Full text: Süd- und Mitteldeutsche Bauzeitung (1919/20)

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BAUZE1TUNQ 
Nr. 11/13 
die sich praktisch mit der Erstellung von Lehmbauten be 
fassen wollen, sehr großen Wert. 
Im Lichtbilde wurden verschiedene Schalungen des 
Stampfbaues und Lormen zur Lertigung von Lehmsteinen 
und Lehmquadern vorgezeigt. 
Die Vorträge sollen, wie die im Annoncenteil er 
scheinende Anzeige besagt, noch einmal wiederholt 
werden. 
Es kann jedermann, der sich über den jetzigen Stand 
der Ersatz- und Sparbauweisen interessiert, dringend 
empfohlen werden, diese außerordentlich lehrreichen Vor 
träge zu besuchen. 
Auswärts wohnende Interessenten, die abgehalten 
sind, den Vorträgen beizuwohnen, können von der Be 
ratungsstelle für das Baugewerbe, Stuttgart, Kanzlei 
straße 34, diese Vorträge gedruckt zum Selbstkostenpreis 
beziehen. 
Im Anschluß an diese Vorträge werden 3tägige Tages 
kurse über Sparbauweisen und Lehmbauverfahren in 
Stuttgart abgehalten, die in Vorträgen und praktischer 
Ausführung der verschiedenen Lehmbauweisen bestehen. 
Zum dritten dieser Kurse nimmt die Beratungsstelle für 
das Baugewerbe, wie im Anzeigenteil veröffentlicht ist, 
noch Anmeldungen entgegen. 
Baukunstrat für Württemberg. 
In der Sitzung vom 28. Lebruar 1920 wurden als 
Vertreter des Baukunstrats im Beirat der Baugewerke 
schule Architekt Lriedr. Hauser-Ludwigsburg und als 
Stellvertreter Regierungsbaumeister Dollinger-Stuttgart 
gewählt. Die Beratungen über die Satzungen wurden 
abgeschlossen, die endgültige Lassung vom Baukunstrat 
festgelegt und genehmigt, so daß eine Vorlage an die Bau 
kunstabteilung nach Ostern erfolgen kann. 
In dankenswerter Weise hatte für den Abend der 
Rektor der techn. Hochschule Prof. Dr. Ing. Liechter ein 
Referat über Hochschulwesen übernommen. Er führte 
aus, daß das Streben dahin geht, für die techn. Hoch 
schule größere Selbständigkeit auch in finanzieller Hin 
sicht zu erlangen. Die techn. Hochschule ist keine Lach 
schule, sondern muß der Universität in jeder Beziehung 
gleichgestellt werden. Der Studierende soll mehr wie 
bisher eine allgemeine Ausbildung erhalten und frei in 
der Wahl seiner Studienfächer sein, er soll nicht gegängelt, 
sondern zu einer selbständigen Persönlichkeit erzogen 
werden. In der jetzt den Behörden vorliegenden Hoch 
schulreform ist eine möglichst weitherzige Zulassung zum 
Studium vorgesehen. So werden die geprüften Bauwerk 
meister mit der Note 2 a als ordentliche Studierende mit 
zweijähriger Studienzeit zur Diplomprüfung zugelassen. 
Die Aufnahme von Studierenden ohne normale Vor 
bildung wird von Lall zu Lall geprüft. Um einer Un 
gerechtigkeit gegenüber den ordentlich Studierenden zu 
begegnen, ist für ihre Aufnahme das 25. Lebensjahr Be 
dingung. 
Lür die Architekturstudierenden wird vor Beginn des 
Studiums eine handwerkliche praktische Tätigkeit von 
mindestens einem halben Jahre verlangt, ferner ist 
zwischen dem Studium, das in zwei Stufen geteilt werden 
soll, eine praktische Tätigkeit von 18 Monaten auf einem 
Architekturbüro und als Bauführer vorgesehen. 
