6. Februar 1909
BAUZEITUNG
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Kennwort „Herbst“ Ein III. Preis
Verfasser Regierungsbauführer \V. Hoffman n und Alb. Leypoldt-Reutlingen
Bodenreform und Bauordnung
Die Landesversammlung der Gruppe Württemberg
des Bundes der deutschen Bodenreformer tagte am
31. Januar in Stuttgart. Nach dem Geschäftsbericht hat
der Bund etwa 200 Mitglieder in Württemberg, ein be
sonderer Erfolg wurde in Heilbronn erzielt. lieber
25 Gemeinden gehören in Württemberg dem Bund an,
ebenso die Staatsregierung mit der Hochbauabteilung
des Ministeriums des Innern. Die Versammlung be
schäftigte sich eingehend mit der neuen Bauordnung.
Der erste Redner, Oberbürgermeister Dr. J äckle-Heiden-
heim, wies darauf hin, daß die Bauordnung allein eine
Lösung der Wohnungsfrage nicht herbeiführen könne, in
ihrem wichtigsten Teil sei letztere nichts weiter wie eine
Bodenfrage. Auch in Württemberg müsse demnach mit
der Neuordnung des Baurechts eine Reform des Boden
rechts verbunden werden. Zu begrüßen sei es, daß die
neue Bauordnung der Weiträumigkeit in großem Maße
Rechnung trage, und der Regierung gebühre Dank für
die energische, wenn auch nicht immer erfolgreiche Ver
tretung ihres Standpunkts bei den Beratungen in der
Zweiten Kammer. In seiner Würdigung der einzelnen
Artikel bezeichnet^ der Redner als einen Fortschritt die
Bausperre und das Enteignungsrecht der Gemeinden für
Straßenplatz. Besser als die Anliegerbeiträge würde
aber die im Art. 15 angestrebte Besteuerung des Bodens
wirken. Man solle daher den Gemeinden die Wert
zuwachssteuer geben, die nicht nur den Vorzug größerer
Gerechtigkeit habe, sondern auch das Angebot von Bau
land vermehren würde. Eine Festsetzung der Höchst
grenze für die Anzahl der Geschosse sei zu erstreben
gewesen. Die allgemeinen Vorschriften des Art. 38
genügten nicht. Hier sei wohl für die Feuersicherheit
genügend Sorge getragen worden, nicht aber für die
Gesundheit, geschweige denn für die Behaglichkeit der
Menschen. Der Redner faßte sein Urteil über die neue
Bauordnung, wie sie aus den Beschlüssen der Zweiten
Kammer hervorging, dahin zusammen, daß man die
großen Fortschritte gegenüber dem bisherigen Recht
anerkennen müsse; man dürfe sich aber auch nicht ver
hehlen, daß sie in wichtigen Teilen noch nicht den ge
rechten Forderungen entspreche.
In der Besprechung sprach sich u. a. Oberbaurat
Prof. Baumeis ter - Karlsruhe über die Bauordnung
vom Standpunkt des Technikers aus und bezeichnete
dabei das dreistöckige Wohnhaus als die vernünftigste
Form, die durch die Bauordnung begünstigt werden
sollte. Weiter forderte er den Erlaß einer Reichsbau
ordnung und zog einen Vergleich mit den Bestimmungen
in Sachsen, Baden und Oesterreich. Oberbaurat Find
eisen-Stuttgart dankte als Mitarbeiter an der neuen
Bauordnung für die erhaltenen Anregungen. Er hielt
es für besser, daß die Bestimmungen Uber die innere
Weiträumigkeit durch Verordnung geregelt werden. So
sei mehr erreicht worden als bei einer gesetzlichen
Bestimmung. Eine gute Bauordnung, die geeignet sei,
im Verein mit den Forderungen der Bodenreformer zur
sittlichen, sozialen und hygienischen Hebung des Volkes
beizutragen, wünsche er jedenfalls auch.
Schließlich einigte sich die Versammlung zu folgender
Erklärung: „Die Landesversammlung der württ. Boden
reformer 1. erkennt in der Bauordnung einen der vor
nehmsten Kulturmaßstäbe und Kulturhebel; 2. sie ver
langt von einer guten Bauordnung größere Weiträumig
keit, mehr Licht und Luft, Wohnraum und Bodenanteil
für das württembergische Volk in Stadt und Land, als das
bisher Beschlossene bietet; 3. sie erkennt als richtige Vor
bedingung hierfür eine Reform des Bodenrechts und Steuer
rechts nach den Grundsätzen des Bodenreformbundes.“
Zur Wahrung und Förderung des tech
nischen Standes
Der von uns vor einiger Zeit angedeutete Zusammen
schluß der Karlsruher technischen Vereine ist zustande
gekommen: am 13. Januar ist von den Bevollmächtigten
acht technischer Vereine eine Organisation ins Leben