Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1914)

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BAUZEITUNG 
Nr. 24 
eigenen Grundstück nach der B.-O. nicht aufzukommen, mag es 
sich um weiträumige Bauweise oder um einen enggebauten Orts 
teil handeln. Soweit deshalb keine Bestimmungen in Betracht 
kommen, die einen besonderen Grenzabstand vorschreiben (z. B. 
Seitenabstände nach einer Ortsbausaizung, Abstände für Holzfach 
werkswände, für Brettertäferungen u. dergl.) und soweit der Nach 
bar kein Recht auf Luft und Licht nachweisen kann, darf ein Neu 
bau ohne Rücksicht auf das Nachbargebäude auf die Grenze ge 
stellt werden. Baupolizeilich ist dies schon in Dutzenden von 
Fällen entschieden worden. Gerichtliche Entscheidungen sind mir 
nicht bekannt. B. 
Anfragen. Wie ist Art. 24 Abs. 2 der B.-O. in nachstehenden 
Fällen auszulegen? 
1 Fall. An einer vor 1911 genehmigten Baulinie wurden vor 
Inkrafttreten der neuen B.-O., also auch vor Inkrafttreten der 
neuen Ortsbausatzung eine Reihe Gebäude erstellt; Da diese in 
ununterbrochener Reihe im Anschluß an eine bestehende Straße 
stehen, haben die Besitzer die Herstellung der Straße durch die 
vorgenommen. Sind nun die Anlieger an der jetzt auszu 
bauenden Straßenhälfte hiefür ebenfalls ersatzpflichtig? 
Antwort. Fall 1. Das Neue und Wesentliche der dem 
früheren Rechte fremden Bestimmung des Art. 24 Abs. 2 der B.-O. 
ist gerade das, daß sie auf Gebäude Anwendung findet, die schon 
vor dem Inkrafttreten der Orfsbausatzung erstellt worden sind. 
Ob die Anlieger die Herstellung der Straße verlangen oder ob die 
Gemeinde die Straße von sich aus herstellt, ist dabei belanglos. 
Alle im Ortsbauplan festgestellten Straßen sind dazu bestimmt, 
angelegt zu werden und es gehen stets nicht blos die Bauenden 
bei der Erstellung eines Gebäudes an einer Baulinie, sondern auch 
die Baupolizeibehörden bei der Genehmigung solcher Gebäude 
selbstverständlich davon aus, daß die Straße auch tatsächlich her- 
gestellt wird. Was durch diese Annahme an der durch Art. 24 
Abs. 2 der B.-O. festgelegten Zahlungspflicht der Hausbesitzer 
geändert werden soll, ist nicht recht verständlich. 
Der Nachweis, daß der Verkaufswert eines Gebäudes durch 
die Herstellung der neuen Straße eine Steigerung in Höhe der An- 
J. G. FUcher- 
Denkmal 
Süßen 
Architekt: 
J. Hohl- 
bauch- 
Qeislingen 
Relief von 
W Schmid- 
Tübingen- 
München 
Gemeinde verlangt Diese hat die Anwendung des Art. 24 Abs. 2 
in die Ortsbausatzung aufgenommen und will auch jetzt in diesem 
Fall Gebrauch davon machen, d. h, die Anlieger zu den Straßen 
kosten beiziehen. 
1. Ist dies in einem solchen Falle zulässig, wo doch die Gebäude 
schon in Rücksicht darauf gebaut worden sind, daß die ge 
nehmigte Straße auch angelegt wird? 
2. Wenn ja, wie kann, ohne daß ein Verkauf stattfindet, der 
Nachweis geführt werden, daß diese Gebäude tatsächlich nicht 
mehr wert geworden sind? Dieselben sind schon einige 
Jahre bezogen. 
2. Fall. Aus Verkehrsrücksichten wurde eine im Jahr 1907 
ministeriell genehmigte Baustraße von der Gemeinde im Jahr 1908 
auf halbe Breite ausgeführt. Nun erstellten nach und nach auf der 
andern nicht angelegten Seite noch vor Inkrafttreten der neuen 
Ortsbausatzung verschiedene Grundbesitzer Neubauten. Diese 
verlangen jetzt den vollen stadtbauplanmäßigen Ausbau der Straße. 
1. Können nun die Anlieger an der seither nicht ausgeführten 
Hälfte der Straße zu den für den weiteren Ausbau erwachsenden 
Kosten auf Grund der in die Ortsbausatzungen aufgenommenen 
Bestimmungen des Art. 24 Abs. 2 beigezogen werden ? 
2. Der Grunderwerb zur Straße wurde unter der Herrschaft der 
alten Ortsbausatzung, zu dem in dieser vorgesehenen Höchst 
preis von 2.50 M. pro qm, von der Gemeinde auf volle Breite 
liegerbeiträge nicht erfährt, dürfte ziemlich schwer zu führen sein, 
da man doch im allgemeinen annimmt, daß ein Gebäude mehr 
wert ist, wenn es an einer fertigen Straße steht, als wenn es ab 
seits von einer Straße nur an einem Feldweg oder an einer pro 
visorischen Zufahrt steht. Das Gegenteil zu beweisen, liegt dem 
Hausbesitzer ob. Die Gemeinde befindet sich hier in einer äußerst 
günstigen Lage. 
Fall 2. Wie im 1. Fall so ist auch hier die Ersatzpflicht des 
Anliegers zu bejahen, wenn sie den dort erwähnten Nachweis nicht 
führen können. Sie waren übrigens schon nach § 7 des früheren 
Ortsbaustatuts für die Stadt Ulm verpflichtet den Grunderwerbungs 
aufwand der vor ihrem Baugrundstück liegenden Straßenfläche bis 
zur Mitte der Straße in so weit zu ersetzen, als der Aufwand den 
Betrag von 250 M. für das Ar übersteigt. Durch die neue sich 
auf Art. 24 Abs. 2 der B.-O. stützende Bestimmung von § 8 Nr. 3 
der neuen Ortsbausatzung für die Stadt Ulm hat sich die Lage des 
Grundbesitzes erheblich verschlechtert; sie sind jetzt nicht nur 
verpflichtet, den Qrunderwerbungsaufwand ganz zu ersetzen, son 
dern auch die Kosten für die Herstellung des Straßenkörpers samt 
erstmaliger Befestigung der Fahrbahn und Anlegung des Kandels, 
sowie die erstmalige Einrichtung der Straßenbeleuchtung zu tragen. 
Dabei ist es gleichgiltig, zu welchem Zeitpunkt die Gemeinde die 
Straßenfläche erworben hat. B. 
Verantwortlich: Karl Schüler, Stuttgart, Richard Gebhardt, Stuttgart. 
Druck: Gustav Stürner in Waiblingen.
	        

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