6. Februar 1909
BAUZEITUNG
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aufkommen lassen kann, daß der letztere
sofort für ein größeres Fahrzeug aus-
gehaut und ein verhältnismäßig geringes
Mehropfer hierfür gebracht werden
muß, das volkswirtschaftlich in wenigen
Jahren ausgeglichen wird. Nach dem
heutigen Stand der Rheinflotte könnten
einen Neckarkanal für das 600-t-Schiff
nur 44°/ 0 , für das 1000-t-Schi£f aber
65 °/ 0 des gesamten Schiffsraums der
vorhandenen deutschen und ausländi
schen Rheinkähne befahren. Der er
weiterte Neckarkanal würde sich
daher einen viel günstigeren Frachten
markt sichern, ganz abgesehen von
der wirtschaftlichen Ueberlegenheit des
größeren gegenüber dem kleineren Kahn. Kennwort „Mörike'
Bei den im Laufe dieses Jahres be
ginnenden Verhandlungen über den
Bau des unteren wasserreichsten Teils der Kanal
strecke, für die von den am Neckar gelegenen bedeuten
den Salinen auch zu Tal große Salztransporte zur Ver
fügung stehen, gilt es mit allem Nachdruck darauf
hinzuwirken, daß der Bauausführung das 1000-t-Schiff
zugrunde gelegt wird. Für die zweite Strecke Heilbronn—
Cannstatt—Stuttgart event. Eßlingen ist das 600-t-Schiff
in Aussicht genommen und noch nicht untersucht, ob
etwa auch eine Erweiterung der Kanalisierung für das
1000-t-Schiff möglich ist. Das Flußbett des Neckars
soll auch auf diesem Teil möglichst beibehalten und die
Gefälle ebenfalls durch etwa 15 mit Schleusen verbundene
Stauwerke überwunden und zugleich ein Stichkanal nach
der industriereichen Stadt Bietigheim angeschlossen wer
den. Bis Eßlingen wird für diese zweite, 85 km lange
Kanalstrecke ein weiterer Bauaufwand von etwa 25 Mil
lionen Mark entstehen.
Die Verbindung des kanalisierten Neckars mit der
Donau über die Schwäbische Alb macht die Führung
eines besonderen Kanals von 112 km Länge erforderlich
und ist nach den technischen Erhebungen ausführbar,
auch stehen genügende Wassermengen zum Betrieb zur
Verfügung. Die bedeutenden Höhenunterschiede sollen
teils mit Schleusen, teils mit künstlichen Hebewerken
überwunden werden. Die Baukosten für diesen Kanal,
ebenfalls für das 600-t-Schiff angenommen, sind auf
112 Millionen Mark berechnet. Von der Einführung in
die Donau bei Lauingen ist dann noch ein Donauseiten
kanal bis zur Einmündung des künftigen Main-Donau
kanals erforderlich, der auch aufwärts bis Ulm weiter
geführt werden soll und einen Teil der bayrischen Schiff
fahrtspläne bildet. An dieser kürzesten Verbindung der
Rhein- und Donauwasserstraßen ist ganz Süddeutschland
interessiert und auch das südwestliche Bayern, mit
München und Augsburg an der Spitze, würde den
nächsten Schiffahrtsweg nach dem Rhein, dem links
rheinischen Teil Bayerns und dem Saargebiet erhalten.
Unsre Pläne gehen aber noch weiter, getragen durch die
namentlich von schweizerischer Seite betriebene Schiff
barmachung des Rheins bis zum Bodensee. Es liegt
nahe, daß dann der Donaukanal von Ulm durch die ober
schwäbische Hochebene, die nur wenige Hindernisse
bietet, bis zum Bodensee weitergeführt wird, welch
letzterer dann einen großen internationalen Binnenhafen
bilden, den Güterverkehr zwischen Norden und Süden,
Osten und Westen vermitteln und die Entwicklung des
deutschen Südens mächtig fördern würde. Nach einer
technischen Studie ist die Ausführung dieses Kanals
möglich. Derselbe würde von Ulm bis Langenargen eine
Länge von etwa 100 km erhalten und einen Kostenauf
wand von etwa 80 Millionen Mark verursachen. Wenn
auch die Ausführung dieses Kanals noch in weiter
Ferne steht, so darf bei fortdauernder wirtschaftlicher
Ein II. Preis
Architekt ß. Haag-Stuttgart
Hebung unsers Vaterlands schon jetzt an dieselbe gedacht
werden.
Vor allem aber ist die alsbaldige Ausführung der
Kanalisierung des Neckars von Mannheim bis Heilbronn
dringendstes Erfordernis. Während der Neckarschiffs
verkehr nach und von Württemberg speziell Heilbronn
jährlich nur etwa 240 000 t beträgt, dürfte er sich nach
eingehenden Berechnungen in kurzer Zeit auf etwa
1200 000 t steigern. Die 115 km lange Strecke liegt
etwa 90—95 km auf badischem und hessischem Gebiet
und würde diesen Landesteilen reichlich Gelegenheit zur
Ansiedlung von Industrien direkt am Großschiffahrtsweg
bieten, wenn auch außer Heidelberg keine größeren
badischen und hessischen Städte von demselben berührt
werden. Leiden wir im Süden, namentlich in Württem
berg, schon lange an der eisenbahnpolitischen Zerfahren
heit und an der gegenseitigen Bekämpfung der süddeut
schen Staatsbahnen, so ist jetzt zu befürchten, daß sich
dieser Zustand auch auf die Wasserstraßen überträgt.
Wenigstens hat sich bis jetzt wenig Geneigtheit in Baden
und Hessen gezeigt, einen Teil des Bauaufwands des ihr
Land durchziehenden Kanals zu übernehmen, obgleich
derselbe dem Ruin des uralten badischen und hessischen
Schiffergewerbes Vorbeugen würde, ein Umstand, der
allein schon eine Beschleunigung der Arbeiten erfordert.
Für Württemberg wäre es unmöglich, neben der späteren
Fortführung der Kanalisierung und der Verbindung mit
der Donau auch noch den badisch-hessischen Teil ganz
zu übernehmen. Ein Lichtschimmer hat sich in dieser
Angelegenheit jetzt allerdings gezeigt, nämlich daß bei
der überall einsetzenden Nutzbarmachung von Wasser
kräften zu Licht- und Kraftzwecken, namentlich
auch zum Betrieb von Eisenbahnen, auf eine so-