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BAUZEITUNG
Nr. 8
St. Martin (Pfalz) Partie vom Marktplatz
Eingangstore 1833
Nach Aufnahme von Baumerkmeister Wacker-Feuerbach
Auf dem Gebiete des Krankenhaus- und Irrenbau
wesens war er zu seiner Zeit eine der ersten Autoritäten.
Im Württ. Verein für Baukunde bekleidete er lange Jahre
das Amt des Vereinskassiers und förderte den Verein
durch Vorträge und Mitteilungen aus seinem vielseitigen
Arbeitsgebiet.
Für seine Tätigkeit hat er reiche Anerkennung gefunden,
seine Mitarbeiter und Schüler, denen er ein ausgezeich
neter Lehrmeister war, werden seiner stets dankbar ge
denken.
Der moderne Arbeitsprozeß und die Produktions
veredelung
Von Dr. Kuno Mittenzwey -München
Es muß uns immer wieder rätselhaft verkommen,
woran es denn liegt, daß das 19. Jahrhundert, das uns
unvergleichliche Errungenschaften und Fortschritte auf
allen möglichen Gebieten gebracht hat, zugleich das Jahr
hundert der großen Verhäßlichung geworden ist. Denn
wir mögen unsern Blick zurückwenden in welche Zeiten
wir wollen: wir finden eventuell den Ausdruck der Un-
beholfenheit oder aber einer unsicher gewordenen De
kadenz, nirgends aber, auch in der Zeit des dreißigjähri
gen Krieges nicht, die ja immer als die Zeit des größten
Darniederliegens Deutschlands genannt wird, eine der
artige Geschmacklosigkeit, ein solches Verlassensein von
allen guten Geistern, wie in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts. Man hat gesagt, die Leistungen dieses
Jahrhunderts lägen vorwiegend auf dem Gebiete der
Naturwissenschaft und Technik, und Kunst und Wissen
schaft seien feindliche Schwestern. Aber die naturwissen
schaftlichen Leistungen des 16. und 17. Jahrhunderts
stehen denen des 19. an schöpferischer Kraft nicht nach,
ohne daß die wissenschaftliche Einstellung zur Welt die
künstlerische Gestaltungskraft dieser Zeiten irgendwie be
einträchtigt hätte. Man hat von einer „Uebergangszeit“,
von dem Zerbrechen der ständischen Gesellschaftsordnung
und was allem gesprochen. Aber die Ueberwindung der
klerikal-feudalen Kultur am Ausgang des Mittelalters und
das Aufkommen des städtischen Bürgertums, sowie die
Zuwendung zu dem Formenkreis der Antike zu Beginn
der sogenannten Renaissance sind sicher nicht minder
starke Übergänge gewesen, ohne daß sich eine gleiche Rat
losigkeit des künstlerischen Ausdrucks gezeitigt hätten.
Das ist eben das Geheimnisvolle: In früheren Zeiten ge
schieht die Zuwendung zu neuen Inhalten und die Bewäl
tigung neuer Aufgaben stets mit einem unfehlbaren schöp
ferischen Instinkt; (keinen Augenblick ist z. B. die An
eignung klassischer Formen in der Renaissance zum klassi
zistischen Imitieren geworden. Nur im 19. Jahrhundert
scheint da irgend eine Kraft zu versagen. Anderseits zeigt
dieses Jahrhundert doch aber in der Erneuerung des
Nationalgefühls, in der Neugestaltung der staatlichen
Lebensformen sicherlich das Walten einer Menge schöp
ferischer Kräfte.)
Man muß die Lösung vor allem wohl darin finden,
daß im 19. Jahrhundert der Prozeß der Oütererzeugung
selbst rationalisiert wurde. Von Radio war das 18. Jahr
hundert sicher mehr angefüllt als die Zeit, die auf einen
Kant und Hegel folgte, aber damals blieb die Radio bloß
eine Sache der Weltanschauung und richtete künstlerisch
weiter keinen Schaden an. Jetzt war das Neue, daß sich
diese Radio auf den Prozeß der gewerblichen Arbeit rich
tete. Nach den Anforderungen der Maschinentechnik zer
spaltete sie den Herstellungsprozeß in viele Phasen und
verteilte ihn auf viele Hände, nach den Lehrern der bürger
lichen Nationalökonomie lernte sie, die ganze Erzeugung
auf Massenherstellung abzustellen. Das ist alles oft genug
geschildert worden.
Demgegenüber scheint die Herstellung eines edel und
organisch gebildeten Produkts nur möglich, wenn es mit
einer gewissen Liebe aufgefaßt wird. Kein Werkkünst
ler (wenn er wirklich ein solcher ist), der nicht eine Liebe
hätte zu dem Material, das er verarbeitet, zu der Form,
die er ihm verleiht. Diese Liebe war in dem Betrieb der
alten Gewerbe selbstverständlich, war in der Lebensord
nung dieser Gewerbe und in dem ganzen Tempo der Zeit
unvermerkt mitgegeben. In unserem modernen Arbeits
prozeß scheint dafür kein Platz mehr zu sein, ja überhaupt
nur in einer solchen wirtschaftlichen Betrachtung das
Wort Liebe zu gebrauchen, wird manchem schon depla
ziert Vorkommen. Wie sehr der Geist unserer indu
striellen Produktion dieser Liebe entgegen ist, das kann,
wer es sonst nicht sieht, an dem jetzt so vielgenannten
Taylor-System ersehen. Es ist ganz gut, daß einmal der
Gedanke unserer industriellen Arbeit mit äußerster Kon
sequenz bis zu Ende gedacht ist: sieht man doch daran,
bei welcher Härte und Lieblosigkeit des Arbeitsgedankens
wir angekommen sind. — Aber ich denke hier garnicht
bloß an den in der industriellen Massenfabrikation be
schäftigten Arbeiter; daß dieser, der immer nur dieselbe
Phase eines Produktes zu behandeln bekommt und diese
in ertötender Wiederholung, keine Liebe zu seinem Pro
dukt haben kann, ist traurig, aber nicht weiter verwunder
lich. — Aber auch der selbständige Gewerbetreibende
muß heutzutage zuerst an Konkurrenz und Nachfrage und
Reklame denken, und da bleibt für Liebe zum Werk keine
Zeit.