6. Juni 1914
BAUZEITUNO
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In den Tagesblättern wurde das Ausschreiben wärm-
stens zur Nachahmung empfohlen, weshalb ein Eingehen
auf dasselbe sich verlohnen dürfte. Beim näheren Stu
dium wird jedoch Mancher enttäuscht das Blatt wieder
beiseite gelegt haben.
In einem stark bergigen Gelände (Höhenunterschied
bis zu 74 m) liegen acht durch schlangenförmige Straßen,
Eisenbahnen, städtische und staatliche Grundstücke aus
einandergerissene Parzellen, um deren Ausnützung es sich
handelt. Verlangt wird die Einzeichnung der Parzellierung
1 : 500 mit.1,sämtlichen Gebäudegrundrissen, Zubehörden,
Gärten, Hofräumen und Zufahrten unter Berücksichtigung
der bekanntlich noch in der Schwebe befindlichen Stutt
garterortsbaustatutarischen Bestimmungen und Verhältnisse:
sämtliche Grundrisse 1 : 200, die erforderlichen Schnitte
1 :200 mit Berücksichtigung der Höhenunterschiede, Ge
ländeverschiebungen usw., die sichtbar bleibenden An
sichten 1 :200, dazu noch eine Vogelperspektive.
Diesen gewiß nicht geringen Forderungen stehen
3 Preise im Gesamtbetrag von M. 4500 gegenüber.!
so geringe Summe zur Verfügung steht, so sollte wenig
stens vermieden werden, ein solches Verfahren dem Publi
kum gegenüber als besonders vorbildlich und nach
ahmenswert hinzustellen. —n.
Propaganda für die
Amortisationshypolheken
Die Verfechter der Idee der Amortisationshypothek
haben jetzt einen großen äußerlichen Erfolg erzielt: der
preußische Landwirtschaftsminister, der die Aufsicht über
die Hypothekenbanken ausübt, hat den Regierungspräsi
denten vorgeschrieben, auf die Leiter der Hypotheken
banken im Sinne einer eifrigen Pflege der Amortisations
hypothek einzuwirken. In der Verfügung des Ministers
wird dieser Weg als das beste Mittel zur Beseitigung
der Schwierigkeiten auf dem Hypothekenmarkte bezeich
net. Die Frage der Amortisationshypotheken, der Hypo
theken, bei denen durch Zahlung einer jährlichen Til-
Werkbund-Ausstellung Cöln 1914 Haupthalle, Mittelbau
Architekt; Professor Th. Fischer-München
Wenn man nun bedenkt, welche Auslagen für jeden
am Wettbewerb Teilnehmenden mit Durcharbeitung des
Projekts verknüpft sind, welche bedeutende Wertstei
gerung die Grundstücke durch die zu erwartenden Vor
schläge erfahren sollen und werden, wenn man ferner
bedenkt, daß der ausgesprochene Zweck des Ausschreibens
wohl der ist, die Grundstücke mit dem größtmöglichen
Gewinne zu verkaufen, also nicht einmal für den Sieger
irgend eine Aussicht auf Verwirklichung seiner Ideen,
oder auch nur eines Teils derselben winkt, wenn man zum
Schluß in Betracht zieht, daß es sich hier um ein Millionen
objekt handelt, so muß es doch fast wie eine Ausnützung
der Notlage erscheinen, in der sich gegenwärtig eine
ganze Anzahl Architekten befinden, wenn für den 1. Preis
ein Betrag von M. 2000 ausgesetzt ist, eine Summe, die
nicht einmal die Selbstkosten zu decken vermag bei
ernsthafter Bearbeitung des Programms.
Die Arbeiten sind bis 15. Oktober ds. Js. einzureichen.
Es wäre also ohne Hinausschiebung des Termins wohl
möglich und sehr zu begrüßen, wenn die Wettbewerbs
unterlagen einer nochmaligen Prüfung unterzogen werden
könnten. Sollte sich hiebei herausstellen, daß in der
Tat für die Honorierung der Arbeit des Städtebauers
und Architekten eine im Verhältnis zum Wert des Objekts
gungsrate der Gesamtbetrag der Hypothek, oder wenig
stens ein Teilbetrag abgezahlt wird, ist eine der umstrit
tensten auf dem Gebiete des Hypothekenwesens. Ur
sprünglich waren in Deutschland alle Hypotheken Amor
tisationshypotheken. Diese Einrichtung war im 18. Jahr
hundert, das die Hypothek nur als eine feudale Einrichtung,
eine Einrichtung zur Unterstützung adliger Ritterguts
besitzer kannte, eine Notwendigkeit. Denn der Kreis
derer, die Hypothekengelder ausleihen konnten, war ein
sehr geringer. Die Lauffrist der Hypotheken war infolge
dessen eine sehr lange und um den Hypothekenschuldner
nicht durch die Rückzahlung in Schwierigkeiten zu bringen,
zwang man ihn zu jährlichen Amortisationen. An diesem
gesunden Prinzip haben unsere Hypothekenbanken lange
Zeit festgehalten, am längsten die Bayerische Hypotheken-
und Wechselbank, die bis zum Jahre 1896 nur Amorti
sationshypotheken gewährte. Aber allmählich zwang die
ungeheure Ausdehnung des Hypothekenwesens zur Auf
gabe dieses Prinzipes. Der städtische Hausbesitz hat
sich in den letztenvwei Jahrzehnten in seiner Zusammen
setzung vollkommen geändert. Das Haus, das früher ein
fester Besitz war, von dem man sich nur ungern trennte,
wurde ein Handelsobjekt, das seinen Besitzer sehr schnell
änderte, sobald eine günstige Konjunktur den Preis des