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BAUZEITUNG
Nr. 40/42
gelang der allgemeinen Wohnungsfrage in gesundheit
licher, wirtschaftlicher und organisatorischer Beziehung
dürfte deshalb eine der wichtigsten Aufgaben sein, die
Unser nach dem Kriege harren. Und zwar darf sich die
Wohnungsfürsoige nicht nur wie früher auf die Arbeiter
klasse erstrecken, sondern in gleichem Maße auf alle
Kreise des Mittelstandes, der jetzt so schwer leidet und
der künftighin seine Funktionen als Rückgrat des Staates
nur dann zu verrichten im Stande sein wird, wenn es von
diesem bald und ausreichend gestützt wird. Aber am
dringendsten ist zweifellos die Frage der Versorgung un
serer Kriegsverletzten mit Wohnungen, die Frage des
Kriegerheimstättenbaus. Das Gefühl der Dankesschuld
gegenüber unseren feldgrauen Helden hat in weiten Kreisen
das soziale Gewissen geschärft und den schönen Gedanken
zur Reife gebracht, denen, die unseren Herd mit Einsetzung
ihrer Person geschützt, billige, gesunde und wohnliche
Heimstätten zu schaffen. Mit Inangriffnahme der Arbeiten
hiefür dürfen wir nicht zögern bis zu ihrer Heimkehr, wir
müssen sie ihnen bis dahin fertig bereit halten.
Da kommt nun ein Aufsatz des Prof. Dr. Karl E.
Endriß von der Stuttgarter Techn. Hochschule im Monats
blatt des Gustav Jägervereins gerade im richtigen Augen
blick und verdient allseitige Beachtung nicht nur in Fach
kreisen. Unter dem Titel: „die Baustoffe für Heimstätten
In technologischer, insbesondere hygienischer Beur
teilung“ unternimmt es der Verfasser die süddeutschen
und insbesondere unsere heimischen Baustoffe nach ihrer
Verwendbarkeit vom hygienischen und technologischen
Standpunkt aus zu beschreiben, zu klassifizieren. Die
durchsichtig geschriebene Abhandlung enthält wertvolle
Winke für Architekten und Bauherrschaften, für Fabrikanten
und Unternehmer. Im Abschnitt Qrundbau interessiert
besonders die Empfehlung von Bruchsteingemäuer. Das
Gründen mit Beton ist ja allmählich zur gedankenlosen
Übung geworden auch in Gegenden, wo Mauerung mit
guten ortsüblichen Steinen billiger und zweckmäßiger wäre.
Von den heimischen Bausteinen werden als geeignetes
Material genannt: Der Qanggranit (Murgtal), die Granulite
(Murg- und Kinzigtal), die vulkanischen Riestuffe, die
nichttonigen Buntsandsteine, kieseligen Keupersandsteine,
hochprozentigen Kalksteine und Cannstatter Hartkalktuff.
Voraussetzung für ein gutes Bruchsteinmauerwerk ist aller
dings sorgfältige Ausführung — bei nicht lagerhaften
Steinen die Zwischenräume mit Brocken auszwicken nicht
nur mit Mörtel auswerfen, bei lagerhaften Steinen in ge
wissen Abständen Backsteinschichten durchgehen lassen,
auf alle Fälle möglichst große Steine verwenden. Als
Material für Haussockel bezeichnet Prof. Endriß das beste
als gerade gut genug. Der heute mit Vorliebe hiefür ver
wendete Vorsatzbeton ist nicht unbedingt und nicht in
allen Fällen hiezu zu rechnen. Vor allem ist er emp
findlich gegen Stoß und also ungeeignet für besonders
gefährdete Stellen wie Tür und Torecken, Prellsteine,
Freitreppenwangen u. dergl. Aber auch seine Wetterbe
ständigkeit ist nur dann gewährleistet, wenn er nicht zu
grobkörnig genommen wird, wofür die Pfeiler der neuen
Einfriedigung der Kgl. Anlagen an der Ludwigsburgerstraße
ein lehrreiches Beispiel oder vielmehr Gegenbeispiel ab-
geben, insofern deren Kanten infolge Ausbrechens vieler
Steinchen schon nach dem ersten Winter zu recht häß
lichen „Sägen“ geworden sind. Bei der Kellerlüftung
wäre noch zu beachten, daß die Querlüftung konsequent
durchzuführen ist, also nicht unterkellerte Teile durch
Lüftungsrohre mit den unterkellerten und der Außenluft
in Verbindung gesetzt werden müssen. Den umfangreich
sten Abschnitt bildet naturgemäß die Beschreibung der
Materialien für den Oberbau. Den Hauptwert legt hier
der Verfasser auf den Wärmeschutz der Umfassungs
wände. Seine Klassifikation der Bausteine nach ihren
