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BAUZEITUNO
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kam über eine dortliegende Bohle so unglücklich zu Fall,
daß sie sich nicht unerheblich verletzte.
Gegenüber der Schadenersatzklage der Verunglückten
wandten der beklagte Bauunternehmer und sein Bau
führer ein, die Klägerin habe den Unfall selbst durch
ihre Unvorsichtigkeit verursacht; sie habe den Weg ge
kannt und hätte vorsichtig sein müssen — umsomehr,
als sie nach ihrer eigenen Angabe wiederholt gesehen
hatte, wie Personen in der Nähe der Baustelle über
Hinternisse stolperten.
Der Bauunternehmer machte noch besonders geltend,
er habe sich auf seinen Bauführer verlassen dürfen, denn
es handle sich um einen erprobten Angestellten, und
weiter habe er auch damit rechnen dürfen, daß die in
Frage kommende Stadt ihre Straßen ordnungsgemäß be
leuchten würde. — Der Bauführer seinerseits betonte,
er habe stets Anweisung gegeben, für die Verkehrssicher
heit bei der Baustelle zu sorgen, und er habe auch hier
und da selbst nachgesehen, ob die Poliere den Anord
nungen Folge leisteten.
Das Oberlandesgericht Colmar hat jedoch die beiden
Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zweifellos hatte der
Bauführer die Verpflichtung, für die Verkehrssicherheit
bei der Baustelle Sorge zu tragen; es genügte keines
wegs, wenn er „hier und da“ einmal nachsah.
Auch den beklagten Bauunternehmer trifft ein Verschul
den. Er hätte sich des öfteren von der Verkehrssicher
heit auf der Baustelle persönlich überzeugen müssen;
es kann ihn nicht entlasten, daß er, wie er vorbringt,
nicht am Orte wohnte. Hätte er gelegentlich nach Ar
beitsschluß die Baustelle besichtigt, so würde er die
herrschende Unordnung bemerkt und für Abhilfe
Sorge getragen haben. — Der Bauunternehmer kann
sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Stadt
ihrer Verpflichtung zur Beleuchtung der Straße ordnungs
gemäß hätte nachkommen müssen und daß bei ange
messener Beleuchtung der Straße der Unfall sich nicht
ereignet hätte; denn die Verpflichtung des Bauunterneh
mers zur Beleuchtung der Baustelle ist durch eine Ver
pflichtung der Stadt zur Beleuchtung der Straßen keines
wegs beseitigt.
Schließlich kann auch keine Rede davon sein, daß
die Klägerin den Unfall durch ihre Unachtsamkeit
verursacht hat. Auch bei langsamem Vorschreiten im
Dunkeln hätte die Klägerin den Unfall sehr wohl er
leiden können, und überdies liegt in der mangelhaften
Beleuchtung und Aufräumung der Baustelle ein so er
hebliches Verschulden, daß eine Unachtsamkeit der
Klägerin demgegenüber nicht ins Gewicht fällt.
Aus alledem ergibt sich die Pflicht der Beklagten
zur Schadenshaftung.
Kriegstagung der Sächsischen und
Reußischen Bau-Innungen.
Der Innungs-Bezirks-Verband der Sächsischen und
Reußischen Bauinnungen hielt am 16. und 17. Juni d. Js.
in Dresden seinen 29. Bezirkstag ab, mit der zugleich
seine dritte Kriegstagung verbunden war. An ihr nahmen
eine Reihe von Ehrengästen als Vertreter der staatlichen
und städtischen Behörden teil. Die Versammlung ge
nehmigte einstimmig den gedruckt vorliegenden Bericht
wie den neuen Haushaltplan und erteilte dem Vorstande
die Entlastung. Bei der Festsetzung des Beitrages für
das nächste Geschäftsjahr wurde auf Anregung von Bau
meister Wachs (Roßwein) beschlossen, zur Stärkung
der Hauptverbandskasse einen freiwilligen Beitrags
zuschlag von 50 Pfg. für das Mitglied zu zahlen und
nach Berlin abzuführen. Ueber den Stand der im Nov.
