Grundriß
Zum Wettbewerb Sclmllians Blaubeuren
Ueber den Ausfall dieses Wettbewerbs erhalten
folgende Zuschrift:
Mit dem Ausfall der Preisverteilung bei der Blau-
beurer Schulhauskonkurrenz ist man in den Kreisen der
beteiligt gewesenen Architekten ganz und gar unzufrieden,
besonders aber ist dies der Fall unter der Ulmer Archi-
tenschaft, in deren Nähe der Vorgang sich abspielte, die
sozusagen den Wettbewerb als eine in ihrem Interessen
bereich liegende Sache ansah und deren Anfang und
Ende mit gespannter Aufmerksamkeit folgte.
Eine Besichtigung der ausgestellten Entwürfe ergibt
klar, daß keiner der preisgekrönten und zum Ankauf
empfohlenen Entwürfe geeignet ist, für die Ausführung
des geplanten Bauwesens zugrunde gelegt zu werden,
und geradezu erstaunlich ist es — wenn es zu sagen
erlaubt ist —, daß weit bessere Grundrißlösungen unter
dem Rest der 164 Entwürfe stecken, als die erwähnten
Arbeiten sie bieten, Entwürfe, denen es vielleicht an der
„Aufmachung“ fehlt und die darum allerdings ein längeres
Versenken in die Materie erfordern, um in ihrer An
spruchslosigkeit entdeckt zu werden. Das ist nun ein
mal so, bedauernswerter aber ist, daß die vom Preis
gericht getroffene Auswahl keinen Fingerzeig gibt, welcher
Weg eingeschlagen werden müsse, um das gesuchte
Projekt, das allen Anforderungen entspricht, zu finden.
Darüber ist man begreiflicherweise in Blaubeuren, wo
Sparsamkeit alte Bürgertugend ist, sehr erbost.
Diese vollständige Unklarheit, das Fehlen einer selbst
für den gebildeten Fachmann ersichtlichen klaren Urteils
entwicklung macht den Eindruck, als ob man sich in
dem Preisrichterkollegium selbst über die Art der Lösung
nicht einig genug gewesen sei, um aus diesem einheitlichen
Gesichtspunkte heraus an die Prüfung der Aufgabe heran
zutreten. Das verdächtigt das Kollegium dahin, daß sie
vollständig unvorbereitet an ihre wichtige Aufgabe heran
getreten seien, was doch ganz energisch verlangt werden
kann, sonst trägt der Ausgang den Charakter einer Lotterie,
welchem die Entwürfe, die am meisten suggestive
Wirkung auf das Kollegium ausüben, preisgekrönt werden.
Auffallend ist, um in Kürze näher auf die Entwürfe
einzugehen, die Prämiierung von Arbeiten, die aus archi
tektonischen Gründen grundsätzliche Bedenken erregen.
Lassen wir hier das Protokoll sich selbst anklagen. Es
sagt zum Beispiel über den Entwurf „Thalia“ wörtlich,
nachdem es andre Fehler gerügt: „Die geplante Er
weiterung des Schulgebäudes gegen Westen ist zu be
anstanden. Dieselbe würde besser auf der Rückseite
vorgenommen werden.“ Wie aber dies tun, ohne die
Gesamtwirkung vollständig zu vernichten? Diese West
ansicht ist die maßgebende Ansicht gegen die Anlagen
und die Stadt, und muß daher deren Lösung oder viel
mehr die Massengruppierung in dieser Gegend ausschlag
gebend sein. Die Möglichkeit der hier erwähnten drei-
klassigen Erweiterung war im Programm verlangt. Sie
soll aber zunächst nicht gebaut werden, ja es scheint
fraglich, nach menschlicher Voraussicht, ob dieselbe über
haupt jemals gebaut wird, und insofern ist deren An
ordnung nach der Hauptfront einer der größten Verstöße
gegen die Regeln der Massendisponierung. Am unver
ständlichsten tritt aber dieser Verstoß in dem mit dem
ersten II. Preis gekrönten Motto „Talgruppe“ auf. Das
Protokoll sagt, nachdem es verschiedenes zu loben und
zu tadeln gefunden: „Passadenausbildung ist geschmack
voll und in der Gruppierung der Massen gut, doch ist
die geplante Erweiterung des Schulgebäudes nach vornen
zu beanstanden. Es dürfte sich empfehlen, die Erweite
rung nach rückwärts vorzunehmen, die Wandelgänge bis
zu den Gängen neben den Treppenhäusern zu führen (!)
