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BAUZEITUNG
Nr. 5
Vertrages im bisherigen Umfange deckt sich mit unserer
bereits in München abgegebenen Erklärung; die Weiger
ung, eine allgemeine Lohnerhöhung im ganzen Reich zu
befürworten, beruht auf der Ueberzeugung, daß das nicht
zu bestreitende Darniederliegen des Baugewerbes, ver
schärft durch den ungünstigen Geld- und Hypotheken
markt, solche Maßregel nicht zuläßt, ganz abgesehen
davon, daß einzelne Lohngebiete durch den Dresdener
Schiedsspruch vom Jahre 1910 bereits übermäßig belastet
sind. Ueberdies ist die Festsetzung des Lohnes eine
den Bezirks- und Ortsverbänden zustehende Angelegen
heit. Zur Beseitigung der hieraus sich ergebenden Streitig
keiten haben wir die Bezirksschiedsgerichte in Vorschlag
gebracht. Wir sind damit einverstanden, daß nunmehr
in die Beratung des Vertrages, und zwar in der von den
Herren Unparteiischen zu bestimmenden Reihenfolge ein
getreten wird. Das deckt sich mit unserer Auffassung,
daß die endgiltige Annahme des Vertrages erst nach Er
ledigung der bezirklichen bezw. örtlichen Verhandlungen
erfolgt.
Auf Grund dieser Erklärung wurde die Arbeitszeit
verhandelt. Nach § 1 des bisherigen Hauptvertrages soll
eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit unter 10 Stunden
in allen Vertragsgebieten nicht eintreten. Es darf jedoch
für einzelne Orte und angrenzende wirtschaftlich zugehörige
oder gleichartige Gebiete, in denen die Arbeitszeit zehn
Stunden beträgt und besonders schwierige Verhältnisse
namentlich in Wohnungs- und Verkehrsangelegenheiten
vorliegen, über eine mäßige und allmähliche Herabsetzung
der Arbeitszeit örtlich verhandelt werden. Die Arbeit
gebervertreter erklärten sich mit der Beibehaltung des
bisherigen Zustandes einverstanden, während die Ar
beitervertreter sich die Freiheit Vorbehalten, auf eine
Verkürzung der Arbeitszeit in weiterem Umfange hin
zuwirken.
Ferner wurde über die Akkordarbeit verhandelt.
Während die Arbeitgebervertreter die bisherige Fassung
des Hauptvertrages beibehalten wissen wollen, lehnten
die Zimmerer für ihr Gewerbe jegliche Zulassung von
Akkordarbeit ab. Die Bauarbeiterverbände erklärten je
doch, daß für ihr Gewerbe Akkordarbeit, wie sie bisher
bestand, zugelassen werden soll, unter der Voraussetzung,
daß zwischen den örtlichen Organisationen Akkordtarife
abgeschlossen werden und außerdem in den einzelnen
Akkorden der Stundenlohn garantiert wird.
Bezüglich der Frage des Arbeitsnachweises lehnten
die Arbeitgebervertreter jegliche Regelung im Tarifvertrag
ab, während die Arbeitervertreter im Prinzip eine tarifliche
Festlegung in Form eines paritätischen Arbeitsnachweises
verlangten. Jedenfalls könnten einseitige Arbeitsnachweise
niemals unter dem Schutz des Tarifvertrages stehen.
Schließlich wiederholten die Arbeitgebervertreter ihren
Antrag auf Einbeziehung der Betonarbeiter in den
Tarifvertrag. Die Arbeitervertreter erklärten, sich hierzu
heute nicht äußern zu können. Angesichts der vor
geschrittenen Zeit und der Behinderung einer Reihe von
Mitgliedern mußten abends gegen 7*/ a Uhr die Verhand-
ungen abgebrochen werden.
Die Unparteiischen machten im Interesse der weiteren
Fortführung der Verhandlungen folgende Vorschläge:
1. Es wird der 24. Februar zur weiteren Verhandlung in
Aussicht genommen; 2. die Vertragsparteien verpflichten
sich, bis 15. Februar ihre Anträge zum Hauptvertrage
und zum Vertragsmuster jedem Unparteiischen ausschließ
lich zu dessen persönlicher Kenntnisnahme einzureichen;
3. Am 24. Februar soll in Verfolg der eingereichten An
träge über den Hauptvertrag und das Vertragsmuster be
raten und hierüber tunlichst eine Einigung erstrebt werden.
