausführung ist jedem Beteiligten freigestellt; 
ein besonderes Ausschreiben ergeht nicht mehr, auch 
wird für den auszuführenden Entwurf kein Preis bezahlt. 
Die Beurteilung der Entwürfe wird in Händen von 
Direktor Prof. Wienkoop und Architekt Leonh. Schäfer- 
Darmstadt liegen. Zur Versammlung waren noch zwei 
Anträge von mehreren Mitgliedern eingelaufen, über 
welche hier noch nichts mitgeteilt werden soll. Nach 
Schluß der Versammlung fand Besichtigung der neuen 
Baugewerkschule (Entwurf: Direktor Prof. Wienkoop) 
statt, woselbst auch die Friedhofskonkurrenz ausgestellt 
war. — Neu eingetroten Ph. Kindinger-Reichenbach i. 0., 
J. Nüchtern-Oberiugelheim. Mit kollegialem Gruß 
Job. Hammann. 
Frankfurter Architekten- uudlngenieixr-Verein. 
Der Vereins Vorstand besteht im Jahr 1909/10 aus folgen 
den Herren : Versitzender Stadtrat a. D. 0. F. Kölle, Stell-
	        

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