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BAUZE1TIJNG
Nr. 9
Abb. 7 Ländliche Bauten Abb. 8
Sache hingeben, wenn sie Anregungen willig aufnehmen,
selbst solche geben und wenn sie bei Behandlung einzelner
Seiten des Problems oder seiner Gesamtheit Wissen, Er
fahrung und Kraft freudig dem Verbände deutscher Archi
tekten- und Ingenieur-Vereine zur Verfügung stellen, der,
alles Wollen und Können der einzelnen zusammenfassend,
unsern Stand an diejenige Stelle führen wird, die ihm
zum Wohle des Vaterlandes bestimmt ist.“
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, daß der Ver-
handsvorstand tatkräftig an der Arbeit ist. Man darf
das Vertrauen zu ihm haben, daß er auch weiterhin das
Seinige tun wird. Sehen die Architekten und Ingenieure
nun zu, daß auch sie das Ihrige tun. Der Weg ist vor
gezeichnet !
Darmstadt, Februar 1909. Baurat H. Wagner.
Deutscher Arbeitgeherbuiul für das Bau
gewerbe, Landesverband Württemberg
(Schluß.)
Mit diesem Gutachten ist und sollte diese Materie
aber noch nicht erschöpft sein, denn in dem Bericht ist
ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das subjektive
Moment für den Berichterstatter ausscheidet. Auch heute
soll nicht darauf eingegangen werden, wenngleich gesagt
sein muß, daß die Gefahr besteht, daß die Baukontrolleure
aus dem Arbeiterstande unter Mißbrauch ihrer Befugnisse
sich dienstlich und besonders außerdienstlich der Sozial
demokratie zur Verfügung stellen. Es ist ja eine bekannte
Tatsache, daß die Gewerkschaftsführer — die Gründe
kann man leicht erraten — mit den Baukontrolleuren
aus dem Arbeiterstande sympathisieren. Daß diese Sym
pathie sehr leicht zum Schaden der Arbeitgeber aus-
schlagen kann und wird, darüber ist jeder Zweifel aus
geschlossen. Uebrigens hat ein „überzeugungstreuer“
Vorkämpfer für diese Forderung, der „Genosse“ Meißner,
in einer Versammlung in Hannover den Schleier gelüftet,
wenn er sagte, daß diese allgemeine Baukontrolle auch
die Kontrolle über die Zugehörigkeit zur
Organisation umfassen würde. Daß die Münchner
Unternehmer schon gleich nach Einführung dieser Insti
tution Grund gehabt, sich über die außerdienstliche Tätig
keit solcher Beamten zu beschweren, ist schon eingangs
angedeutet worden, doch mußte man sich mit dem viel
sagenden Bescheid zufrieden geben, daß der Magistrat
und die Lokalbaukommission nicht in der Lage seien, Be
diensteten das Recht der freien Meinungsäußerung in
politischer wie sozialer Angelegenheit irgendwie zu ver
kümmern, wenn es sich innerhalb der „durch die
Dienstesvorschriften gezogenen Schranken“
bewegt. Und wem steht die Entscheidung darüber zu,
ob diese Schranken nicht überschritten werden?
Die Frage, oh diese Baukontrolleure ihre dienstliche
Stellung zu politischer Agitation mißbrauchen, kommt
für München momentan nicht in Betracht, da hier im
Baugewerbe fast alles freigewerkschaftlich organisiert und
deshalb auch sozialdemokratisch gesinnt ist.
Nur ein drastisches Beispiel über die „Fähigkeit“
der Baukontrolleure. Als im Jahre 1906 in Halle ein
sozialdemokratisches Haus, „der Volkspark“, aufgeführt
wurde, hätte sich für die in Halle bestehende Arbeiter
schutzkommission die beste Gelegenheit geboten, die mit
solchem Ungestüm von den Unternehmern geforderten
Prinzipien zur Anwendung zu bringen. Das scheint aber
nicht geschehen zu sein, entweder hatte man keine rechte
Vorstellung, wie ein Gerüst beschaffen sein muß, oder
aber man hielt es nicht für notwendig, beim eignen Bau
die Vorsichtsmaßregeln anzuwenden, welche man von den
Unternehmern forderte (tatsächlich würde keine Berufs
genossenschaft ein solches Gerüst geduldet haben), kurz,
das Gerüst stürzte ein, ein Mann wurde sofort getötet,
ein weiterer starb an den erlittenen Verletzungen und
weitere fünf Schwerverletzte entrannen nur mit Mühe dem
Tode. Sonderbarerweise hatte man von diesem Vorfall
in der sozialdemokratischen Presse recht wenig gehört.
Alles in allem, die Anstellung von Baukontrolleuren
aus dem Arbeiterstande ist gewiß nicht geeignet, den
Frieden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu
fördern. Die Autorität des Unternehmers, der sich kon
trollieren lassen muß von einem Arbeitei - , der noch kurz
zuvor hei ihm in Arbeit gestanden, und seinen Weisungen
nachkommen mußte, wird noch weiter geschwächt, und
die Herrschaft auf dem Bau führt der Baukontrolleur
neben dem von der Organisation aufgestellten „Bau
delegierten“.
Auch die AVirkung, die man sich von der Anstellung
von Arbeitern als Baukontrolleure erhofft, schlägt in das
Gegenteil um; eher ist eine Verschlechterung der Bau
kontrolle und des Arbeiterschutzes zu erwarten, denn
eine Verbesserung. Wie könnte und kann denn bei nur
oberflächlichen, allgemeinen und ungenügend technischen
Kenntnissen dies auch anders der Fall sein?
Man sollte meinen, der oherpolizeilichen und Unfall
verhütungsvorschriften wären speziell in Bayern schon
genug. Und hat denn die Berufsgenossenschaft nicht
selbst das größte Interesse, auf strikte Einhaltung aller
Vorschriften zu dringen? Es ist Tatsache, daß die
berufsgenossenschaftlichen Beamten mit aller Strenge ihre
Kontrolle ausüben!
AVenn trotzdem diese Kontrolle noch nicht genügen
sollte, nun gut, so verschärfe man sie noch mehr, lege
sie aber in die Hände von spezialistisch ausgebildeten
Beamten, welche mit dem praktischen Bauwesen vertraut
und auch gründlich theoretisch vorgehildet sind, nicht aber
in die Hände von Arbeitern, die nicht oder doch nur
in ganz seltenen Ausnahmefällen in der Lage sein werden,
sich die erforderlichen Vorbedingungen anzueignen.
Zu erhoffen wäre, daß eine Frage über die Anstellung
von Kontrolleuren aus dem Arbeiterstande nie mehr den