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BAUZEITUNG
Nr. 17
wurde, daß erst versucht werden müsse, durch Anwen
dung des § 35 Abs. 5 der Gewerbe-Ordnung dem Bau
schwindel entgegenzutreten, und erst, wenn dieser Ver
such fehlschlage, könne die Einführung des Gesetzes in
Frage kommen. Entsprechend diesem Standpunkte sind
von den Regierungen die untergeordneten Behörden strikte
angewiesen worden, mit größerem Nachdrucke als bisher
den § 35 Abs. 5 der Gewerbe-Ordnung anzuwenden und
die Reinigung des Bauunternehmertums zu betreiben. Ich
verweise auf die Preußische Ministerial-Entschließung vom
19. April 1909 und besonders auf die vom 16. November
1911. Aehnliche Entschließungen sind auch von den übri
gen Deutschen Bundesregierungen erlassen worden.
Angesichts dieser Sachlage kann jetzt, nachdem bereits
7 Jahre seit Inkrafttreten des § 35 Abs. 5 der Gewerbe
ordnung ins Land gegangen sind, mit Grund die Frage
aufgeworfen werden, ob denn eigentlich der erwähnte
Zweck, nämlich die Reinigung des Bauunternehmertums
von unsoliden Elementen auf Grund des § 35 Abs. 5 der
Gewerbe-Ordnung erreicht worden ist und überhaupt
erreicht werden kann. Ich schicke meinen folgenden
Ausführungen den Wunsch voraus, daß sie nicht als rein
negative Kritik aufgefaßt werden wollen, sondern als ein
positives Bestreben, auf notwendige Verbesserungen hin
zuweisen.
Ein Hauptmoment, welches einer durchgreifenden
Wirkung des Gesetzes im Wege steht, ist die ausdrückliche
Bestimmung, daß Tatsachen vorliegen müssen, welche die
Unzuverlässigkeit dartun. In die Praxis übersetzt heißt
dies: Erst muß nachgewiesen werden, daß ein Bau
gewerbetreibender in den und den Fällen sich gegen die
allgemein anerkannten Regeln der Baukunst verfehlt hat,
daß er in so und soviel Fällen betrügerische Geschäfts
praktiken ausgeübt hat und durch eigenes Verschulden so
und so viele Bauhandwerker um Tausende geschädigt hat.
Selbst wenn nachgewiesen wird, daß ein Bauunternehmer
3 Jahre lang keine Unfallversicherungsbeiträge für seine
Arbeiter zahlen konnte, daß er wiederholt erfolglos ge
pfändet wurde, und sogar den Offenbarungseid leisten
mußte, so reicht dies nach einem Urteile des preußischen
Oberverwaltungsgerichts vom 7. Juni 1909 nicht zur Un
tersuchung des Gewerbebetriebes aus, denn „es steht nicht
fest, daß der betr. Bauunternehmer dieses finanzielle Un
vermögen verschuldet hat“. Mit einem Worte, es fehlt
der fraglichen Gesetzesbestimmung die vorbeugende Wir
kung. Hier liegt eine Hauptschwäche der Bestimmung,
wenn man mit ihr einen Schutz der Bauhandwerker er
reichen will. Dieser Nachteil wurde bereits auf dem Dele
giertentag des Innungsverbandes Deutscher Baugewerks
meister in Essen 1908 klar charakterisiert und eine dies
bezügliche Eingabe an die Deutschen Bundesregierungen
beschlossen, wonach von unteren Verwaltungsbehörden
Abb. 5
Abb. 4
bei der Einreichung von Baukonzessionen ein Qualifika
tionsnachweis der Bauausführenden bezw. der Bauleiter
gefordert werden sollte. Die Eingabe des Innungsver
bandes begegnete jedoch damals im wesentlichen einer ab
lehnenden Haltung der Regierungen. Mittlerweile ist
aber in diesem Punkte durch die Praxis selbst eine Bes
serung herbeigeführt worden, indem in vielen Städten
die Baupolizeibehörden bei Einreichung von Bauplänen
die Namen der Gesuchssteller und sonstige Unterlagen
noch vor Plangenehmigung den Handwerkskammern mit-
teilen, zwecks eventl. Feststellung und Ermittelung von
Tatsachen im Sinne des § 35 Abs. 5 der G.O. Und an
manchen Orten, so z. B. in Nürnberg, wird außerdem der
Handwerkskammer noch besonders von dem später er
folgenden Baubeginn Mitteilung gemacht, damit eventl. in
der Zwischenzeit zwischen Plangenehmigung und Bau
beginn eingetretene Aenderungen in der Person des Bau
herrn oder Bauleiters u£w. nachgeprüft werden können.
Ich fasse zusammen: Die Schwierigkeit, die darin liegt,
daß das Gesetz nicht vorbeugend wirkt, läßt sich wesent
lich mindern, durch „richtiges Zusammenarbeiten zwi
schen Handwerk und Behörden“.
Große Schwierigkeiten verursachte auch die Beschaf
fung des für 'das Untersagungsverfahren notwendigen
Tatsachenmaterials; es leuchtet ein, daß es nicht so leicht
ist, von den meist finanziell abhängigen Bauhandwerkern
erschöpfende und wahre Angaben zu erhalten. Dazu
kommt und ist als weiterer Mangel des Verfahrens zu nen
nen; seine Umständlichkeit und Langwierigkeit, so daß
mit einer verhältnismäßig langen Zeit gerechnet werden
muß, bis endlich die Untersagung ausgesprochen ist. Auch
mit der Möglichkeit muß gerechnet werden, daß der betr.
Bauunternehmer, gegen welchen ein Untersagungsver
fahren eingeleitet ist, sich durch vorherige freiwillige Ge
werbeabmeldung der Untersagung entzieht, um dann
später an einem anderen Orte wieder aufzutauchen. Bis
zu einem gewissen Grade lassen sich die angeführten
Mängel des Verfahrens aber wohl beheben, und zwar
hauptsächlich durch die Selbsthilfe des Handwerks. Den
Organisationen des Handwerks ist es gelungen, Einrich
tungen zu schaffen, welche die bisherigen Klagen über un
vollständige, unrichtige und saumselige Materialbeschaf
fung gegenstandslos machten und so wesentlich mit zur
Beschleunigung des Verfahrens beitrugen: ich denke hier
vor allem an die Bauauskunftsstellen des Handwerks. Die
ses Beispiel zeigt, daß manche Mängel, die dem Unter
sagungsverfahren anhaften, auf dem Wege der Selbsthilfe
beseitigt werden können. Allerdings erscheint es als un-