Full text: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen (1917/18)

Nr. 24/26 
BAUZEITUNO 
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kam über eine dortliegende Bohle so unglücklich zu Fall, 
daß sie sich nicht unerheblich verletzte. 
Gegenüber der Schadenersatzklage der Verunglückten 
wandten der beklagte Bauunternehmer und sein Bau 
führer ein, die Klägerin habe den Unfall selbst durch 
ihre Unvorsichtigkeit verursacht; sie habe den Weg ge 
kannt und hätte vorsichtig sein müssen — umsomehr, 
als sie nach ihrer eigenen Angabe wiederholt gesehen 
hatte, wie Personen in der Nähe der Baustelle über 
Hinternisse stolperten. 
Der Bauunternehmer machte noch besonders geltend, 
er habe sich auf seinen Bauführer verlassen dürfen, denn 
es handle sich um einen erprobten Angestellten, und 
weiter habe er auch damit rechnen dürfen, daß die in 
Frage kommende Stadt ihre Straßen ordnungsgemäß be 
leuchten würde. — Der Bauführer seinerseits betonte, 
er habe stets Anweisung gegeben, für die Verkehrssicher 
heit bei der Baustelle zu sorgen, und er habe auch hier 
und da selbst nachgesehen, ob die Poliere den Anord 
nungen Folge leisteten. 
Das Oberlandesgericht Colmar hat jedoch die beiden 
Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zweifellos hatte der 
Bauführer die Verpflichtung, für die Verkehrssicherheit 
bei der Baustelle Sorge zu tragen; es genügte keines 
wegs, wenn er „hier und da“ einmal nachsah. 
Auch den beklagten Bauunternehmer trifft ein Verschul 
den. Er hätte sich des öfteren von der Verkehrssicher 
heit auf der Baustelle persönlich überzeugen müssen; 
es kann ihn nicht entlasten, daß er, wie er vorbringt, 
nicht am Orte wohnte. Hätte er gelegentlich nach Ar 
beitsschluß die Baustelle besichtigt, so würde er die 
herrschende Unordnung bemerkt und für Abhilfe 
Sorge getragen haben. — Der Bauunternehmer kann 
sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Stadt 
ihrer Verpflichtung zur Beleuchtung der Straße ordnungs 
gemäß hätte nachkommen müssen und daß bei ange 
messener Beleuchtung der Straße der Unfall sich nicht 
ereignet hätte; denn die Verpflichtung des Bauunterneh 
mers zur Beleuchtung der Baustelle ist durch eine Ver 
pflichtung der Stadt zur Beleuchtung der Straßen keines 
wegs beseitigt. 
Schließlich kann auch keine Rede davon sein, daß 
die Klägerin den Unfall durch ihre Unachtsamkeit 
verursacht hat. Auch bei langsamem Vorschreiten im 
Dunkeln hätte die Klägerin den Unfall sehr wohl er 
leiden können, und überdies liegt in der mangelhaften 
Beleuchtung und Aufräumung der Baustelle ein so er 
hebliches Verschulden, daß eine Unachtsamkeit der 
Klägerin demgegenüber nicht ins Gewicht fällt. 
Aus alledem ergibt sich die Pflicht der Beklagten 
zur Schadenshaftung. 
Kriegstagung der Sächsischen und 
Reußischen Bau-Innungen. 
Der Innungs-Bezirks-Verband der Sächsischen und 
Reußischen Bauinnungen hielt am 16. und 17. Juni d. Js. 
in Dresden seinen 29. Bezirkstag ab, mit der zugleich 
seine dritte Kriegstagung verbunden war. An ihr nahmen 
eine Reihe von Ehrengästen als Vertreter der staatlichen 
und städtischen Behörden teil. Die Versammlung ge 
nehmigte einstimmig den gedruckt vorliegenden Bericht 
wie den neuen Haushaltplan und erteilte dem Vorstande 
die Entlastung. Bei der Festsetzung des Beitrages für 
das nächste Geschäftsjahr wurde auf Anregung von Bau 
meister Wachs (Roßwein) beschlossen, zur Stärkung 
der Hauptverbandskasse einen freiwilligen Beitrags 
zuschlag von 50 Pfg. für das Mitglied zu zahlen und 
nach Berlin abzuführen. Ueber den Stand der im Nov. 
