Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1913)

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BAUZEITUNG 
Nr. 43 
lassen sich hier keine Regeln für die Farbenharmonie auf 
stellen, zumal der Architekt ja vollkommen abhängig ist 
von dem Material, das er an Ort und Stelle vorfindet, oder 
mit bescheidenem Kostenaufwand herbeischaffen kann. 
Aber er muß das Gefühl dafür besitzen, daß man nicht 
in einem Teil der Front den rustikalen Charakter kräftig 
betonen und in einem anderen zart und korrekt arbeiten 
darf; dabei kann nie etwas Charaktervolles entstehen. 
Ein Feldblumenstrauß kann unter Umständen sehr schön 
wirken; aber eine durch raffinierte Gartenkunst gewon 
nene Rose paßt da eben nicht hinein. Der Architekt muß 
also für solche Aufgaben die rechte Empfindung besitzen; 
sonst wird ihm seine Kiesel- und Feldstein-Architektur 
vollkommen mißglücken. Bevor man sich an eine der 
artige Aufgabe heranwagt, sollte man fleißig im Gebirge 
gewöhnliche Bauernhäuser skizzieren, mögen sie auch 
ohne jedes Kunstverständnis errichtet sein. Der Stift muß 
sich gleichfalls erst an die Derbheit und Herbheit dieser 
Aufgaben gewöhnen, da die Fland der städtischen Archi 
tekten viel zu sehr durch die feinen Profilierungen der 
städtischen Wohngebäude verwöhnt ist. 
gen und den alten Handwerksgeist aufblitzen zu lassen. 
Man war sich jedoch offenbar bewußt, daß die Hand 
werkskunst in punkto Möbel im vorigen Jahrhundert alle 
Tradition verloren hatte und dies wird der Grund gewesen 
sein, daß sich die Beratungsstelle die Bearbeitung der 
Entwürfe selbst zuschrieb und in Anlehnung an Vorbilder 
der Neuzeit Entsprechendes schuf. 
Die Möbel, die hier gezeigt werden, sind auf zwei 
Typen beschränkt. Der eine Typ zeigt unter Anstrebung 
einer gefälligen Form größere Holzflächen für Aufmalung, 
beim andern Typ wurde versucht, die Belebung der Flä 
chen durch Einzelformen im Holz selbst zu erzielen, und 
hauptsächlich erschien es wünschenswert, das reine Tan 
nenholz wieder zur Verwendung gelangen zu lassen. Die 
farbige Behandlung bietet Gelegenheit zu vielseitiger Ab 
wechslung. Vom Einfarbenton ging man zum Zwei- und 
Mehrfarbenton, anderen Tannenholzmöbeln wurde die 
Behandlung des modernen Beizverfahrens zu teil. Die 
eingegangenen fournierten Hartholzmöbel wurden sämt 
liche in dieser Behandlung in Farbe gesetzt. Für den An 
strich der Möbel, den Ueberzug der Polstermöbel, die 
Abb. 6. Dreieinigkeitskirche in York 
Ausstellung kleinbürgerlicher Wohn- 
räume u. Entwürfe in heimischer Bau 
weise für Bauerngehöfte, Kleinhäuser 
mit Landwirtschaft, Arbeiterhäuser 
Wie bekannt, hatte sr. Zt. die Zentralstelle für Gewerbe 
und Handel in Stuttgart eingeladen, das Zustandekommen 
dieser Ausstellung möglich zu machen. So wurden die 
Schreiner zu einem Wettbewerb für die Anfertigung von 
Möbeln aufgefordert, die Architekten Württembergs um 
Pläne für heimische Bauweise. Die Resultate dieser Ar 
beiten sind nun zu einer Ausstellung vereinigt und im 
Ausstellungsgebäude des Landesgewerbemuseums dem 
allgemeinen Besuch zugänglich gemacht. 
Die Möbel, welche nach Vorlage der Beratungsstelle 
von den einzelnen Schreinern angefertigt wurden, stellten 
an den Ausführenden lediglich die Aufgabe, handwerks 
mäßig gut ausgeführte Arbeiten zu liefern. Es will uns 
fast dünken, daß bei dieser Art der Beschaffung der Ge 
genstände der Begriff Wettbewerb eigentlich nicht ange 
wendet werden darf, da es sich um keine geistige Arbeit 
handelt. Anders wäre dies gewesen, wenn die Handwer 
ker hätten versuchen müssen, allein etwas fertig zu brin- 
Ausstattung der Räume beschränkte man sich darauf, eine 
Anzahl Stuttgarter Firmen herbeizuziehen. Die Leitung 
dieser Arbeiten unterlag der Beratungsstelle. 
War so der Rahmen für die eine Abteilung der Aus 
stellung zu eng gedrückt, so ist man bei dem Wettbewerb 
über heimische Bauweise offenbar zu weit gegangen und 
hat dem Heimatschutzgedanken offensichtlich Konzessio 
nen gemacht, die praktisch genommen zum Teil kaum 
einen Wert hätten, abgesehen davon, daß sie sich über 
haupt nicht verwirklichen lassen. Bei den Entwürfen 
waren zunächst zu unterscheiden nach Landesstrichen und 
zwar Unterland, Alb, Schwarzwald und Oberschwaben. 
Diese Anpassung setzte schon an und für sich große Er 
fahrung und überhaupt feinfühlige Empfindung beim Ar 
chitekten voraus. Für die einzelnen Landesteile wurden 
nun noch dreierlei Arten von Bauwesen unterschieden, 
Bauerngehöfte, Kleinhäuser mit Landwirtschaft, und Ar 
beiterhäuser. Es ist ja zugegeben, daß bei Bauerngehöf 
ten heute noch rein Charakteristisches sowohl im Grund 
riß als auch im Aufbau sich findet und also in Anlehnung 
an dieses sich sozusagen eine Tradition weiterbilden ließe. 
Anders ist dies dagegen bei den kleinen Häusern, speziell 
beim Arbeiterhaus. Hier war eine Anlehnung an vor 
handene Beispiele ausgeschlossen, da dieser Typ eine Neu 
erscheinung unseres Wirtschaftslebens ist und folgerichtig 
auch architektonisch dem Geiste unserer Zeit anzupassen
	        
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