Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1913)

Wie trotz unserer hochentwickelten bautechnischen 
Wissenschaft mit ihrem großartig ausgebauten Versuchs 
wesen ab und zu hinter den alltäglichsten und 
scheinbar elementarsten Fällen ihrer Anwendung 
ein mehr oder weniger großes Fragezeichen zu setzen 
ist, dafür ein Beispiel: der exzentrisch gedrückte Mauer 
werkskörper. Wie oft tritt er dem Konstrukteur entgegen! 
Sei es, daß es sich darum handelt, die Last eines Unter 
zuges durch Vermittlung einer Auflagerplatte oder eines 
Quaders auf einen Backsteinpfeiler zu übertragen, sei es, 
daß der Druck einer Grenzmauer durch ein unsymmetri 
sches Fundament auf den Baugrund übergeführt werden 
soll. In allen diesen Fällen die gleiche Frage: Wie geht 
die Druckübertragung im Mauerwerkskörper vor sich, oder 
mit andern Worten: welche Pressungen sind zu erwarten? 
ln der herrschenden Praxis sind zweierlei Lösungen 
gebräuchlich. Die erste geht davon 
aus, daß der exzentrische Druck 
„sich allmählich ausgleicht“, wenn 
nur das druckübertragende Mittel 
die nötige Höhe und Breite be 
sitzt, d. h. daß an jeder Stelle ein 
und derselben Horizontalfuge die 
gleiche, nur von der Größe des 
Gesamtdruckes und der Fugen 
fläche abhängige Pressung pro 
Flächeneinheit herrscht, wenn die 
zurMitwirkung herangezogenenFu- 
genbreiten unter einemWinkel a, der 
zwischen 45-60° schwankend ange 
nommen wird, begrenzt sind (Fig. 1). 
Daß diese allgemein verbreitete 
Auffassung auch von mancher Auf 
sichtsbehörde sanktioniert wird, zeigt eine neuzeitliche 
Verfügung der Baupolizei in Berlin, welche sich mit der 
Ausführung von Eisenbetonfundamenten an Nachbargrenzen 
befaßt und besagt: „Bei allmählicher Verbreiterung des 
Stützenfußes unter 60° kann eine solche gleichmäßige 
Verteilung auch für einseitig ausladende Fundamente an 
genommen werden.“ (Vergl. Baupol. Mittig. 1912, Heft 10.) 
Die zweite Lösung besteht darin, daß die aus der 
Theorie des auf Biegung beanspruchten Trägers bekannte 
Methode zur Berechnung der größten und kleinsten Rand 
spannungen auch hier angewandt wird. Es ist für unsere 
Betrachtung nötig, auf sie näher einzugehen: 
Die Fuge A B sei im Punkte C durch die Normal 
kraft N (welche auch die Resultierende einer Strecken 
last sein kann) gedrückt 
wohl die Fugenfläche wie 
auch die Normalkraft 
seien der Fugenlänge 
nach bereits auf die 
Längeneinheit bezogen, 
sodaß diese aus den 
folgenden Beziehungen 
ausscheidet. Es berech 
nen sich die Randspann 
ungen in A bezw. B zu: 
N ,6 e. ... 
<*A,B = d 0 W 
wenn e die Exzentrizität 
des Kraftangriffs bezüg- ; 
lieh der Fugenmitte M 
bedeutet. Es interessiert 
nun, wie sich die Randspannung d A ändert, wenn die 
Fuge einseitig nach rechts vergrößert wird, d. h. wenn 
bei gleichbleibendem a, x wächst. Machen wir die An 
nahme, daß Zugspannungen in der Fuge unberücksichtigt 
bleiben müssen (was beim Mauerwerk, Beton in der Regel, 
beim Baugrund stets nötig ist), so ist 
so lange 
und wenn 
a 
2a 
^ m 4x — 2 a 
A “ N (a x) 2 
const. 
Der Einfluß der Fugenvergrößerung wird übersichtlicher, 
wenn wir x als Teil von a einführen, also x = t\ • a setzen, 
und zum Vergleichsmaßstab jene Pressung d m wählen, 
welche herrschen würde, wenn die Fuge nur 2 a breit 
wäre, also ^ 
dm = 2ä 
Es ist dann 
4 (2 r] - 1) 
A m (1 + v) 2 
wobei der zur Abkürzung gesetzte Faktor x nicht mehr 
von der Last und ihrem Angriffsort, sondern nur von der 
Fugenverbreitung x abhängig ist. 
Es ist nützlich, zum Vergleich jene Pressung 6\ zu 
berechnen, welche sich nach der besprochenen ersten 
Lösung ergeben würde, also 
. . N J \+V 
ÖA — — v
	        
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