1./15. Januar 1917.
BAUZEITUNG
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Architekt und Bauhandwerker.
Von Heinrich Frese, Architekt in Barmen.
Es ist eine häufig wiederkehrende Erscheinung im
wirtschaftlichen Leben, daß Berufskassen, die in ihrer
Tätigkeit an und für sich aufeinander angewiesen sind,
die Reibungsflächen ihrer Interessen stärker empfinden,
als deren Berührungspunkte. Architekt und Unternehmer,
zwei wirtschaftliche Gruppen, in der Art und Auffassung
ihres Berufes zwar verschieden, aber dennoch miteinander
an demselben Werke arbeitend, stehen sich in oft an Er
bitterung grenzender Kampfbereitschaft gegenüber. Jede
Organisation der zweifellos vorhandenen gemeinsamen
Interessen und Beziehungen fehlt. Die Gegensätze werden
hervorgerufen auf Seiten der Architekten durch das liefern
missionsunterlagen. Beides veranlaßt den Architekten,
seine Bedingungen immer schärfer zu formulieren. Je
mehr er die Schraube anziehf, um so mehr zwingt er den
in seiner Existenz bedrohten Unternehmer zu raffinierten
Gegenmittel. Den anständig denkenden Unternehmer em
pört der Mangel an Vertrauen, der sich in den sogenannten
scharfen Bedingungen des Architekten äußert. Er ver
zichtet lieber darauf, sich an solchen Submissionen zu
beteiligen und versucht schließlich den Architekten zu
verdrängen, indem er geeignete Beamte anstellt und die
Projekte gratis anliefert.
Der Architekt hat ein großes Interesse daran, mit zu
verlässigen zahlungsfähigen Unternehmern zu arbeiten.
Die zivilrechtliche Verantwortung legt ihm Verpflichtungen
von Gratisprojekten seitens der Unternehmer, auf Seiten
der Unternehmer durch die oft geübte bedenkliche Art
des Submissionsverfahrens seitens der Architekten. Die
gegenseitige Erbitterung über diese Kampfmaßnahmen ist
berechtigt, denn sie sind geeignet, die wirtschaftliche
Existenz des einen oder anderen Teiles zu gefährden.
DieMöglichkeit einer Verständigung ist durch das Zusammen
wirken der großen Organisationen der Architekten und
des Baugewerbes gegeben. Durch geeignete Abgrenzung
der gegenseitigen Beziehungen läßt sich der Kampf, wenn
nicht völlig beseitigen, so doch jedenfalls in vernünftige
Bahnen lenken.
Der Architekt kann das Submissionsverfahren nicht ent
behren; er hat aber kein Interesse an der übermäßigen
Unterbietung. Der Unternehmer, der für gedrückte Preise
arbeiten soll, wird schließlich gezwungen, sich schadlos
zu halten, entweder durch minderwertige Arbeiten oder
durch Ausnutzen und Erspähen jeder Lücke in den Sub-
auf, die für ihn außerordentlilch verhängnisvoll werden
können, um so mehr, wenn der Unternehmer minderwertig
und zahlungsunfähig ist. Das läßt sich nicht durch scharfe
Bedingungen, auch wenn sie den Unternehmer scheinbar
ganz dem Willen des Architekten unterwerfen, aus der Welt
schaffen. Auch die Haftpflichtversicherung kann den Archi
tekten nicht vor empfindlichen Verlusten schützen.
Das zuverlässigste Mittel, den wirtschaftlichen Kampf
beider Gruppen zu mildern und in vernünftige Bahnen
zu lenken, ist, wie oben gesagt, in der Organisation der
gegenseitigen Beziehungen gegeben. Wie weit diese
Organisation möglich ist, zeigt das Beispiel amerikanischer
Städte, in welchen förmliche Verträge zwischen den orts
ansässigen Architekten und Unternehmern bestehen, die
das Eindringen minderwertiger und unlauterer Elemente
auf beiden Seiten unmöglich machen.
Der erste Schritt, der zur Herstellung besserer Be
ziehungen zwischen deutschen Architekten und Unter