In dieser Zeit dürfte der Studierende sich klar darüber 
geworden sein, in welcher besonderen Richtung des von 
ihm ergriffenen Laches seine Neigung und Begabung 
liegt. Als Pflichtfächer der Vorstufe, die nach 3—4 Se 
mester durch eine Vorprüfung abschließt, sind an Stelle 
von Naturwissenschaft und Mathematik fast lauter tech 
nische Lächer getreten, während in der Oberstufe kein 
fester Lehrplan vorgesehen ist, vielmehr dieser nach per 
sönlicher Neigung in verschiedener Richtung ausgestaltet 
werden kann. Zur Diplomprüfung, die nach weiteren 
4 Semestern erfolgt, ist die Vorschrift einer gewissen An 
zahl von Pflichtfächern unerläßlich. Als Neuerung ist 
hierbei die Einführung der Teilprüfungen zu erwähnen, 
wonach nicht mehr wie bisher eine Gesamtprüfung ver 
langt wird, sondern der Studierende sich zur Prüfung in 
den einzelnen Lächern meldet, sobald er sich zur Prüfung 
reif fühlt. 
Die Aussichten für die Hochschule sind keine guten, 
trotzdem wird sie, wenn auch mit geringeren Mitteln wie 
früher, ihre Aufgabe zu erfüllen bestrebt sein. 
Im Anschluß an den Vortrag von Professor Liechter 
betont Professor Elsässer, daß die Reformierung nicht erst 
bei der Hochschule, sondern schon früher beginnen sollte, 
und daß vor allem der Anschauung und dem Anschau 
ungsvermögen in der Schule mehr Raum gegeben werden 
muß. Mit der Betonung des Wertes der höheren Schul 
bildung dürfen die großen Schwächen der heutigen 
Unterrichtsmethoden und des Lehrplans nicht verteidigt 
werden. Bezüglich des Architekturstudiums und seiner 
Reform tritt Elsässer dafür ein, daß die scharfe Trennung 
zwischen Hochbauingenieurwesen und Architektur für 
den künftigen Baukünstler nicht mehr bestehen darf, und 
daß die Ingenieurkunst, insbesondere Betonbau und 
Eisenkonstruktionsbau, gerade wegen des engen Zusam - 
menhanges der Konstruktionen und der künstlerischen 
Seite in den Lehrplan aufgenommen werden soll. 
Deutscher Volkshausbund. 
Der Bund hat eine Eingabe seines Bauausschusses, 
dem Geh. Regierungsrat Dr. Ing. Muthesius, Regie 
rungsbaumeister a. D. Schilbach und Architekt Bruno 
Taut angehören, an alle in Trage kommenden Stellen 
versandt, die für die Herstellung von Volkshausent 
würfen eintritt. In dieser Eingabe heißt es: 
Es besteht heute keine Möglichkeit, Volkshäuser als 
Mittelpunkte aller kulturellen, sozialen und Wohlfahrts 
arbeit, als Stätten der Volkshochschule, der Volksbücherei, 
der Lesehallen-Bewegung zu errichten. Wir wissen auch 
heute noch nicht, wann es wieder möglich ist, solche 
Volkshäuser zu bauen. Wenn wir trotzdem den obigen 
Antrag uns vdrzulegen erlauben, so tun wir dies aus 
folgenden Erwägungen heraus: 
1. Das Volkshaus ist kein Luxusbau, wie vielfach irr 
tümlich angenommen wird. Es ist von allen Seiten heute 
anerkannt, daß zum Wiederaufbau unserer Volksgemein 
schaft solche Häuser dringende Notwendig 
keit sind. 
2. Durch die Zusammenlegung und das Zusammen 
arbeiten im Volkshaus werden sich manche Ausgaben ver 
meiden lassen. 
Deshalb wird allgemein gefordert, daß, wenn wieder 
die Möglichkeit zum Bauen vorliegt, sofort mit dem Bau 
begonnen werden sollte. Aber dazu gilt es die Vorbe 
reitungen zu treffen. 
Da das Volkshausproblem für die deutschen Architek 
ten manche neuen Gesichtspunkte bietet, 
empfiehlt es sich, einige ideale Entwürfe durch einen Wett 
bewerb für die verschiedenen Volkshäuser — für die 
Großstadt, Mittelstadt, Kleinstadt und für das Land — 
herstellen zu lassen. 
Diese idealen Entwürfe sollen den Volkshaus-Ge 
danken im allgemeinen klären — insbesondere hinsichtlich 
des Bauprogramms und der Gruppierung der Räume — 
dann aber auch Lingerzeige für die zur Ausführung ge 
langenden lokalen Entwürfe bieten. Deshalb hat jede 
Stadt und Gemeinde und jeder Kreis ein besonderes Inter 
esse daran, daß dieser Wettbewerb auch für die idealen 
Entwürfe zustande kommt.
	        

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