Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1913)

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BAUZEITUNG 
Nr. 15 
Abb. 2. Pavta 
Ponte coperto 
dieser schlanken viereckigen Türme wirft unwillkürlich 
die Frage auf, wie weit eine derartige Gegensätzlichkeit 
berechtigt und darum schön zu nennen ist. Von beherr 
schender Wirkung ist diese Vertikale jedenfalls (Abb. 5). 
Doch damit haben wir den Marktplatz schon betreten, 
der trotz der Regelmäßigkeit zu den feinsten Italiens zu 
zählen ist, namentlich im Blick auf den südlichen Ab 
schluß (Abb. 6 und 7). Vom linken Eck, dem Loggien 
hause mit Uhrturm, steigt die Gebäudemasse an zur 
alles beherrschenden Kuppel der Kathedrale. Von Sym 
metrie keine Rede, dagegen von klugem Abwägen der 
Baumassen. Der sonst in Italien so beliebte Uhrturm 
verschwindet in der Gebäudewand, dieselbe belebend, 
ohne den Wettstreit mit der Kuppelmasse aufnehmend. 
Es ist eine Stadt und ein Beispiel der vielen, in deren 
Zusammenfassung heute noch eine Fülle von Studien 
material für richtiges Sehen und Erfassen, statt Nachahmen 
und Kopieren begraben liegt. 
Ch. Klaiber-Gmünd. 
Bauwerkmeister und Baugewerks- 
meisler 
sk. Der Inhaber eines bautechnischen Bureaus in einer 
württembergischen Stadt hatte sich im privaten und ge 
schäftlichen Verkehre, auch auf einem an seinem 
Hause angebrachten Schilde als „Bauwerkmeister“ be 
zeichnet. In Württemberg hatte er irgend eine Prüfung 
nicht abgelegt, hatte aber vor Jahren die Abgangsprüfung 
des Technikums in Hildburghausen, einer in Sachsen- 
Meiningen staatlich beaufsichtigten städtischen Fachschule 
zur Ausbildung von Hoch- und Tiefbautechnikern be 
standen. Diese Prüfung steht in Sachsen-Meiningen 
der Reifeprüfung einer staatlichen baugewerblichen Fach 
schule gleich und soll dort, wie der Angeklagte behaup 
tete, zur Führung des Titels „Baugewerksmeister“ be 
rechtigen, welche Bezeichnung der Angeklagte in „Bau 
werkmeister“ nur „umgeschwäbelt“ haben wollte. Trotz 
Aus der Kruppstadt Essen 
Eine Reiseerinnerung von Adolf Fausel 
Als ich im vorigen Sommer Essen, wo ich vor 20 
Jahren publizistisch tätig war, wieder besuchte, kam ich aus 
dem Staunen nicht heraus. Wie hatte sich das Bild in 
der Zwischenzeit verändert! Aus der Industriestadt mit 
80000 Einwohnern war eine Großstadt geworden, die 
eine Bevölkerungsziffer von 300 000 aufwies. Recht deut 
lich kam mir der Unterschied gegen früher zum Bewußt 
sein, als ich meine damalige Wohnung aufsuchte. Sie 
lag an der Peripherie der Stadt und jetzt dehnt sich deren 
Häusermeer weit darüber hinaus. Und der Stadtgarten, 
zu dem ich nur über die Straße zu gehen brauchte, dessen 
bescheidene Fläche bald durchwandert war, erstreckt sich 
heute in stattlicher Länge und Breite über ein großes 
Gelände, das gärtnerische Kunst zu einer Musteranlage 
geschaffen. Noch mehr — aus dem unansehlichen Re 
staurationsgebäude ist ein imposantes Konzerthaus ge 
worden mit riesigem Festsaal und geräumigen Nebensälen 
für Konzerte und Kammermusikaufführungen, mit einer 
mächtigen nach dem Garten gehenden Terrasse und aus 
reichenden Sitzgelegenheit für ein tausendköpfiges Pub 
likum. Und solche braucht eine Stadt wie Essen, wo 
der Besuch der Gartenkonzerte jedermann gegen ein Ein 
trittsgeld von 20 Pf. (10 Pf. im Abonnement) gestattet ist. 
Um solch kleines Entgelt hat man den Genuß des vor 
züglichen 60 Mann starken Städtischen Orchesters. Ja — 
die Stadt Essen läßt es sich etwas kosten, ihren Ein 
wohnern das Leben angenehm zu machen. Wer einen 
größeren Spaziergang liebt, findet in dem ausgedehnten 
vorzüglich gepflegten Stadtwald reichlich Gelegenheit, seine 
Beine auslaufen zu lassen oder in dem Schatten der dicht 
belaubten Bäume auf einer der zahlreichen Ruhebänke sich 
beschaulicher Ruhe hinzugeben. Die Tage in Essen werden 
mir unvergeßlich sein — sie brachten eine Fülle frischer 
Anregung, neuer Reize und bedeutender Eindrücke, außer 
dem dem Leib und der Seele jenes wohlige Behagen, 
wie es eine liebenswürdige, weitgehende Gastfreundschaft 
in uns weckt. 
In die Zeit meines Aufenthalts fielen die Vorbereitungen 
für die Hundertjahrfeier des Kruppschen Werks. So war 
es natürlich, daß mich die Lust ankam, die neuesten 
Wohlfahrtseinrichtungen des auf diesem Gebiete vor 
bildlichen und unermüdlich weiterschreitenden Riesen 
unternehmens kennen zu lernen. Die alten Kolonien 
waren mir bekannt, das Gußstahlwerk selbst konnte ich
	        
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