13. März 1909
BAUZBITUNG
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Möhringen in den Jahren 1898—1904 gemeinschaftlich
mit Baden gemacht wurdet}.
In einem besonderen Abschnitt ist die Frage der
Gewinnung bedeutenderer Wasserkräfte an den
gröberen Flüssen des Landes auf Grund einer von dem
hydrographischen Bureau gefertigten Denkschrift be
handelt. Es ist daraus zu ersehen, daß die in Württem
berg verfügbaren Wasserkräfte gegenüber den Nachbar
ländern Baden und Bayern sehr unbedeutend sind, woran
einesteils die natürlichen, andernteils die Grenz- und
örtlichen Verhältnisse die Schuld tragen. Im ersteren
Fall gehen die kleineren Flüsse und Bäche in ihrer
Wasserführung im Spätsommer vielfach stark zurück, im
andern Fall verlassen von unsern bedeutenderen Flüssen
die Donau und der Neckar, unmittelbar nachdem sie
durch die Aufnahme der Iller bzw. des Kochers und der
Jagst zu einer verhältnismäßig ansehnlichen Wasser
menge gelangt sind, unser Land; ferner sind die örtlichen
Verhältnisse für die Anlage von Wasserkräften deshalb
ungünstig, weil die kleineren und mittleren Wasserkräfte
bereits von der Industrie, dem Gewerbe und der Land
wirtschaft in weitestgehender Weise in Anspruch ge
nommen sind. Was die Anlage von Talsperren betrifft,
so können mit Rücksicht auf den geologischen Schichten
aufbau unsers Landes nur die aus geschlossenem Granit,
Gneis und Buntsaudstein bestehenden Täler des Schwarz
walds, die Täler, die in die Formationen des Keuper,
des schwarzen und braunen Jura eingeschnitten sind,
sowie ganz besonders die Molasse- und Moränelandschaften
des Oberlandes in Betracht kommen.
Ein ausgiebigeres und zweckmäßigeres Mittel für die
vollständigere Ausnutzung der Wasserkräfte bietet die
künstliche hydraulische Akkumulierung, bei
der Wasser zur Zeit des Rückgangs oder vollständigen
Stillstands des normalen Betriebs in ein hoch gelegenes
Becken gepumpt und später mit eignen Hochdruck
turbinen wieder nutzbar gemacht wird. Diese Art der
Akkumulierung ist erst seit einigen Jahren in wirtschaft
licher Weise möglich, nachdem es gelungen ist, Hoch-
druckturhinen mit sehr hohen, und besonders auch
H ochdruckzentrifugalpumpenmit befriedigenden W irkungs-
graden zu bauen. Sie leistet bei höheren Gefällen, wo
die Becken verhältnismäßig klein und billig werden, wert
volle Dienste und kann unter günstigen Verhältnissen
so ausgeführt werden, daß der Effekt der Wasserkraft
anlage während der üblichen Tagesarbeitszeit annähernd
verdoppelt wird. Bei Bedarf größerer Energiemengen
ist es auch möglich, zeitweise die normalen Kraftleistungen
bis auf das Drei- und Vierfache zu steigern. Dazu kommt,
daß ihre Herstellungs- und Betriebskosten meistens nicht
zu hoch sind. In wirtschaftlicher Hinsicht kann sich die
Wirkung der Akkumulierung und der dadurch erreichten
vollständigen Ausnutzung einer Wasserkraft hauptsächlich
auch in der Entbehrlichkeit einer Zusatzdampfmaschine und
dadurch in Ersparnissen an Betriebskosten ausdrticken.
In Württemberg ist die künstliche hydraulische Ak
kumulierung bis jetzt noch nirgends eingeführt. Sie war
vor einigen Jahren für die württembergische Baumwoll
spinnerei und Weberei auf dem Brühl bei Eßlingen vor
gesehen und soll von der Maschinenfabrik J. M. Voith in
Heidenheim*) an der Bronnenmühle dortselbst zur Aus
führung gebracht werden. Zu derartigen Anlagen eignen
sich die natürlichen Verhältnisse Württembergs, wo so
viele Flußtäler von Talhängen umrahmt sind, die 100—300 m
hoch unmittelbar von der Talsohle aus absetzen, in ganz
besonderem Maße. Da derartige Anlagen bei großem
und raschem Wechsel des Kraftverbrauchs, wie zum
Beispiel beim Eisenbahnbetrieb, sich als besonders wirt
*) Die Heidenheimer Anlage besitzt zwei Hochdruckzentrifugal-
pumpen und ein Reservoir von 7000 cbm Inhalt, das eine Gefälls-
höhe von 100 m erlaubt.
schaftlich erweisen könnten, wäre es möglich, daß die
künstliche hydraulische Akkumulierung bei der Einfüh
rung des hydroelektrischen Betriebs bei unsern
Staatsbahnen in Frage kommen könnte.