und dort die Eingänge anzuordnen.“
Erweiterung und Turnhalle, beide nach Westen, nach
der Hauptansicht als Flügelbauten behandelt, sind unter
sich durch einen dem Hauptblock vorgelagerten Arkaden
gang verbunden, in dem löblichen Bestreben nach male
rischer Wirkung, wie dies die beigegebene Perspektive
betont. Nun soll die Turnhalle erst später gebaut werden,
und die Erweiterung, deren Möglichkeit nur verlangt wird,
vielleicht, wie schon oben gesagt, überhaupt nicht; damit
fällt der malerische Arkadengang von selbst, und es bleibt
ein kahler Block, das Hauptgebäude, dessen kahle Flächen
für alle Zeiten der Anbauten harren.
Andre Entwürfe, wie zum Beispiel das zuletzt an
gekaufte Projekt „Auf der Bleiche“, sind nach unsrer
Meinung zu schlecht weggekommen, insofern, als es eines
der wenigen ist, die den Schulhof an die Süd westecke
des Bauplatzes verlegen, so daß eine wirklich gute Be
lichtung der Schulsäle stattfindet und wodurch last not
least die Baumasse so gekehrt wird, daß sie tatsächlich
auch in das Stadtbild sich harmonisch einfügt. Allerdings
hätten wir für das Oberland eine bedeutungsvollere,
kräftigere Architektur gewünscht.
Auch das Projekt „Herbst“ hätte, trotzdem die Aborte
nach Westen gelegt und die Schulsäle um 50 cm zu kurz
sind, noch mehr in den Vordergrund geschoben gehört.
Das folgende ist aber wieder ganz unbegreiflich. In
dem Bauprogramm ist zunächst ausdrücklich verlangt,
daß für die Realschule fünf Klassenzimmer für je 48 Schüler
vorzusehen sind. Während das Preisgericht einerseits zu
tadeln findet, daß die Schulsäle etwas zu kurz sind, hat es
nicht finden können, daß in dem angekauften Projekt
„A. B. C.“ diese Klassen für 48 Schüler genau so groß
sind wie die für 66 Schüler. Wie man aus zuverlässiger
Quelle hört, wurde dieser starke Verstoß gegen das Bau
programm nicht von den anwesenden Fachmännern, sondern
nachträglich von einigen im Preisgericht sitzenden Laien
entdeckt.
Noch manches Rätsel wird dem vor den Arbeiten
Stehenden zu lösen aufgegeben. Trotz der erwähnten
Findigkeit ist zu bedauern, daß Laien immer noch das
ausschlaggebende Element in Preisgerichten sind. Leider
konnte auch das Preisgericht nicht in seiner ursprüng
lichen Fassung zusammentreten, wodurch die Anzahl der
Fachleute von Ruf und erprobtem Urteil auf ein Minimum
reduziert wurde, womit übrigens den weiteren Anwesenden
kein Vorwurf gemacht werden soll.
Beim Verlassen der Ausstellung beherrscht uns das
Gefühl, daß solche Wettbewerbe am besten unterblieben,
es hätte sich leicht für dieses Projekt ein tüchtiger
Architekt finden lassen, der Erfahrungen im Schulhaus
bau besitzt. So aber, wie es hier geschehen, wird nur
Unzufriedenheit erzeugt und immense Arbeit vergeudet,
unter Umständen auch ein Verlust an Nationalvermögen
und Volkskraft. A. U.