Full text: Süd- und Mitteldeutsche Bauzeitung (1919/20)

hütte erbauten, die mit Weglassung der Dachpappe an 
nähernd genau das darstellte, was der Herr H. W. in 
seiner Beschreibung schildert. Das Dach hat Jahre lang 
gehalten, und es war uns jungen „Naturmenschen“ sehr 
behaglich in dieser Erdhütte. 
Etwas anderes ist es, wenn derartige Dächer für 
Wohnbauten im üblichen Sinne und besonders für Krie 
gerheimstätten Anwendung finden sollen. Wenn ich auch 
annehme, daß hinsichtlich der Wasserdichtigkeit alle meine 
Bedenken überwunden werden können, so sind nach 
meinem Erachten die ästhetischen Bedenken so weitgeh 
ender Art, daß sie immer als erheblicher Faktor gegen 
die Rasendächer sprechen werden. Das Bild einer länd 
lichen Besiedelung, sei es Einzelhaus oder Dorf, wird 
bei uns in Süddeutschland immer unschön sein, wenn 
die Gebäude flache Dächer haben, und wenn diese Dä 
cher in so bedeutender Stärke (30 cm) in Erscheinung 
treten, dann wird der Eindruck nach Außen bei kleineren 
Bauten noch ungünstiger sein. Man wird bei solchen 
Bauten unwillkürlich an „Unterstände“ in der Kriegszeit 
erinnert werden, oder an Lagerhäuser usw. Der Charak 
ter behaglicher Wohnstätten in schöner Landschaft wird 
durch so schwere und flache Dächer zerstört. 
Ein weiterer Nachteil resultiert aus dieser Dachform, 
und der besteht darin, daß in solchen Gebäuden keine 
Dachräume in unserem Sinne möglich sind, und daß so 
schwere Holzkonstruktionen zur Aufnahme des Dachwerks 
erforderlich sind. 
Alle anderen geschilderten „Vorzüge“, Wärme im 
Winter und Kühle im Sommer, erkenne ich durchaus an; 
ebenso die weitgehende Feuersicherheit. 
Der Herr H. W. müßte eben einmal ein derartiges 
Dach an geeigneter Stelle zur Anschauung bringen, dann 
wird es von selbst für sich werben, oder gegen sich 
einnehmen. K. L. 
Die Bedeutung der antiken Architektur. 
Von Dr.-lng. E. Fiechter, Professor an der Technischen Hoch 
schule Stuttgart. Akademische Festrede, gehalten am 25. Februar 
1918 in der Aula der Technischen Hochschule Stuttgart. 
Schluß. 
Das führt uns zu einem weiteren Punkt, in dem uns 
wieder die antike Baukunst vorbildlich sein kann: zur 
Gesetzmäßigkeit. Klare Anordnung ist nur möglich 
bei klaren eindeutigen Raumformen, und diese wiederum 
verlangen geordnete, künstlerisch wertvolle Beziehungen 
von Oeffnungan und Mauerflächen; alles Zufällige, Un 
gelöste wird störend empfunden oder es verhindert eine 
eindeutige künstlerische Absicht. Wir werden nach dem 
Krieg nicht Zeit haben, immer wieder neue Versuche zu 
machen; alle die liebenswürdig lockern und malerisch 
gedachten Baugruppen, die doch nicht malerisch sind, 
werden nicht mehr möglich sein, soweit es sich um große 
Bauten für die Oeffentlichkeit handelt. Denn unsere Städte, 
die der Baukunst die Aufgaben geben, sind Großstädte 
geworden. Je größer aber ein Organismus ist, um so mehr 
bedarf er der Ordnung. Der Stil unserer Großstädte 
kann nicht anders sein als auf Ordnung aufgebaut, auf 
klare Verteilung und klare Bildung der Räume und der 
Häuser. Diese Folgerung hat auch das Altertum gezogen, 
als es im 4. Jahrhundert begann, enge Städteanlagen zu 
erneuern und neue größere, streng geordnete anzulegen. 
Ephesos, Milet u. Alexandria sind berühmte Beispiele dafür. 
Die Einsicht in diese Zusammenhänge verlangt von 
uns, wofern wir sie als richtig geschildert anerkennen, 
daß wir unser Handeln darnach richten, daß wir eine 
Entwicklung in diesem Sinn fördern. Wir brauchen also 
eine allgemeine, gleichgerichtete Gesinnung, die die Künst 
ler in diesem Streben nach Ordnung und Gesetzmäßig 
keit fördert und trägt. Heute wird diese Gesinnung nicht 
die Kirche aufbringen, wie im Mittelalter, nicht ein Fürsten 
hof, wie im Barock, sondern der Volksstaat, für dessen
	        

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