Leider soll beabsichtigt sein, diese Verwaltungsberichte
der Kosten wegen in Zukunft nicht mehr zu veröffent
lichen. Wir würden dies im Interesse der Industrie und
der Landwirtschaft sehr beklagen, namentlich im Hin
blick auf das Gebiet der Wasserkraftanlagen, auch fehlt
bis jetzt noch die Beschreibung einer Reihe von wich
tigen Flüssen unsers Landes. Es würde sicherlich zur
rationellen Ausbeutung unsrer Wasserkräfte beitragen,
wenn jedermann in der Lage wäre, an Hand von offiziellem
Material die verschiedenen Möglichkeiten für Wasser
kraftanlagen zu studieren. Wir halten die fernere Heraus
gabe dieser Berichte nicht für unnötig, sondern wir würden
es im Gegenteil begrüßen, wenn, ähnlich wie in Bayern,
auch bei uns auf Grund des vorliegenden und noch zu
beschaffenden Materials eine Beschreibung der verfügbaren
Wasserkräfte im Lande zur Veröffentlichung käme. a.
Yereinsmitteilimgen
Württ. Baubeamten-Verein. Die zweite Aus
schußsitzung in diesem Jahre fand am 6. März im Bahn
hofhotel in Ulm statt. Anwesend waren zwölf Ausschuß
mitglieder, entschuldigt Stadtbaumeister Mößner von
Ludwigsburg. Nach einer kurzen Begrüßung durch den
Vorstand wurde das Protokoll der letzten Sitzung ver
lesen und genehmigt, sodann wurde der Einlauf bekannt
gegeben und, soweit möglich, auch gleich erledigt. Die
Mitglieder Burkhardt und Palm wurden beauftragt, der
Besprechung zwecks Anbahnung einer Vereinigung der
technischen Vereine Stuttgarts, welche am 8. März d. J.
im Gesellschaftszimmer des Vereins „Bauhütte“ in Stutt
gart stattfinden soll, beizuwohnen und nachher wieder
darüber zu berichten. Weiter wurden die für die morgen
stattfindende Mitgliederversammlung eingelaufenen An
träge eingehend besprochen, auch eine Resolution ent
worfen, in der diese verschiedenen Wünsche in der Haupt
sache enthalten sind und die der morgigen Mitglieder
versammlung zur Beratung übergeben werden soll. Neu
aufgenommen wurden zwölf Mitglieder. Der Bericht über
die von über 90 Mitgliedern besuchte X. Mitgliederver
sammlung am 7. März d. J. folgt in der nächsten Nummer.
Als Vereinsmitglied hat sich angemeldet: Karl Lach
mann, Bauwerkmeister in Freudenstadt, Marktplatz 14.
Württ. Verein für Baukunde. In der 6. ordent
lichen Versammlung vom 6. März, zu der auch der
Stuttgarter Architekten-Klub eingeladen war, berichtete
nach Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten Baurat
Hengerer über die Sanierung der Stuttgarter
Altstadt. Er ging davon aus, wie das Werk entstanden
ist. Der „Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen“
hat nach der Erstellung von Ostheim, Westheim und Süd
heim sich der inneren Stadt zugewandt und zunächst in
der Weber-, Bach-, Kreuz- und Leonhardstraße einzelne
Neubauten ausgeführt. Im Jahr 1905 wurde sodann der
engste Teil der Stuttgarter Altstadt, nämlich das Gebiet
zwischen Eberhard-, Steinstraße und dem Ilgenplatz, in
Angriff genommen und Baurat Hengerer mit der Durch
führung beauftragt. Nachdem unter schwierigen Ver
handlungen die Kaufpreise der in Betracht kommenden
Häuser ermittelt waren, wobei der Quadratmeter durch
schnittlich auf 477 M. kam, wurde zunächst der Grund
plan aufgestellt, der den Geißplatz als Mittelpunkt des
ganzen Unternehmens festlegte. Sodann wurden die Stein-
und die Nadlerstraße, unter entsprechender Erbreiterung
auf 11 m, als Hauptverkehrsadern ausgebildet; erstere
zur Vermittlung des Durchgangsverkehrs zwischen Eber-
hardstraße und Marktplatz, letztere als Verbindung zwischen
Königstraße und Eberhardstraße über die Neue Brücke