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BAUZEITUNO
Nr. 20/21
Die außerordentliche Hauptversammlung des
Deutschen Arbeitgeberbundes für das Bau
gewerbe in Hannover am 18. Mai 1916.
Zum 18. d. Mts. hatte der Deutsche Arbeitgeberbuud
für das Baugewerbe nach Hannover eine außerordentliche
Hauptversammlung berufen, der als Hauptverhandlungs
gegenstand die Beschlußfassung über die Annahme der
von der Verhandlungskommission ,des Bundes mit den
Vertretern der Arbeitnehmerorganisationen am 3. Mai
getroffenen Vereinbarung zur Verlängerung des Reichs
tarifvertrages für das Baugewerbe vorlag.
Die bedeutende Versammlung, wurde vom Vorsitzenden
des Bundes Herrn Architekt und Maurermeister E.Behrens
eröffnet, der betonte, daß die Verhandlungen diesmal
mit großer Sachlichkeit und in versöhnlicher Weise von
beiden Seiten geführt wurden, und daß diese Umstände
sowie auch besonders die geschickte und unparteiische
Führung der Verhandlungen durch den Leiter derselben,
Herrn Ministerialdirektor Exzellenz Dr. Caspar, wesent
lich dazu beigetragen haben, daß schließlich eine Einigung
zwischen den beiden Verhandlungskommissionen erzielt
werden konnte. Diese Einigung ist nur dadurch möglich
geworden, daß beide Parteien nachgegeben haben. Die
Vertreter der Arbeiterorganisationen mußten ganz wesent
lich die Forderungen, die sie bei den Verhandlungen im
Februar gestellt hatten, und die bekanntlich das Drei
fache des damaligen Angebotes des Arbeitgeberbundes
betrugen, ermäßigen, andererseits haben auch die Ver
treter des Arbeitgeberbundes anerkannt, daß ein Nachlassen
der Teuerung inzwischen kaum eingetreten und auch für
die nächste Zeit nicht zu erwarten ist, und daß für
den Spätsommer und Herbst sogar noch mit einer Steiger
ung gerechnet werden muß. Sie haben sich infolgedessen
veranlaßt gesehen, ihr früheres Angebot, das auf Beschluß
der 17. ordentlichen Hauptversammlung seit 15. März zur
Durchführung gelangt ist, dahin abzuändern, daß sie für
Juli und September eine weitere Erhöhung der Teuer
ungszulagen zubilligten.
Allerdings, so betonte Herr Behrens, war man sich
klar, daß diese Bewilligung Aussicht auf allgemeine Durch
führung im Reiche nur haben könnte, wenn sie von den
Arbeitgebern nicht aus der eigenen Tasche gezahlt werden
müßte, wozu bei den beträchtlichen Summen, die hier in
Frage kommen, kein Unternehmer imstande ist. Die
Unternehmer, die vor dem 3. Mai Bauverträge abgeschlossen
haben, konnten nicht mit einer solchen Erhöhung der
von ihnen zu zahlenden Kriegszulagen rechnen und sie
deshalb nicht in ihre Angebote einkalkulieren. Es ist
deshalb auch vom Bundesvorstand schon vor den er
neuten zentralen Verhandlungen an die augenblicklich für
die Bautätigkeit fast allein in Betracht kommenden Be
hörden, in erster Linie an das Königlich preußische Kriegs
ministerium, herangetreten worden mit der Bitte um Rück
erstattung der Zulagen an die Unternehmer, welche Bau
verträge vor dem 3. Mai abgeschlossen haben.
Erfreulicherweise ist es gelungen, von den Vertretern
der Arbeiterorganisationen die Zusage zu erlangen und
in der Vereinbarung zum Ausdruck zu bringen, daß Be
strebungen auf Abänderung der vereinbarten Löhne während
der Vertragsdauer von den Organisationen weder Anregung
noch Unterstützung finden werden. Es ist zu hoffen,
daß damit den in der letzten Vertragsperiode aufgetretenen
Lohntreibereien bei für die Arbeiter günstiger Konjunktur
ein Ziel gesetzt ist.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände bittet Herr
Behrens die Versammlung, im Interesse der Erhaltung
des Burgfriedens im Baugewerbe und des durch ihn mit
unterstützten wirtschaftlichen Durchhaltens des Vaterlandes
der Vereinbarung der Verhandlungskommission vom 3.
