22. März 1913
BAUZEITUNG
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päckabcertigung des Vorortverkehrs sowie schließlich das
Postgebäude. Am andern Ende des 163 m langen und
20 m breiten Kopfbahnsteigs, d. h. am Flügel der Lud
wigsburgerstraße liegen die Säle für den K. Hof, sowie
wieder Diensträume. Die Obergeschosse dieses Flügels
sind für den Fahrdienst, die Betriebsinspektion sowie für
Wohnungen bestimmt.
Der vorliegende Plan ist zunächst nur ein Vorentwurf,
der als Grundlage für die Aufstellung der endgültigen
Pläne dienen soll. Dabei dürften sich im einzelnen noch
Aenderungen ergeben, die Gesamtanlage aber wird bleiben
wie sie jetzt ist. Die Bausumme des überschlägigen
Kostenanschlags beträgt 5 850 000 M. Der Bau soll im
Frühjahr 1914 begonnen und der rechtseitige erste Bau
teil bis Frühjahr 1917 fertiggestellt werden. Nach dessen
Baumeistersfamilie der Parier bezeichnet. Das Münster
wurde als dreischiffiger Bau angelegt. Im Jahre 1383
wurde der Chor eingeweiht. Im Jahre 1392 wurde Meister
Ulrich von Ensingen mit dem Weiterbau beauftragt und
war bis zum Jahre 1397 tätig. Nebenbei war derselbe
am Straßburger Münster, sowie bei der Eßlinger Frauen
kirche beschäftigt. Er starb 1419 in Straßburg. Nach
seinem Tod übernahm sein Schwiegersohn Hans Kuhn
und dessen Sohn die Bauleitung, bis der Sohn Ulrichs,
Matthäus Ensinger 1451, und dessen Sohn Moritz 1463
den Bau übernahmen. Der Nachfolger derselben war
Matthäus Böblinger, welcher 1480 lebenslänglich angestellt
wurde. Es wurde anscheinend ein Wettbewerb für den
Turmaufbau ausgeschrieben, an dem sich auch Sürlin be
teiligte. Es wurde aber der Entwurf [von Böblinger zur
Abb. 3. Das neue Stuttgarter Empfangsgebäude
Inbetriebnahme kann dann der zweite Abschnitt in An
griff genommen und voraussichtlich bis Herbst 1919
vollendet werden.
Das Ulmer Münster und die
Ulmer Kunst
Vortrag gehalten bei der Mitgliederversammlung des Wiirtt. Bau
beamtenvereins am 9. März 1913 in Ulm von Stadtbaurat
J. Mößner -Ludwigsburg
Da wir in den Mauern von Ulm tagen, dürfte es an
gezeigt sein in kurzen Zügen die Baugeschichte des
Ulmer Münsters, sowie der Ulmer Kunst an unserem Auge
vorüber ziehen zu lassen.
Am 30. Juni 1377 wurde der Grundstein zum Münster
gelegt. Als erster Baumeister wird Bundeswerkmann,
Meister Heinrich, wahrscheinlich ein Mitglied der Gmünder
Ausführung bestimmt. Offenbar hatte aber derselbe die
Turmfundamente nicht genügend gegen die schwere Last
gesichert, denn es fielen anno 1492 einige Steine aus dem
Turmgewölbe. Der Architekt mußte die Stadt verlassen.
Die Ulmer beriefen fast sämtliche namhaften Baumeister
zur Begutachtung der Lage und betrauten dann Burkhardt
Engelberg von Hornberg mit den Sicherungsarbeiten. Der
selbe entledigte sich dieses Auftrags, doch scheute er
der Statik des Baues zu liebe vor einem nicht unbedenk
lichen Opfer zurück. Die breiten Seitenschiffe, deren Ge
wölbe gefährdet waren, teilte er durch eine Reihe von
Säulen und verminderte so die räumliche Wirkung des
Innern.
Der Ausbruch der religiösen Wirren und das Nach
lassen des Bürgerstolzes hemmten dann den Ausbau des
Turmes. Ein häßliches Notdach wurde auf den Turm
aufgesetzt. Die Unterfangung des Baues und das Ein
ziehen der Pfeiler erfolgte in den Jahren 1502—1507.