I./15. Sept. 1919.
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An Stalldecken müssen höhere Anforderungen gestellt
werden als an Wohnhausdecken, denn neben der gleichen
Tragfähigkeit müssen diese Decken die höchste Isolier
fähigkeit gegen Temperatureinflüsse aufweisen. Die Ent
wicklung der Wasserdämpfe in Viehställen ist bekanntlich
sehr wesentlich und es ist deshalb das Hauptaugenmerk
darauf zu richten, daß die Wasserdämpfe in der Luft ge
bunden bleiben; mit anderen Worten gesagt, die Decken
und Wände müssen aus Material ausgeführt werden,
welches von Natur aus ein schlechter Wärmeleiter ist.
Eine Stalluft von 18° Wärme und mit 80°/ 0 Wasserdampf
gesättigt, braucht sich beispielsweise nur um 4° abzukühlen,
bis sich das Wasser tropfenweise an den luftbespülten
Flächen abscheidet. Bei einer Temperaturdifferenz von 5°
ist die Wärmeübertragung durch Decken mit Backstein
oder Hourdis hergestellt genügend groß, um eine Ab
kühlung von 4° hervorzurufen. Die Wärmeübertragungs
ziffer kann für derartige Decken mit
k = 1,16
angenommen werden, demnach ist die, durch die Decke
abgeleitete Wärmemenge
Q = 1,16.5 = 5,8 W. E.
Dies entspricht einer Wärmeabnahme bei 3 m Stallhöhe
von 6 °. Die Abkühlung würde demnach schon nach
50 Minuten den Beharrungszustand erreicht haben und
nach Verlauf von 40 Minuten würde die Decke anfangen
zu schwitzen.
Mir liegt nun der Prospekt einer Stalldecken
konstruktion vor, welche in wärmetechnischer Hinsicht
entschieden beachtet zu werden verdient. Die Konstruktion
derselben ist in der beigegebenen Abbildung dargestellt.
Der Querschnitt, wie zusammengesetzt, dürfte eine
Wärmeleitungsziffer von
k = 0,4
haben. Somit die stündl. Wärmeableitung bei "gleicher
Temperaturdifferenz wie vorher
Q = 0,4.5 = 2,0 W. E.
Die Wärmeabnahme berechnet sich zu 2,15°, daraus geht
hervor, daß sich die Decke nie soweit abkühlt, daß sich
aus der Stalluft Wasser abscheidet, d. h. daß die Decke
schwitzen würde.
ln konstruktiver Hinsicht ist die Decke wohl das Ein
fachste was je erreicht wurde. Die Steine werden fabrik
mäßig hergestellt und dürften in absehbarer Zeit von jeder
Baumaterialienhandlung bezogen werden können. Die
Decke selbst kann schließlich vom Bauherrn ohne Beihilfe
eines Facharbeiters hergestellt werden. Eine eigentliche
Schalung wird zur Herstellung der Decke nicht erforder
lich, wie aus der Abbildung hervorgeht. Die Unlersicht
der Decke kann sowohl verputzt werden als auch unver
putzt bleiben. In statischer Hinsicht wirkt die Decke sehr
einfach. Meine Ausführungen zusammenfassend, halte ich
die Decke für äußerst empfehlenswert, sie vedient ent
schieden beachtet zu werden.
Ing. Johannes Wörner, Stuttgart-Cannstatt. J
44. Abgeordnetenversammlung des Verbandes Deutscher
Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Die vom 22. bis 24. Aug. d. J. in B a m b e r g statt
gefundenen Verhandlungen, an denen aus allen Teilen
Deutschlands gegen 60 bevollmächtigte Vertreter der Ver
bandsvereine teilnahmen, wurden vom Vorsitzenden, Geh.
Ober-Baurat S c h m i c k (Ingenieur) München, geleitet.
