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BAUZEITUNO
1./15. Oktober 1916-
Längsseite 17 Ein- und Auskleidezellen, ebensoviel lassen
sich noch links einbauen. Westlich sind Massenauskleide-
gestelle für Schüler und Schülerinnen vorhanden. Zwei
Treppen führen zu offenen Baikonen, von denen der süd
liche zu Luft- und Sonnenbadzwecken Verwendung ge
funden hat. Wände und Gewölbe der Schwimmhalle er
hielten einen rauhen hellen Putz; die Pfeiler sind auf Ka
binenhöhe mit blau geflammten Wandplatten bekleidet,
Kabinenwände weiß lackiert. Das Schwimmbecken, mit
Spucknischen versehen, ist auf dem Boden mit grünlich
blauen, an den Wänden mit weißen Mettlacher Plättchen
ausgelegt und mit allen modernen Armaturen und Einrich
tungsgegenständen, wie Hochdruckbrausen, Wasserzer
stäuber, Schwimmlehrapparat, Hochsprungbrett usw. ver
sehen. Schluß folgt.
dieser faule Fassadenzauber, dieses widerliche Hinein
tragen der minderwertigen Vorstadtblendarchitektur in
ganz ländliche Verhältnisse wird allerdings kaum in einer
anderen Gegend Europas wieder verkommen. Wenn
hier die Belgier später in den zerstörten Küstenorten,
in denen die englischen und die belgischen Geschütze
so gut aufgeräumt haben, an den Wiederaufbau schreiten,
werden sie auch mehr an die Gesamtkomposition denken
und hoffentlich von den schlechten Erfahrungen, die sie
selbst gemacht haben, lernen. Es werden große, wichtige
und entscheidende Aufgaben sich für Belgien ergeben,
und für viele Städte und Ortschaften wird es entschei
dend sein, ob sie jetzt die günstige Stunde erkennen
und hier eine Gesundung der heimischen Bauweise
versuchen, oder ob sie der frechen Selbstherrlichkeit
Uhlandbad. Schwimmhalle.
„Der Wiederaufbau Belgiens.“
Zum Wiederaufbau Belgiens wird im „Deutschen
Willen“ (Kunstwart) ausgeführt, daß man freilich für die
Wiederherstellung belgischer Bauten und Brücken sorgen
mußte, soweit es praktisch möglich war, darüber hinaus
aber solle man den Belgiern keinen Wiederaufbau auf
drängen, denn wie man’s auch anfange, die Belgier
werden unsere Grundsätze und Restaurierungen auf jeden
Fall verurteilen. Das gelte besonders für die „Denk
malpflege“. Weiter führt der Verfasser aus:
Die dritte und wichtigste Frage betrifft die Wieder
herstellung der Heimstätten, Wohnbauten, Repräsentations
bauten, den Wiederaufbau ganzer zerstörter Städte und
Dörfer. Hier handelt es sich über die Frage der
architektonischen Gestaltung im einzelnen hinaus um
eigentlich städtebauliche Aufgaben. Auch hier wird es
zunächst auf eine grundsätzliche Auseinandersetzung an
kommen. Man hat den Belgiern vorgeworfen, daß ihnen
die Grundsätze des Heimatschutzes, der heimatlichen
Bauweise, wie sie in Deutschland verstanden werden,
nicht in Fleisch und Blut übergegangen sind. Die Be
bauung der belgischen Seeküste, diese Musterkarte
architektonischer Scheußlichkeiten, diese Beispielsamm
lung für das Mißverstehen der Grundstückausnützung,
halbgebildeter Bauunternehmer weiter die Schönheit ihrer
Ortsbilder preisgeben wollen.
Man täuscht sich, wenn man glaubt, daß man jetzt
in Belgien schon eifrig an der Arbeit wäre. Niemand
denkt daran. In den großen Städten ist aufgeräumt, und
die Architekten machen Projekte; da sie nichts zu bauen
haben, sind sie um so eifriger bei der Arbeit mit dem
Reißbrett und Zeichenstift. Aber für den Wiederaufbau
fehlt es an Geld und noch einmal an Geld, es fehlt an
Arbeitern, es fehlt vor allem auch an Baumaterialien.
Während des Krieges ist ganz und gar nicht an einen
Aufbau in großem Maßstab zu denken.
Freilich, wenn dem Lande friedlichere Zeiten beschie
ßen sein werden, dann wird der Aufbau an vielen Stellen
gleichzeitig einsetzen müssen, und es wird dann zu
Ueberlegungen über Prinzipienfragen keine Zeit mehr sein.
Diesen Ueberlegungen sind eben diese Monate gewidmet.
Wie in Brüssel einst der alte Kampf zwischen den beiden
Machthabern, dem alten und eigensinnigen König Leo
pold und dem verehrungswürdigen und hochverdienten
ersten Bürgermeister Charles Buls ein Kampf zwischen
dem Prinzip der großen durchgeführten Avenue und dem
der malerisch unsymetrischen Stadtanlage war, so kämpfen
diese beiden Grundsätze auch heute miteinander. Ist es
wirklich die Aufgabe der deutschen Verwaltung, hier