v. Js. errichteten Hypothekenschutzbank berichtete 
Baumeister Kretzschmar (Leipzig). Er empfahl dringend, 
das Unternehmen im Interesse unseres Gewerbes nach 
Möglichkeit zu fördern, um den so überaus notwendigen 
Hypothekenschutz allgemein durchzuführen. Das Wesen 
und die Aufgaben des vor kurzem vom Deutschen Arbeit 
geberbund für das Baugewerbe in Gemeinschaft mit 
dem Innungs-Verband Deutscher Baugewerksmeister ge 
gründeten Deutschen Wirtschaftsbundes für 
das Baugewerbe legte Baumeister Noack (Dresden) 
in einem eingehenden Vortrage dar. Mit Recht wies er 
dabei auf die bedeutsame Aufgabe hin, die der neuge 
gründeten Organisation insbesondere auch bei der Durch 
führung der Uebergangswirtschaft in unserem Ge 
werbe zufallen werden. Die Förderung des Lehrlings 
wesens behandelte Ratsmaurermeister Reissmann 
(Dresden) in einem ausführlichen Berichte. Der Ge 
schäftsführer des Hauptverbandes besprach im Anschluß 
an den Vortag die Maßnahmen, welche der Jnnungs- 
Verband Deutscher Baugewerkmeister auf diesem Gebiete 
getroffen hat. Weiterhin folgte ein Referat von Baumeister 
Kirsten (Dresden) über die mit dem Zementsyndikat 
und der reichsgesetzlichen Preisfeststellung zusammen 
hängenden Fragen. Das Hilfsdienstgesetz war gleich 
falls Gegenstand der Besprechung. Von einer Seite wurde 
dabei unter Anführung von Beispielen bemängelt, daß 
sich die Feststellungsausschüße bei Erteilung von Abkehr 
scheinen nicht immer von einer gewissen Einseitigkeit 
zu Gunsten der Arbeitnehmer fernzuhalten scheinen. Bau 
meister Eger (Kamenz) führte die in seiner Stadt erprobte 
gemeinschaftliche Uebernahme von größeren Bau 
ten vor, mit der alle fünf der beteiligten Fachgenossen 
aufs Beste zufrieden gewesen sind. Er empfahl, das Ver 
fahren auch an anderen Orten anzuwenden. Architekt 
Oestrich (Berlin) unterstützte in längerer Ausführung 
diese Anregung und betonte den großen Wert des bau 
gewerblichen Genossenschaftswesens als eines bedeut 
samen Mittels, um der auch im Baugewerbe wachsenden 
Großbetriebtendenz ein Gegengewicht gegenüber zu 
stellen. 
Am nächsten Tage traten die Versammlungsteilehmer 
zur eigentlichen Kriegstagung zusammen. Hier sprach 
Baumeister Kretzschmar (Leipzig) über die durch 
Kriegsverhältnisse notwendig gewordenen Baube 
schränkungen, die als Vaterlandsdienst hingenommen 
werden müssen. Baumeister Kirsten (Dresden) be 
handelte die Frage einer Erhöhung der Landesbrand 
kasseneinschätzungen und gab die Anregung, daß 
der Vorstand des Bezirks-Verbandes in Gemeinschaft mit 
anderen Organisationen (Hausbesitz, Industrie, u. a. m.) 
mit der Brandversicherungskammer in Verhandlungen 
treten möge, um die Kriegsschätzungen und die Höhe 
der Schadensumme den tatsächlichen jetzigen Kosten 
nahezubringen. Weiterhin standen auf der Tagesordnung 
Fragen des Heimatschutzes im Hinblick auf die 
Sächsischen Kleinwohnungsbauverordnung. Den letzten 
Punkt der Tagesordnung bildete eine Besprechung über 
die Frage der Errichtung von technischen Baukammern. 
Ein Beschluß hierzu wurde jedoch nicht gefaßt. 
Verschiedenes. 
Wohnungsfragen. Unter diesem Titel läßt der Deut 
sche Wohnungsausschuß eine Anzahl zwangloser Hefte 
im Verlage von Karl Heymann in Berlin erscheinen. Das 
erste Heft liegt bereits vor. Es enthält einen ausführ 
lichen Bericht über die Gründungsversammlung des Deut 
schen Wohnungsausschusses in Berlin am 19. November 
1916 und die beiden Reden von Professor Dr. Fuchs, 
Tübingen und Dr. von Mangold, Berlin, welche dabei 
gehalten wurden. In dem Fuchsschen Vortrag wird auf 
die durch den Krieg weiteren Kreisen bekannt ge 
wordene Schwäche des hochverschuldeten Hausbesitzes
	        

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