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BAUZBltUNG
Kr. 51
Waisenhaus Straßburg
Ausgeführtes Projekt
tretens der Gebäude aus dem umgebenden Rahmen durch
Gruppierung und Umrisse sowie großzügige Zugänge und
Eingliederung in die Anlagen glücklich zu lösen. So
präsentiert sich das Waisenhaus als stattliches, imposantes
Gebäude mit seinem gewaltigen, dreistöckigen, von einem
Turmaufbau bekrönten Mittelsttick und zwei mächtigen
zurückliegenden Flügeln. Davor gelagert ist auf der einen
Seite das Dienstgebäude des Direktors, auf der andern
das Pförtnerhaus. Das Ganze ist von einer niedrigen
Mauer umgeben, die einen Einblick in die freundlichen
Höfe der Anstalt gewährt. Einen Hof ziert der von
Künstlerhand entworfene Brunnen.
Der Mittelbau umfaßt diejenigen Räume, die von
beiden Geschlechtern gemeinsam benutzt werden; von
den Flügeln dagegen gehört der linke Teil den Knaben,
der rechte den Mädchen. Angenehm fällt die einfache
und übersichtliche Einteilung der Räume auf. Das Erd
geschoß enthält außer einem Festsaal die Speise- und
Tageräume. Im ersten Stock sind die Schlafsäle unter
gebracht, und zwar je fünf in jedem Flügel. Zwischen
zwei Schlafsälen liegen immer zwei Lehrerzimmer, die
mit dem benachbarten Schlafsaal durch eine Tür ver
bunden sind, um die Aufsicht zu erleichtern. Im mitt
leren Gebäude finden sich zwei Musikzimmer, die in
freundlichen Tönen gehalten sind. Auch die Kranken
räume sind hier angeordnet. Sie liegen der Sommer
seite zu. Eine Fenstertür mündet auf einen großen,
allen Krankenzimmern ge
meinsamen Balkon, der Raum
genug bietet zu kurzen Spa
ziergängen der Genesenden,
deren Augen dabei auf die
Farbenpracht eines Blumen
gartens fallen, der sich zu
ihren Füßen ausdehnt. Der
zweite Stock ist dem ersten
in fast allen Teilen nach
gebildet. Im dritten befindet
sich ein luftiger Zeichen
saal und ein geräumiges Näh
zimmer. Die mit allen Erfor
dernissen der Neuzeit ausge
stattete Küche, die Wannen-
und Duschbäder, die ver
schiedenen AVerkstätten, die
Putz- und Yorratsräume
sowie die Heizungsanlagen
sind im Untergeschoß unter
gebracht. An jeden Flügel lehnt sich noch ein kleineres
Nebengebäude, rechts die Waschküche, links die Turnhalle.
Die Baukosten, die den ausgesetzten Betrag von
680000 M. nicht überschreiten werden, teilen sich in
550 000 M. für den Hauptbau, 46 000 M. für das Direktor
haus, 39 000 M. für das Pförtnerhaus. Professor Vetter-
lein hatte in der Ausführung seines umfangreichen
Bauwerks tüchtige und zuverlässige Mitarbeiter zur
Seite. Die Bauleitung unterstand Architekt Fr. Hildner,
dem es vor allem zu danken ist, daß der Bau in einer
geradezu seltenen Harmonie ohne den geringsten Unfall
rechtzeitig zu Ende geführt werden konnte. Mit der
Planbearbeitung war hauptsächlich Regierungsbauführer
Leo Fischer betraut, zu dessen Unterstützung zeitweilig
noch die Architekten Otto Herrmann, Karl Vorherr,
Joachim Erdmann, Kurt Höppner und Karl Hieronymus
tätig waren. Sie alle haben durch eisernen Fleiß zu
dem schönen Gelingen des AVerks beigetragen. Die Aus
malung erfolgte nach den Kartons von Gustav Nitsche
durch Straßburger Malermeister. F.
Der Kalkstein als modernes Baumaterial
Von Regierungsbauführer Lusser iu Jagstfeld
Zu den wichtigsten Errungenschaften der letzten Jahre
in bezug auf die Bautechnik gehört zweifellos die Her
stellung der Kalksandsteine. Bei der Bedeutung, welche
diese Steine heute erlangt
haben, erscheint es angezeigt,
die Herstellung, Eigenschaf
ten und Verwendung der
selben etwas näher zu be
leuchten.
Die.Fabrikation des Kalk
sandsteins beruht auf der
Entdeckung, daß gewöhn
licher Sand, mit einem ge
ringen Zusatz von Kalk in
einer geeigneten Form ge
preßt, unter dem Einfluß
von hochgespanntem AVasser-
dampf zu einem äußerst
festen Produkt erhärtet.
Das Vorkommen von aus
gedehnten Sandlagern gab
bald die Veranlassung zur
industriellen Ausbeute dieser
Entdeckung, und so ent-