Zugleich soll über die Zubilligung einer Lohnerhöhung
verhandelt werden. Zur Schaffung einer geeigneten
Grundlage für diese Verhandlung wird dem Arbeitgeber
bund nahegelegt, nach erneuter Fühlungnahme mit seinen
Mitgliedern inzwischen in eine nochmalige Prüfung dieser
Frage einzutreten; 4. Nach Erledigung dieser Fragen haben
die örtlichen bezw. Bezirksverbände über die im Vertrags
muster offen gelassenen Punkte zu verhandeln und ernst
lich eine Einigung zu erstreben.
Nach kurzer Beratung erklärten sich beide Parteien
mit diesen Vorschlägen einverstanden.
Die Bedeutung der Internationalen
Baufach-Ausstellung
Da die Bedeutung der Internationalen Baufach-Aus
stellung in Leipzig 1913 von Tag zu Tag mehr in der
Oeffentlichkeit erörtert wird, ist es erfreulich, daß sich in
unserer Stadt der Baugewerke-Verein Stuttgart, e. V., ver
anlaßt gesehen hat, seinen Mitgliedern bereits jetzt, mehrere
Monate vor Eröffnung der Ausstellung, einen Begriff von
dem werdenden Weltunternehmen zu geben. Am Montag
Abend versammelten sich eine stattliche Anzahl Mitglieder
obigen Vereins sowie des Vereins „Bauhütte“, um über
die Bedeutung der Internationalen Baufach-Ausstellung
einen etwa 1 V 2 -stündigen Vortrag, der durch zahlreiche
Lichtbilder reich illustriert wurde, entgegenzunehmen. Der
Vortragende ging zunächst auf die Momente ein, die
dazu geführt haben, überhaupt eine Internationale Baufach-
Ausstellung zu veranstalten und entwickelte im Anschluß
hieran das außerordentlich reichhaltige Programm, das
sich diese erste Weltausstellung des Bau- und Wohn-
wesens in Leipzig gesteckt hat. Man kann schon heute
sagen, daß diese Ausstellung zu einer außerordentlichen,
bedeutenden technischen und wissenschaftlichen Repräsen
tation aller Kulturländer auf dem Gebiete des Bauens
und Wohnens führen wird und daß dieses Gebiet in
einer Ausdehnung behandelt werden wird, wie es bisher
auf keiner Ausstellung möglich war. ln klaren Ausführ
ungen zeichnete der Redner das Bild, das sich im Sommer
dieses Jahres in Leipzig entrollen wird; er führte seine
zahlreichen Zuhörer in die Industriehallen, in denen alle
dem Baugewerbe einschlägigen Zweige vertreten sein
werden. Man wird dort außerordentlich reichhaltiges
Material vorfinden, das jedermann interessieren dürfte.
Wir konnten einen Einblick in die gewaltige Maschinen
halle tun, in der man fast sämtliche Maschinen in Betrieb
vorführen wird. In einem wohlgelungenen Bilde stellte
man das „Monument des Eisens“, den Palast, den der
Stahlwerks-Verband mit dem Verein deutscher Brücken-
und Eisenbaufabriken zusammen erbaut, dar und viele
andere wundervolle Bauten, von denen die Eisenbeton
halle, die die Ausstellungen der wissenschaftlichen Abteil
ung, der deutschen Bundesstaaten, der Städte usw. auf
nehmen soll und dazu ausersehen ist, später als ständige
Ausstellungshalle der Stadt Leipzig bestehen zu bleiben,
erwähnt sei. Besonderes Interesse beanspruchen daher
die Ausstellungen des Preußischen, Bayrischen und Säch
sischen Staates. Das Ausland beteiligt sich zum Teil in
der wissenschaftlichen Abteilung, zum Teil in eigenen
Pavillons und zwar werden Oesterreich-Ungarn, Rußland,
Italien, Rumänien, Schweden und Norwegen, Holland,
Dänemark, Amerika usw. die Ausstellung beschicken.
Die landwirtschaftliche Sonderausstellung wird zeigen,
von welcher Einwirkung die Bauweise auf die Rentabilität
der Landwirtschaft ist, die Ausstellung für ßauliteratur
wird zum ersten Male einen Ueberblick über die gesamte
Literatur des Bauwesens geben. In der Gartenvorstadt
Leipzig-Marienbrunn wird die Bedeutung der Gartenstadt
bewegung in der Neuzeit dargelegt. Welche Bedeutung
der Ausstellung in den weitesten Fachkreisen beigemessen
wird, geht daraus hervor, daß über 200 Kongresse im
Rahmen der Ausstellung abgehalten werden.