16./3J,’:Nov 1919.\
BAUZEITUNG
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Verbandes des deutschen Handwerks irrig ist, so ist das
verständlich, weil eine Beurteilung des Reichsverbandes
des deutschen Handwerks so kurz nach seiner Gründung
für fernstehende Kreise noch recht schwierig ist. Seine
Tätigkeit ist zunächst nur aus der Satzung zu erkennen,
nach dieser ist seine Hauptaufgabe die Sicherstellung des
Handwerks und seiner beruflichen und wirtschaftlichen
Organisation in der deutschen Wirtschaftsverfassung. Es
handelt sich also keineswegs um eine Beschränkung auf
reine handwerkliche Fachfragen, der Verband will im Ge
genteil die gesamten wirtschaftlichen Interessen des Hand
werks gegenüber der großen Wirtschaftspolitik in Staat
und Reich vertreten. Die im Reichsverband vereinigten
1 / Millionen Handwerksbetriebe geben ihm den Nach
druck bei der Vertretung der wirtschaftlichen Interessen
des Handwerks. Der Reichsverband des deutschen Hand
werks hat es deshalb nicht nötig, die Unterstützung an
derer Berufskreise nachzusuchen. Das Handwerk ist lange
genug Mitläufer der verschiedenen wirtschaftspolitischen
Verbände gewesen. Damit hat es nun ein Ende, denn der
Reichsverband ist in Zukunft der alleinige Sammelpunkt
des gesamten Handwerks, er tritt auf als die Standesver
tretung des Handwerks für den kommenden Reichswirt
schaftsrat. Infolgedessen ist gerade jetzt die Stärkung der
fachlichen Berufsvertretung von besonderem Werte.
Wohnungsfürsorge im Ruhrgebiet. Der Leiter des
Stadtbauamtes in Bochum, Dieffenbach, hat einen Ent
wurf zwecks Wohnungsbeschaffung für die Kohlenarbeiter
ausgearbeitet und soll dieser Regierung und Parlament
zugesandt werden. Er sieht zur Beschaffung von Woh
nungen für die Bergarbeiter eine Steuer auf die Tonne ge
förderter Kohle jeder Art von 5 Mark vor. Die Besteue
rung soll während eines Zeitraumes von 5 Jahren durch-
gefüftrt werden. Bei einer Förderung von 80 Millionen
Tonnen im Jahr ergibt dies in 5 Jahren eine Gesamt
summe von 2 Milliarden Mark. Die Hälfte der Steuer
erträge soll den Zechen zum sofortigen Wohnungsbau
überlassen werden. Beim Oberbergamt ist ein Wohnungs
rat zu errichten, bestehend aus 10 Vertretern der Berg
arbeiter und je 5 der Gemeinden und Zechen. (Dieser
Vorschlag gehört wohl überlegt; es gibt noch andere
Mittel, die Wohnungsnot zu beheben, als die Kohle noch
mehr zu verteuern; das Beispiel würde sicher Nachahmer
finden. Die Schriftleitung.)
Die Bergleute-Siedelung in Barsinghausen am Deister.
In einem Aufsatz in der Zeitschrift „Die Gartenkunst“
beschäftigt sich H. F. Wiepking in Berlin-Grunewald mit
der Ansiedelung der Bergleute in Barsinghausen. Es
heißt darin: Bemerkenswert ist zunächst, daß sie ihr Haus
aus dem alten niedersächsischen Bauernhause heraus ent
wickelt haben. Eine Zeitlang bauten sie auch hier „mo
dern“. Jetzt ist man aber zum guten Alten zurückgekehrt
und hat das nicht bereut. Die Bauart der Häuser war
bis zum Ablauf des vorigen Jahrhunderts durch weg-
Eichenf ach werk mit 14 cm Mauerwerk. Bei guter In
standhaltung kann ein solches Haus 500—600 Jahre alt
werden. Zu jedem Hause gehört ein Garten von 600 bis
1800 Geviertmeter und außerdem in der Feldmark meist
zwei Morgen eigenes oder Pachtland. Fast der gesamte
Jahresbedarf an Gemüse, Kartoffeln, Getreide und Obst
wird selbst geerntet. So hohe Garten- und Feldkultur
wie hier ist selten zu sehen. Besonders wichtig erscheint
aber auch, daß fast jedes Haus für zwei Wohnungen be
rechnet ist. Wiepking hat sich eingehend über den Zweck
unterrichtet und gefunden, daß dies bei der Neuplanung
von Siedelungen unbedingt berücksichtigt werden muß.
Es gibt doch Witwen, Witwer, kinderlose Eheleute, Jung
verheiratete, die noch nicht im Besitz von Kindern, oder
der zum Hausbau nötigen Barmittel sind, oder ältere
Leute, deren erwachsene Kinder außerhalb des Hauses
Beschäftigung fanden, Schneiderinnen, Waschfrauen und
dergleichen mehr. Ihrer ist bei den neueren Siedelungen
nirgends in ausreichendem Maße gedacht worden. Man
kann deshalb aus diesem von Arbeitern geschaffenen Bei
spiel lernen. Freilich wird man einwenden: „Was nützt
ein Eigenheim, wenn doch noch eine fremde Familie mit
wohnt?“ Und dennoch wird hier bei jedem Neubau
eine zweite Wohnung mit vorgesehen. Die Lehren, die
man aus dieser Ansiedelung schöpfen kann, werden keine
unbedingte Allgemeingültigkeit haben. Aber für die jetzt
in so großem Umfange im Gange befindliche Schaffung
von Kleinsiedelungen ist es sicher von größtem Werte,
solche Beispiele aus dem Leben auf das sorgfältigste zu
studieren und zu beachten.
Vereinsmitteilungen.
Württ. Baubeamten-Verein. Abteilung: Vereinigung
der mittleren technischen Beamten des Ministeriums des
Innern. Eine bittere Enttäuschung brachte uns der 6.
Nachtrag zum Finanzgesetz für das Rechnungsjahr 1919.
Nachdem im Jahre 1918 von Seite der Kammer der Ab
geordneten unser Gesuch um Schaffung von Beförde
rungsstellen auf Antrag des Herrn Berichterstatters ein
stimmig der Regierung zur Berücksichtigung im
neuen Haushaltplan übergeben worden war, glaubten wir
nun endlich, auf die Erfüllung unserer diesbezüglichen
langjährigen Bestrebungen rechnen zu dürfen. Während
nun in dem 6. Nachtrag zum Finanzgesetz für eine große
Reihe von Beamtengruppen, die meistenteils schon im