wärmeschützenden Eigenschaften ist neu und verdient
besondere Beachtung. Wärmeschützer 1. Klasse sind
hienach die Weichkalktuffe, Hohlziegel, Riestraß, Kunst
sandsteine und Kunstkalksteine, künstliche poröse Schlak-
kensteine. Insbesondere die letzteren wären bei weiterer
Ausgestaltung der Industrie nach Art der Mössinger und
Kirchheimer Fabrikate billig und leicht zu beschaffen —
im Zusammenhang damit regt Prof. Endriß den Ausbau
unserer Schieferindustrie (Oberer Lias) an. Ein weiterer
wichtiger Gesichtspunkt bei der Wahl des Mauermaterials
ist die Trokenhaltung bzw. die Wasser- und Feuchtigkeits
aufnahmefähigkeit. Die diesbezügliche Klassifikation zeigt,
daß die Bausteine der 1. Wärmeschutzklasse gleichzeitig
auch Raschtrockner sind. Betonmauern sind wegen ihrer
geringen Wärmedichtigkeit keinesfalls zu empfehlen. Ver
suche mit Gußwänden und ganzen Gußhäusern haben
bis jetzt zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt. Hier
wäre vielleicht noch die alte Lehmbauweise zu nennen,
deren Vorzüge unsere im fernen Osten kämpfenden Feld
grauen kennen zu lernen Gelegenheit hatten. Die Lehm
wände sind nämlich bei sachgemäßer Ausführung voll
ständig wärmedicht und vor allem sehr billig. Die Ver
wendung dieser Bauweise für ärmere landwirtschaftliche
Bezirke dürfte also der Erwägung wert sein. Für den
Kalkverputz, insbesondere auf Schlackensteinmauern,
redet der Verfasser dem hydraulischen Mörtel das Wort
und empfiehlt zur Gewinnung hiefür geeigneten Natur
zements den Riestraß (vulkanischer Tuff). Unter den
Mauermaterialien für den Innenbau stehen wiederum die
Schlackensteine obenan. Eine große Wichtigkeit für den
Wärmehaushalt einer Wohnung kommt der Anordnung
und Ausführung der Fenster und deren Abschließbarkeit
für Wärmedurchzug mittelst Läden u. dergl. zu. Jedoch
auch bei bester Ausführung der Fenster lassen die
Scheiben selbst erfahrungsgemäß noch Wärme genug
durch, um die Vermeidung einer weiteren Steigerung des
Wätmeverlustes der beheitzten Räume durch übertriebene
Luftburchlässigkeit der Mauern als wünschenswert er
scheinen zu lassen. Die Frage der Bedeutung der Luft
durchlässigkeit der Außenwände in hygienischer Be
ziehung ist ja sowieso noch nicht völlig geklärt. Eine
gewisse, wenn auch sehr mäßige, Porosität ist sicherlich
zu empfehlen. Nach außen müssen die Mauern, beson
ders an der Wetterseite, gegen Schlagregen geschützt
werden. Hydraulische Zuschläge zum Mörtel genügen
nicht immer, zumal bei exponierten Lagen und bei Klein
bauten wo die Mauerstärken mit Rücksicht auf die Billig
keit aut das statische Mindestmaß beschränkt zu werden
pflegen; ein Anstrich mit isolierender Lösung ist da in
den meisten Fällen unbedingt anzuraten. Im Hinblick
auf die obenerwähnte, hygienisch notwendige Porosität
der Wände gibt Prof. Endriß der Tapezierung oder dem
Leimfarbanstrich den Vorzug gegenüber den luftabdichten-
den Anstrichen (Oel- oder Emaillefarbe). Für Lüftung der
Aborte wird die bekannte, leider viel zu wenig ange
wandte Jägersche Bodenlüftung in Erinnerung gebracht.
—Hier wäre vielleicht noch anzufügen: die zentrale Lüf
tung des Gebäudes, die namentlich bei Reihenhäusern
wünschenswert und in Verbindung mit dem zentralgele
genen Schoferheizkamin leicht herstellbar, auch die Mög
lichkeit einer Queiiüftung ist tunlichst anzustreben. Bei
den Zwischenböden käme außer den angeführten Ma
terialien wohl auch noch Torfstreu in Betracht, die bei
intensiver Ausbeutung unseres ausgedehnten oberschwä
bischen Torfgebiets, da diese ja in Absicht auf Gewin
nung von Kohlenersatz schon immer angestrebt wird,
leicht und billig zu beschaffen wäre. Der Vorschlag,
Biberschwanzdeckung statt der lange über Gebühr ge
schätzten Falzziegeldeckung zu wählen, ist auch vom
künstlerischen Gesichtspunkt aus zu begrüßen. In man
chen Gegenden, wie im Schwarzwald, wo weiche Be
dachungsarten heimisch sind, wäre das Zurückgreifen auf