v. Js. errichteten Hypothekenschutzbank berichtete
Baumeister Kretzschmar (Leipzig). Er empfahl dringend,
das Unternehmen im Interesse unseres Gewerbes nach
Möglichkeit zu fördern, um den so überaus notwendigen
Hypothekenschutz allgemein durchzuführen. Das Wesen
und die Aufgaben des vor kurzem vom Deutschen Arbeit
geberbund für das Baugewerbe in Gemeinschaft mit
dem Innungs-Verband Deutscher Baugewerksmeister ge
gründeten Deutschen Wirtschaftsbundes für
das Baugewerbe legte Baumeister Noack (Dresden)
in einem eingehenden Vortrage dar. Mit Recht wies er
dabei auf die bedeutsame Aufgabe hin, die der neuge
gründeten Organisation insbesondere auch bei der Durch
führung der Uebergangswirtschaft in unserem Ge
werbe zufallen werden. Die Förderung des Lehrlings
wesens behandelte Ratsmaurermeister Reissmann
(Dresden) in einem ausführlichen Berichte. Der Ge
schäftsführer des Hauptverbandes besprach im Anschluß
an den Vortag die Maßnahmen, welche der Jnnungs-
Verband Deutscher Baugewerkmeister auf diesem Gebiete
getroffen hat. Weiterhin folgte ein Referat von Baumeister
Kirsten (Dresden) über die mit dem Zementsyndikat
und der reichsgesetzlichen Preisfeststellung zusammen
hängenden Fragen. Das Hilfsdienstgesetz war gleich
falls Gegenstand der Besprechung. Von einer Seite wurde
dabei unter Anführung von Beispielen bemängelt, daß
sich die Feststellungsausschüße bei Erteilung von Abkehr
scheinen nicht immer von einer gewissen Einseitigkeit
zu Gunsten der Arbeitnehmer fernzuhalten scheinen. Bau
meister Eger (Kamenz) führte die in seiner Stadt erprobte
gemeinschaftliche Uebernahme von größeren Bau
ten vor, mit der alle fünf der beteiligten Fachgenossen
aufs Beste zufrieden gewesen sind. Er empfahl, das Ver
fahren auch an anderen Orten anzuwenden. Architekt
Oestrich (Berlin) unterstützte in längerer Ausführung
diese Anregung und betonte den großen Wert des bau
gewerblichen Genossenschaftswesens als eines bedeut
samen Mittels, um der auch im Baugewerbe wachsenden
Großbetriebtendenz ein Gegengewicht gegenüber zu
stellen.
Am nächsten Tage traten die Versammlungsteilehmer
zur eigentlichen Kriegstagung zusammen. Hier sprach
Baumeister Kretzschmar (Leipzig) über die durch
Kriegsverhältnisse notwendig gewordenen Baube
schränkungen, die als Vaterlandsdienst hingenommen
werden müssen. Baumeister Kirsten (Dresden) be
handelte die Frage einer Erhöhung der Landesbrand
kasseneinschätzungen und gab die Anregung, daß
der Vorstand des Bezirks-Verbandes in Gemeinschaft mit
anderen Organisationen (Hausbesitz, Industrie, u. a. m.)
mit der Brandversicherungskammer in Verhandlungen
treten möge, um die Kriegsschätzungen und die Höhe
der Schadensumme den tatsächlichen jetzigen Kosten
nahezubringen. Weiterhin standen auf der Tagesordnung
Fragen des Heimatschutzes im Hinblick auf die
Sächsischen Kleinwohnungsbauverordnung. Den letzten
Punkt der Tagesordnung bildete eine Besprechung über
die Frage der Errichtung von technischen Baukammern.
Ein Beschluß hierzu wurde jedoch nicht gefaßt.
Verschiedenes.
Wohnungsfragen. Unter diesem Titel läßt der Deut
sche Wohnungsausschuß eine Anzahl zwangloser Hefte
im Verlage von Karl Heymann in Berlin erscheinen. Das
erste Heft liegt bereits vor. Es enthält einen ausführ
lichen Bericht über die Gründungsversammlung des Deut
schen Wohnungsausschusses in Berlin am 19. November
1916 und die beiden Reden von Professor Dr. Fuchs,
Tübingen und Dr. von Mangold, Berlin, welche dabei
gehalten wurden. In dem Fuchsschen Vortrag wird auf
die durch den Krieg weiteren Kreisen bekannt ge
wordene Schwäche des hochverschuldeten Hausbesitzes