Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1917/18)

BTOSfl 
FÜR WÜRTTEMBERG 
BRDEN* HESSEN* GL’ 
SHSS- LOTHRINGEN- 
Inhalt Verglaste Veranden und Art. 67 Abs. 3 der Württ. Bauordnung. — Französi 
sche Dorfstrassen. — Wettbewerb. — Verschiedenes. — Vereinsmitteilungen. 
Alle Rechte Vorbehalten. 
Verglaste Veranden und Art. 67 Abs. 3 der Württ. Bauordnung. 
Verglaste Veranden oder verglaste Loggien, die sich 
über die Hauptfenster eines Aufenthaltsraums erstrecken, 
stehen im Widerspruch mit Art. 67 Abs. 3 der Bau-O., 
weil der Aufenthaltsraum kein unmittelbar ins Freie füh 
rendes Fenster hat. 
Die mancherlei Annehmlichkeiten und Vorzüge, welche 
verglaste Veranden bieten, lassen sich ohne Verletzung 
baupolizeilicher Vorschriften erreichen, wenn die Veranda 
- so angebracht wird, daß der dahinter liegende Aufent 
haltsraum wenigstens noch ein unmittelbar ins Freie füh 
rendes Fenster behält. Immer läßt sich dies jedoch nicht 
erreichen und so führt der Widerspruch zwischen dem 
Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift und dem Wunsche 
nach einer verglasten Veranda zu mancherlei Widerwärtig 
keiten für die Hausbesitzer wie für die Baupolizeibe 
hörden. 
Wenn es einerseits sachlich begründet ist, daß 
Wohnräume oder andere zum längeren Aufenthalt von 
Menschen dienende Räume zur Erzielung hinreichender 
Tagesbeleuchtung und zur Ermöglichung genügender 
Lüftung, diesen Haupterfordernissen gesunden Wohnens, 
mit unmittelbar ins Freie führenden Fenstern von genüg 
ender Zahl und Größe versehen werden, so ist doch 
andererseits nicht zu verkennen, daß erhebliche Miss 
stände nicht zu befürchten sind, wenn vor den Fenstern 
des einen oder anderen Raums einer aus mehreren gut 
belichteten und leicht zu lüftenden Räumen bestehenden 
Wohnung eine verglaste Veranda so angebracht wird, 
daß genügender Licht- und Luftzutritt gesichert bleibt 
und feuerpolizeiliche Mißstände vermieden werden. 
Wenn z. B. die Veranda nicht sehr tief ist und genügend 
große, leicht zu öffnende, unmittelbar ins Freie führende 
Fenster hat und ferner der Zutritt von Licht und Luft zu 
der Veranda und durch sie hindurch zu dem dahinter ge 
legenen Aufenthaltsraum nicht durch gegenüberstehende 
Gebäude beeinträchtigt wird, wird die verglaste Veranda 
zugelassen werden können. Ungünstiger als bei ver 
glasten Veranden liegen die Verhältnisse im allgemeinen 
bei verglasten Loggien. Wird hier der Lichtzutritt zu 
dem dahinterliegenden Raume ohnedies mehr geschmälert 
als bei einer über die Umfaßungswand des Gebäudes 
hinausragenden Veranda, so ensteht auch die naheliegende 
Gefahr, daß mit der Zeit zwei hintereinanderliegende 
Aufenthaltsräume geschaffen werden, von denen der eine 
fast ganz von Luft und Licht abgeschlossen ist. 
Es ist deshalb durchaus begründet, wenn an der 
Vorschrift des Art. 67 Abs. 3 der Bau-O. grundsätzlich 
festgehalten, im einzelnen Fall aber nach Prüfung der 
Verhältniße auch verglaste Veranden oder sogar Loggien 
zugelassen werden, die sich über sämtliche Fenster eines 
Aufenthaltraums erstrecken. Bisher geschah dies in der 
Weise, daß sich das Ministerium des Innern die Prüf 
ung des einzelnen Falles vorbehielt und, wenn die Ver 
hältnisse günstig lagen, die Befreiung von der entgegen 
stehenden Vorschrift unter Sportelansatz aussprach. Um 
bei den häufiger vorkommenden verglasten Veranden die 
Einreichung eines Befreiungsgesuchs den Bauenden zu 
ersparen und das baupolizeiliche Verfahren zu verein 
fachen, wurde unter anderem von der Baupolizeiabteilung 
des Gemeinderats Stuttgart und dem Gemeinderat Nür 
tingen die Frage geprüft, ob nicht die ordentlichen Bau 
polizeibehörden in der Lage seien, von sich aus ver 
glaste Veranden zuzulassen, auch wenn sie im Wider 
spruch mit dem strengen Wortlaut von Art. 67 Abs. 3 
der Bau-O. stehen. 
Für die Bauenden und die Baupolizeibehörden im 
Lande dürfte es von Wert sein, die Stellung kennen zu 
lernen, die das Ministerium des Innern, Abteilung für 
das Hochbauwesen, zu dieser Frage einnimmt. Diese 
oberste Baupolizeibehörde des Landes hat in einem Er 
laß vom 11. Nov. 1916 an das K. Oberamt Nürtingen 
ausgesprochen: „daß, wenn Veranden vor Hauptfenstern 
liegen, die zuständige Baupolizeibehörde im einzelnen 
Fall pflichtmäßig zu ermessen habe, ob, inwieweit und 
unter welchen Bedingungen eine Verglasung der Veranden 
gegen außen mit Rücksicht auf die allgemeinen Vor 
schriften Art. 67 Abs. 1 und 2, sowie Art. 44 der Bau-O. 
im ordentlichen Verfahren zugelassen werden kann.“ 
Zugleich ist in diesem Erlaß ausgesprochen, daß unter 
der Voraussetzung der Wahrung dieser allgemeinen Rück 
sichten die beim städtischen Baupolizeiamt Stuttgart 
herrschende Uebung nicht beanstandet werde, einen Ver 
stoß gegen Art. 67 Abs. 3 der Bau-O. nicht anzunehmen, 
wenn den Hauptfenstern nichts anders als verglaste Ver 
anden vorgesetzt sind, die nicht weiter als 1 */» m aus- 
laden und gegenüber den Hauptfenstern ebenfalls be 
wegliche, unmittelbar ins Freie führende Fenster haben. 
M. B.
	        
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