Mai d. Js. zuzustimmen. Herr Behrens schlägt namens
des Qeschäftsführenden Ausschusses der Versammlung
den folgenden Beschluß zur Annahme vor;
Die gHauptversammlung ermächtigt den Geschäfts
führenden Ausschuß dem Reichsamt des Innern die An
nahme der Vereinbarung vom 3. Mai d. Js. über die
Verlängerung der Tarifverträge zu erklären, nach
dem das Reichsamt des Innern die Zusage gegeben hat,
bei den bauenden Reichs- und Staatsbehörden dafür
eintreten zu wollen, daß die in der Vereinbarung vor
gesehenen Kriegsteuerungszulagen der Bauarbeiter den
bauausführenden Mitgliedern des Arbeitgeberbundes in
allen Fällen zurückerstattet werden, in denen der Bau
vertrag vor dem Zustandekommen der Vereinbarung ab
geschlossen worden ist, den Baugeschäften also die
Verpflichtung zur Zahlung von so außerordentlich hohen
Kriegsteuerungszulagen an die Bauarbeiter nicht bekannt
war.
In der auf die Ausführungen des Vorsitzenden folgenden
Aussprache wurde von den meisten Rednern die Bereit
willigkeit der von ihnen vertretenen Bezirke ausgesprochen,
im Interesse der Gesamtheit die mit der Erhöhung der
Zulagen verbundenen neuen Lasten auf sich zu nehmen.
Allerdings wurde vielfach bemängelt, daß die Mittelstädte
im Verhältnis zum platten Lande und den Grosstädten
außerordentlich hoch belastet werden. Allseitig wurde
aber betont, daß die Rückerstattung der Kriegszulagen
durch die Bauherren unbedingt erfolgen müsse, wenn
es möglich sein solle, die Bezahlung der erhöhten Zu
lagen überall zur Durchführung zu bringen.
In der Abstimmung wurde darauf der oben wieder
gegebene Antrag des Qeschäftsführenden Ausschusses
mit überwiegender Mehrheit gegen nur wenige Stimmen
von der Versammlung angenommen.
Nach Erledigung dieses Punktes der Tagesordnung
beschäftigte sich die Versammlung mit den Vorschlägen
des Wohnungsausschusses des Reichstags. Die Ver
sammlung nahm hierzu folgende Entschließung an:
Die Hauptversammlung begrüßt im Hinblick darauf,
daß das Gedeihen des deutschen Baugewerbes in hohem
Maße von der Erhaltung eines lebensfähigen Hausbesitzer
standes abhängt, den dem Reichstage von seinem Wohnungs
ausschuß am 11. April vorgelegten Beschluß, die Wirk
samkeit der Bundesratsverordnung vom 20. Mai 1915
betr. die Bewilligung von Zahlungsfristen bei Hypotheken
schulden über die Kriegszeit hinaus weiter auszudehnen.
Der Deutsche Arbeitgeberbund für das Baugewerbe würde
in Uebereinstimmung mit dem ihm nahestehenden Reichs
bunde baugewerblicher Arbeitgeberverbände eine be
friedigende Lösung darin finden, daß wenn es die Ver
hältnisse des Schuldners nach Gutachten des zuständigen
Hypothekeneinigungsamtes erfordern und die des Gläubigers
gestatten,
1. die Zahlungsfrist für Hypotheken- und Qrundschuld-
kapitalien bis zu 6 Monaten nicht nur einmal, sondern
wiederholt bewilligt werden kann,
2. die Zahlungsfrist für Hypothekenzinsen nicht nur
einmalig 3 Monate, sondern wiederholt 6 Monate
wie beim Kapital selbst bewilligt werden kann,
3. die Zahlungsfrist gewährt wird zu den bisherigen
oder einem nach Anhörung des Hypothekeneinigungs
amtes festzusetzenden, nur mäßig erhöhten Zinsfuß
unter Ausschluß aller Abschluß- und Verlängerungs
provisionen,
4. diese geänderten Bestimmungen vorerst bis zu 1
Jahr nach Friedensschluß in Kraft bleiben.
Zu dem Beschluß, welchen der Wohnungsausschuß
dem Reichstage hinsichtlich des Schutzes der Mieter vor
Mietssteigerungen zur Annahme, empfohlen hat, vertritt
der Deutsche Arbeitgeberbund für das Baugewerbe in
Uebereinstimmung mit dem Schutzverband für deutschen
Grundbesitz den Standpunkt, daß der Hausbesitz ebenso
wie jede andere privatwirtschaftliche Betätigung den An-