16-/31. Dez. 1919.
BAUZEITUNO
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Untergeschoß
zeitig die weitgehendsten Ansprüche auf Haltbarkeit und
Güte befriedigen.
Berücksichtigt die Sinterplatte vorzugsweise die Ein
zelfließe in weißer oder farbiger Masse und veränderlicher
Form und Oberflächenbehandlung, so erreicht dieses ke
ramische Erzeugnis seine vollendetste Ausgestaltung in
der Mosaikplatte. In schier unerschöpflichen Zeichnungen,
Mustern, Formen und Farbenzusammenstellungen, in rein
ornamentaler Weise wie in Ranken, Linienmustern, Orna
menten, Rosetten und Sternen werden Einzelfließen, vier
fache, neunfache Muster oft zu teppichartigen Belägen
hergestellt. Vielfach erinnern sie an ihre namenspendende
Vorgängerin, die Marmormosaiken der Römer und Ita
liener. Es kann nicht bestritten werden, daß dieser reine
Nachahmungstrieb ebensowenig berechtigt war, wie jene
vielfach geistlosen Muster, welche ganz zum Architektur
gepräge einer überwundenen Zeitspanne paßten. Damit
hat aber das Material an sich nichts zu tun, und es haben
diese Muster denn auch bald den einfacher gegliederten
und zeitgemäß geschmückten Stein zeugplatten weichen
müssen.
Haben wir bisher die Steinzeugplatte lediglich als Bo
denbelagsmaterial kennen gelernt, so wollen wir sie kurz
noch in ihrer Eigenschaft als Wandplatte kennen lernen.
Zu diesem Zwecke wird sie sowohl in glasiertem wie un
glasiertem Zustand an die auszuschmückenden Mauer
flächen angesetzt. Namentlich ihre Unverwüstlichkeit, ihr
Widerstand gegen mechanische Verletzung, ihre leichte
Reinhaltung und die Vielgestaltigkeit dieses absolut zu
verlässigen, massiven Wandbelages sichern ihr neben der
technischen und wirtschaftlichen Bevorzugung ihre Stel
lung als Schmuckmittel ebenso, wie die als technisch her
vorragendes Schutzmittel der Mauern in gewerblichen
Räumen.
In anderer Weise als das Altertum und das Mittelalter
tritt die neue Zeit an die Auswertung der Errungenschaf
ten industriellen Fleißes und Könnens heran. Mit den
steigenden Anforderungen an die Dauerhaftigkeit und
Haltbarkeit solcher Materialien geht Hand in Hand die
Verwertung zum Schmuck. Im Bereiche der Keramik
steht die Steinzeugplatte in dieser Hinsicht unerreicht da.
Es ist dieser Industrie gelungen, aus dem weichen und
wenig widerstandsfähigen Tonbelag des Mittelalters ein
Material zu machen, von dem wir sicher sein können, daß
I. Stock
Wirtschaft!. Frauenschule Großsachsenheim,
es die Jahrhunderte ebenso gut oder noch viel besser wird
überdauern können, wie die Mosaiken der Alten.
Emil Lauser, Regierungsbaumeister.
Rücktritt von einem Ziegellieferungsvertrag wegen
Verzögerung der Abnahme.
Am 19. April 1917 bestellte die Baufirma S. bei einem
Ziegelwerk in F. telephonisch 4—600 000 Backsteine, hart
gebrannte Ware, zum Neubau einer Fabrik. Anläßlich
der schriftlichen Bestätigung kam es zu Meinungsver
schiedenheiten über den Preis; schließlich einigten sich
die Kontrahenten auf 36 Mark per Tausend ab Werk der
Verkäuferin. Die Bestätigungsschreiben gaben aber noch
zu einer anderen Differenz Veranlassung; während die
Verkäuferin am 23. April schrieb: „Lieferung im Laufe
des Sommers“, bemerkte die Käuferin am 12. Mai; „Lief-
ferung auf Abruf“. Keine der beiden Parteien hat dem
Wortlaut des gegnerischen Schreibens ausdrücklich wider
sprochen ; später entstand dann Streit darüber, welche Be
stimmung maßgebend sein sollte. Da nämlich der Fabrik
neubau durch den Krieg ins Stocken kam, suchte S. den
Abruf so lange wie möglich hinauszuschieben; anderer
seits hatte die Verkäuferin großes Interesse an einer
schnellen Abwicklung, weil die Preise für Backsteine
dauernd anzogen und im Herubst 1917 bereits 50 Mark
pro Tausend betrugen. Im September und Oktober fand
ein lebhafter Briefwechsel zwischen den Parteien statt,
welcher damit endete, daß die Verkäuferin am 5. Oktober
ihren Rücktritt vom Vertrage erklärte, da die Lieferzeit ab
gelaufen sei. S. erhob hiermit Klage auf Feststellung,
daß die Verkäuferin nach wie vor an den Vertrag gebun
den sei, und erreichte vor dem Landgericht Frei
burg ein obsiegendes Urteil. Das Landgericht nahm
an, daß der Kläger nicht in Verzug gekommen sei, weh
es sich bei der Abnahme lediglich um eine Nebenpflicht
handele. Das Oberlandesgericht Karlsruhe
wies dagegen die Klage ab und begründete seine Ent
schließung wie folgt;
Es ist davon auszugehen, daß maßgebend für die Be
stimmung der Lieferzeit das Schreiben der Beklagten vom
23. April ist, wo es heißt; „Lieferung im Laufe des Som
mers“. Zwar hat der Kläger am 12. Mai „Lieferung auf
Abruf“ bestätigt; er kann sich aber hierauf nicht berufen,