Die Stadtgemeinde Bamberg war dabei durch ihren tat
kräftigen Oberbürgermeister Waechter vertreten. In seiner
Eröffnungsansprache erläuterte der Vorsitzende die un
geheuer tief in unser ganzes Verkehrs- und Wirtschafts
leben einschneidenden technischen Friedensbedingungen,
deren Durchführung Deutschland, wenn überhaupt, nur
möglich ist durch weitgehende Zuziehung der Techniker
in beratender und führender Stellung. Dazu tue es aber
vor allem not, daß die Zersplitterung der technischen
Kräfte und die Uneinigkeit der verschiedenen Verbände
aufhöre und sich Alle zu gemeinsamem Wirken zusammen
schließen. In ähnlichem Sinne sprach auch der Ober
bürgermeister, der auf die Leistungen der Technik für die
Entwicklung der deutschen Städte hinwies und die großen
Schwierigkeiten betonte, die bei der traurigen wirtschaft
lichen Lage den Städten aus der Durchführung ihrer Auf
gaben in Zukunft erwachsen würden. Dazu brauchten sie
der Architekten und Ingenieure mehr als je und nach den
Leistungen im Kriege habe er das volle Vertrauen, daß sie
auch diese Aufgaben lösen würden.
Aus den inneren Angelegenheiten, die zur Verhand
lung kamen, sei hervorgehoben, daß als neues Vorstands
mitglied der namentlich durch seine Arbeit über die zu
wählende Linie des fehlenden Schlußstücks des Mittelland
kanals bekannt gewordene Wasserbauer Prof. O. Franzius
in Hannover, zum stellvertr. Vorsitzenden Geh. Baurat
Hagemann (Architekt) Berlin, gewählt wurden. Es wurde
ferner die Frage des Zusammenschlußes mit älteren und
neueren baukünstlerischen und bautechnischen Organi
sationen — namentlich auch mit dem Bund Deutscher
Architekten — eingehend besprochen und die weitere Be
handlung dieser Frage, die in engster Beziehung zu einer
Neuorganistion des Verbandes steht, wurde einem Aus
schuß übertragen, indem gleichzeitig die bisherigen
Schritte des Vorstandes gutgeheißen wurden. Angenom
men wurden die von einem aus Vertretern aller großen
technischen Fachverbände bestehenden Ausschuß aufge
stellten Entwürfe für eine zeitgemäße Neufassung der G e -
bühren-Ordnungfür Arbeiten der Architekten und
Ingenieure, während eine ähnliche Arbeit über Grund
sätze für Wettbewerbe noch einmal durchgear
beitet werden soll. Die Versammlung befaßte sich sodann
mit der Frage eines gesetzlichen Schutzes der
Berufsbezeichnung „Ingenieu r“, der als ein
Schutz der Allgemeinheit gegen unlautere und unbefähigte
Elemente notwendig erscheint. Ueber die Grundsätze be
stand Uebereinstimmung, für die weitere Behandlung der
Frage wurde ein Ausschuß eingesetzt. Bei der nach der
Revolution einsetzenden Neuordnung in Staat und Ge
meinde, vor allem auch bei dem wirtschaftlichen Wieder
aufbau Deutschlands, wollen auch die Techniker mitspre
chen und sie fordern in technisch-wirtschaftlichen Fragen
eine entscheidende Stimme. Auch in den Fragen der all
gemeinen Verwaltung halten sie das ausschließliche Vor
recht der Juristen nicht für berechtigt und fordern Zu
lassung zum Verwaltungsdienst auch für Techniker und
andere Kräfte. Außer diesen allgemeinen Fragen wurde
im besonderen noch die Notwendigkeit der Schaffung
eines Bautenministeriums in Preußen besprochen, das nach
Uebergang der Eisenbahnen und Wasserstraßen an das
Reich alle bisher verschiedenen Ministerien überwiesenen
Zweige des Hochbaus, dazu auch die Unterhaltung sämt
licher Staatsbauten und die Verwaltung aller Staatsgrund
stücke umfassen müßte. Der Verband wird für eine Re